Kita auf verseuchtem Gelände in Krefeld? "Das Wasser brannte an mehreren Stellen"

Krefeld · Herbert Bein wohnt seit seiner Kindheit in Lindental. Er glaubt, dass das Gebiet "Lunkebeins Kull" in den 50er Jahren als wilde Müllkippe für Chemikalien missbraucht wurde. Jetzt soll in direkter Nachbarschaft eine Kita gebaut werden.

 Vorn im Bild der Bereich, auf dem die Kita errichtet werden soll, hinten links im Bild das "Wäldchen", ehemals das Gewässer "Lunkebeins Kull".

Vorn im Bild der Bereich, auf dem die Kita errichtet werden soll, hinten links im Bild das "Wäldchen", ehemals das Gewässer "Lunkebeins Kull".

Foto: Carola Puvogel

Am Dienstagabend geht es in Lindental um die kontrovers diskutierte Frage, ob eine neue Kindertageseinrichtung auf einem Gelände an der Randstraße gebaut werden darf, das erwiesenermaßen mit Chrom, Nickel und Arsen weit über den zulässigen Grenzwerten kontaminiert ist. Um 19 Uhr treffen im Pfarrheim am Freizeitanger Planungsdezernent Martin Linne, der Verfasser des Bodengutachtens, Reinhold Strotmann, sowie Anwohner Herbert Bein, der sich seit Jahren mit dem Thema intensiv beschäftigt hat, auf Einladung des Bürgervereins aufeinander, um die verschiedenen Aspekte der Streitfrage zu beleuchten.

Randstraßen-Anwohner Herbert Bein kennt das Gelände seit seiner Kindheit, hat dort mit seinem inzwischen verstorbenen Bruder gespielt. "Dort, wo jetzt das Wäldchen und der Bolzplatz liegen", war seinerzeit ein Gewässer, "Lunkebeins Kull" genannt. Der Bereich sei als "unbewältigte Altdeponie der höchsten Gefahrenklasse zu sehen", meint er. Dort habe man damals Altöl, Farbreste, Chemikalien und Asbestplatten wild entsorgt. Bein kann sich an viele Kameraden erinnern, die, wie er selbst, als Kinder schwer erkrankten. Einen Zusammenhang mit dem Areal habe aber niemand hergestellt.

 Altlasten-Verdachtsgebiete: Auf dem geplanten Kita-Gelände wurden bei Probebohrungen Chrom, Nickel und Arsen nachgewiesen. Dort und auf dem Gelände der Bezirkssportanlage sollen nun neue Untersuchungen durchgeführt werden. Das "Wäldchen" soll in den 50er Jahren wilde Müllkippe für Chemikalien gewesen sein. Ob dort jetzt Bodenproben entnommen werden, ist derzeit noch offen.

Altlasten-Verdachtsgebiete: Auf dem geplanten Kita-Gelände wurden bei Probebohrungen Chrom, Nickel und Arsen nachgewiesen. Dort und auf dem Gelände der Bezirkssportanlage sollen nun neue Untersuchungen durchgeführt werden. Das "Wäldchen" soll in den 50er Jahren wilde Müllkippe für Chemikalien gewesen sein. Ob dort jetzt Bodenproben entnommen werden, ist derzeit noch offen.

Foto: Google Maps/cpu

Grelle Fässer auf dem Wasser

Bein berichtet aus den 50er Jahren: "Eines Tages schwammen grellfarbige, teilweise gefüllte Fässer auf dem Wasser. Wir verschnürten jeweils sechs Fässer, belegten sie mit Resten von Asbest- Platten und paddelten mit diesen Flößen auf dem Wasser. Als die Frösche nicht mehr abtauchten, wenn wir kamen, weil sie nicht mehr konnten und am Ende verstummten, das Wasser mit einer trüben, übelriechenden Schicht bedeckt war, die an mehreren Stellen brannte, kleine Explosionen unter Wasser erfolgten, da wurde es den Kindern unheimlich und sie mieden fortan die Kull."

Viele Kinder seien in dieser Zeit schwer erkrankt - Kinderlähmung, Lungenerkrankungen, Durchfall, Hautausschläge. "Ich selbst erkrankte an einer einseitigen Gesichtslähmung: Im Schlaf ging ein Auge nicht mehr zu, essen und trinken konnte ich nur in einem Mundwinkel. Ich wurde über einen Zeitraum von vielen Monaten täglich im Krankenhaus durch Elektrisieren und Galvanisieren behandelt. Niemand - auch nicht Eltern und Verwandte - haben zu dieser Zeit jemals eine Ursache in Lunkebeins Kull gesehen." Die Siedlung sei damals oft mit stechenden Gerüchen überzogen gewesen. "Die Kull brennt mal wieder, hieß es dann", erinnert sich Bein.

 Aktuell dient das Gelände an der Randstraße in Lindental als Parkfläche für die dahinter liegende Bezirkssportanlage, die auch von Anadolu Türkspor genutzt wird.

Aktuell dient das Gelände an der Randstraße in Lindental als Parkfläche für die dahinter liegende Bezirkssportanlage, die auch von Anadolu Türkspor genutzt wird.

Foto: Carola Puvogel

"Diese Schwelbrände hielten oft wochenlang an. Als schon größere Bereiche bodengleich befüllt waren, wagten wir uns wieder hin. Streifen von Autoreifen wurden an Stöcke gebunden, angezündet und diese Fackeln dicht am Erdboden haltend gingen wir über das heutige Bolzplatzgelände. An manchen, meist gleichen Stellen, konnten wir die Erde anhaltend zum Brennen bringen." Bein hat zudem nachgehalten, wie viele Bewohner der Randstraße an Krebs erkrankt oder gestorben seien. Er glaubt an eine auffällige Häufung von Krebserkrankungen, die, so Bein, möglicherweise mit einer Verseuchung des benachbarten Geländes zu tun haben könnten. Bauausschuss-Vorsitzender Jürgen Wettingfeld (CDU) hält diesen Verdacht für nicht von der Hand zu weisen: "Die Ausarbeitung zu einer möglichen erhöhten Krebsbelastung ist mir seit Dezember 2016 bekannt. Sie ist für mich sachlich und inhaltlich gut begründet. Die in dieser Ausarbeitung genannten Probleme müssen untersucht und geklärt werden."

Keine Reaktionen auf Beins Verdacht

Etliche Male hat Herbert Bein der Verwaltung seine Verdachtsmomente geschildert, schriftlich und im persönlichen Gespräch, diese sind sogar in einer Ratsvorlage vom Mai 2012 dokumentiert. Reaktionen darauf habe es aber nicht gegeben. Von einer Überprüfung des fraglichen Areals seitens der Verwaltung sei ihm nichts bekannt. Einzig CDU-Mann Wilfried Fabel hatte 2012 in dem Zusammenhang das Handeln der Verwaltung damals als "fahrlässig" bezeichnet, und zwar deshalb, weil das angrenzende Waldstück "Lunkebeins Kull" nicht gleichfalls überprüft worden sei.

Bein kritisiert, die Untersuchung des Kita-Geländes im Jahr 2011 mit nur drei Bohrungen und zwei Oberflächenproben sei nicht ausreichend. Er fordert eine rasterförmige Untersuchung der kritischen Bereiche, vor allem auch des Wäldchens.

(RP)
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