"Kultur findet Stadt(t)" in Krefeld Der prallste Kultur-Samstag aller Zeiten

Krefeld · Ein sommerliches Wochenende wurde es nicht, aber anders als im letzten Jahr blieb es am Samstag beim fünften Festival "Kultur findet Stadt(t)" immerhin trocken, und so konnten zehntausende Seidenstädter und zahlreiche Gäste von außerhalb bester Laune über Straßen und Plätze des Innenstadt-Carrés schlendern und unterwegs im reichhaltigen Kulturangebot Krefelds schwelgen – ganz zwanglos, bei freiem Eintritt, und mitmachen konnte man hier und da auch.

Kultur findet Stadt(t): Impressionen aus Krefeld
38 Bilder

Kultur findet Stadt(t): Impressionen aus Krefeld

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Ein sommerliches Wochenende wurde es nicht, aber anders als im letzten Jahr blieb es am Samstag beim fünften Festival "Kultur findet Stadt(t)" immerhin trocken, und so konnten zehntausende Seidenstädter und zahlreiche Gäste von außerhalb bester Laune über Straßen und Plätze des Innenstadt-Carrés schlendern und unterwegs im reichhaltigen Kulturangebot Krefelds schwelgen — ganz zwanglos, bei freiem Eintritt, und mitmachen konnte man hier und da auch.

Schon am Freitagabend hatten die Bayer-Symphoniker den Veranstaltungsreigen mit ihrem Konzert aus Opern- und Operetten-Melodien auf dem Platz an der Alten Kirche eröffnet und dabei einmal mehr ihren über die Stadt hinausreichenden Ruf als Laienorchester von bemerkenswertem Niveau unterstrichen. Zu den Ensembles, die am Samstagvormittag auf derselben Bühne zu hören waren, gehörten die Pfarrbläser St. Stephan, die ihrerseits mit getragenen, aber nicht unmodernen Klängen zu überzeugen wussten.

Ein zentrales Augenmerk hatten die Veranstalter diesmal auf die Literatur gelegt. Die Mediothek, das Niederrheinische Literaturhaus, das Literaturbüro NRW und diverse Buchhändler hatten die Königstraße in eine Literaturmeile verwandelt, wo man an Büchertischen stöbern, entspannt im Liegestuhl Hörbüchern lauschen oder eine der zahlreichen Lesungen live verfolgen konnte. Zu Gast auf dem Gelben Sofa der Rheinischen Post war z.B. der international erfolgreiche Schriftsteller Herbert Genzmer, der heute überwiegend in Spanien lebt, von Hause aus aber Krefelder ist und Träger des Niederrheinischen Literaturpreises 1994.

Seine Dissertation hatte er über Lügenstrategien in der deutschen, englischen und spanischen Sprache geschrieben, und da fühlte ihm Redaktionsleiter Jens Voss gleich auf den Zahn. Wie ist das mit dem frei erfundenen. also eigentlich gelogenen Erzählen in der Literatur? "Das kommt ganz auf die Intention des Erzählers an", parierte Genzmer, "schließlich verfolgt nicht jede Lüge das Ziel, zu betrügen und zu schädigen — manchmal sogar ganz im Gegenteil."

Und dann erzählte er, dass es sich beispielsweise in blumigem Spanisch viel unauffälliger lügen lässt, als in sachlichem Deutsch, und berichtete von seiner aktuellen Romanfigur Felix, der sich in "Das perfekte Spiel" zwar nicht das große Geld und die Gunst zahlloser Frauen erschwindelt, auf seine Weise aber doch von der Gier seiner Mitmenschen profitiert, bis er selbst seinen Meister findet. Ein amüsanter Gesprächspartner. Die Autorenlesungen in den Geschäftslokalen lassen sich noch optimieren.

Wie man seine Kunden dazu motivieren kann, führte die Boutique "Trude Waldhausen" vor, wo man die Lesung von Liesel Willems in eine kleine Bewirtung mit Kaffee, Gebäck und Champagner eingebunden und das Ganze auch gut vorab über Mundpropaganda und die Presse kommuniziert hatte. Reger Zuspruch belohnte die Mühe. Eine beeindruckende Vielzahl von Kulturinitiativen präsentierte sich an ihren Ständen auf der Rheinstraße dicht an dicht.

Von der Aktion zur Rettung des Bootshauses am Stadtwaldweiher über das Pionierhaus im Projekt "Alte Samtweberei" Lewerentzstraße, die NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer, die Kulturfabrik Kufa mit Radio-Station und originellen Banner-Taschen, die Redaktionen des Magazins "Der Streuner" und des Internet-Portals "Kultur in Krefeld" bis zum Museum Burg Linn und der gemeinnützigen Kabarettgruppe "Die Krähen" war vertreten, was Rang und Namen hat. Ferner waren dort Frät und die Künstler des "Südgangs" zu finden.

Aus dem großen Kreativbereich Design konnte man u.a. den Labelmachern von CRE8 sowie Chris Beckers, Phil Müller und Julia Weckauf über die Schulter schauen — Namen, die dabei sind Begriffe zu werden in Sachen innovativer Produktgestaltung aus Krefeld. Dazwischen auch wieder das Mitmachmuseum für jedermann. Der Hit im Regal war diesmal der "Reiseschuh Krefeld — Amerika", ein gipsummantelter und bunt bemalter Schuh von Therese Hamrath, entstanden im Jubiläumsjahr 1983.

Von dort war der Weg nicht weit zum Theaterfest, das ebenfalls am Nachmittag stattfand. Dort konnte man z.B, miterleben, wie die Niederrheinischen Sinfoniker unter Dirigent Andreas Fellner mit Konzertkobold Kiko einen allerliebsten Schnupperkurs für das Konzertpublikum von übermorgen gaben - lachen und lernen bei Mozart und Dvorak, und viele Kinder im Publikum dirigierten von ihren Plätzchen aus eifrigst mit.

Zu den beliebtesten Programmpunkten für die Erwachsenen zählten die Führungen auf die Bühne und hinter die Kulissen des Hauses, informativ und unterhaltsam gestaltet von Opernsänger Markus Heinrich — und das bei laufendem Bühnenumbau, sodass man einen wirklich sinnlichen Eindruck bekam.

Dutzende Male wurden auch die Bühnen in der Innenstadt umgebaut. Der Klanggewitter-Flashmob der Musikschule, ein Auszug aus dem Musikschul-Musical "Ali Baba" und der Auftritt der beiden Bigbands der Schule unter Laszlo Dömötör und Oliver Hirschegger zählten zu den Hauptattraktionen auf der Platz An der Alten Kirche. Nachwuchskünstler wie das Duo "Westpol" wurden von der Kufa auf dem Neumarkt vorgestellt, Latin-Klänge gab's am Angerhausenplatz, und auf der Stadtmarktbühne waren mehrere Bands aus dem Hause "rhythm matters" vertreten, besonders hörenswert das Rock-Quartett "Black Out" und die "Beautiful Soul Messengers" um Sängerin Uta Wiegner.

Den krönenden Abschluss vor mehreren hundert Musikfans lieferte das niemals nur zu dritt auftretende "Horst Hansen Trio" auf der Lohstraße vor dem Jazzkeller mit seiner abwechslungsreichen, stets innovativen Hochspannungsfusion aus Jazz- und Rock-Elementen mit humorigen Titeln wie "Die Angst des Kindes vor der Schere des Friseurs". Wie kühl der Abend geworden war, merkten die Gäste erst, als die famosen jungen Musiker einpackten.

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