Krefeld Krefelder Erfinder arbeitete mit Wernher von Braun

Krefeld · Valentin Appenzeller hatte keine besondere Schulbildung, aber einen Förderer, der sein Talent erkannte - Eduard Küsters. Der Tüftler hinterließ mehr als 40 Patente und eine Zusammenarbeit mit dem berühmten Raketenforscher und NASA-Planungschef Wernher von Braun.

 Wernher von Braun genoss aufgrund seiner Pionierleistungen als führender Konstrukteur der ersten leistungsstarken, funktionstüchtigen Flüssigkeitsrakete A4 ("V2") bei den Nationalsozialisten hohes Ansehen und in der übrigen Welt wegen seiner leitenden Tätigkeit beim Bau von Trägerraketen für die NASA-Missionen zum Mond.

Wernher von Braun genoss aufgrund seiner Pionierleistungen als führender Konstrukteur der ersten leistungsstarken, funktionstüchtigen Flüssigkeitsrakete A4 ("V2") bei den Nationalsozialisten hohes Ansehen und in der übrigen Welt wegen seiner leitenden Tätigkeit beim Bau von Trägerraketen für die NASA-Missionen zum Mond.

Foto: Bert Reisfeld

Eduard Küsters hatte den Blick für Talente: Als Ausbildungschef der Deutschen Edelstahlwerke entdeckte er einen Schlosserlehrling, dem mit seiner durchschnittlichen Schulbildung keine große berufliche Karriere vorbestimmt zu sein schien. Küsters sah jedoch, welche Fähigkeiten in dem jungen, in Pfalzdorf bei Goch geborenen Mann steckten und empfahl ihn für den Besuch eines Vorseminars in der Ingenieurschule Hildburghausen in Thüringen. Dort machte Valentin Appenzeller erfolgreich eine Ausbildung zum Maschineningenieur. Das alles geschah vor dem Zweiten Weltkrieg.

Gestern wäre der in Atlanta in den USA im Jahr 1982 hoch dekorierte Erfinder 103 Jahre alt geworden. Mehr als 40 Patente weltweit gehen auf das Konto des Niederrheiners, der sein berufliches Leben in Krefeld verbrachte. Die so genannte S-Walze - dabei steht das S für schwimmend - sei die wichtigste Erfindung, die er je gemacht und die einzige, vor der er selbst Respekt habe. Das steht in den handschriftlichen Aufzeichnungen Appenzellers, die heute im Besitz des 87-jährigen Hans Kutz sind. Kutz ist ein Arbeitskollege, der einst Prokurist des Krefelder Unternehmens Eduard Küsters Maschinenfabrik war, und selbst 26 Patente besaß. Doch das ist eine andere Geschichte.

 Auf Seite 3 der deutschen Patentschrift für die S-Walze ist oben rechts der Erfinder Valentin Appenzeller notiert. Angemeldet wurde die Erfindung durch Appenzellers Arbeitgeber Eduard Küsters (Seite 1)

Auf Seite 3 der deutschen Patentschrift für die S-Walze ist oben rechts der Erfinder Valentin Appenzeller notiert. Angemeldet wurde die Erfindung durch Appenzellers Arbeitgeber Eduard Küsters (Seite 1)

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Mit der Erfindung der S-Walze 1955 revolutionierte Appenzeller die Textilveredlung und die Papierherstellung. Küsters hat davon bis heute Tausende in alle Welt verkauft. Die größe in den 1980er Jahren lief 2500 Meter in der Minute und hatte eine Breite von zwölf Metern. Sie wog rund 80 Tonnen. Das Besondere der S-Walze besteht darin, dass die Zylinder durch Öldruck so stabilisiert werden, dass sie gleichmäßig auf Hundertstel Millimeter über große Breiten walzen können. Das funktionierte ohne die Erfindung nicht.

Appenzeller erinnerte sich nach dem Zweiten Weltkrieg sofort, von wo er herkam und wer ihn gefördert hatte. Er nahm Verbindung zu seinem alten Meister Eduard Küsters auf und arbeitete in derselben Firma wie er. Im Herbst 1949 machte sich Küsters selbstständig, und Appenzeller zählte vom ersten Tag an zu den fähigsten Mitarbeitern. In der Hochzeit wuchs die Eduard Küsters Maschinenfabrik - vor allem durch die S-Walze - auf eine Belegschaft von gut 900 Mitarbeitern. Bis zum Schluss hielt Appenzeller dem Unternehmen die Treue und kam selbst im betagten Alter noch regelmäßig in die Firma.

Während des Krieges nutzte der Rüstungskonzern Rheinmetall die Stärken Appenzellers und setzte den Ingenieur in der Entwicklungsabteilung ein. Am traurigsten Kapitel der Deutschen Geschichte wirkte der Erfinder ebenso ambitioniert mit wie später in den Wirtschaftswunderjahren am Aufstieg der Textil- und Maschinenindustrie.

Seine Verbesserungsvorschläge für die Geschützrohre und Ladevorrichtungen fanden allerhöchste Anerkennung beim Reichsrüstungsminister. Nach der Zerstörung Leipzigs, wo Appenzeller für Rheinmetall tätig war, wurde der Ingenieur nach Sömmerda in Thüringen in die Nähe von Erfurt versetzt. Sein neues Aufgabengebiet betraf die Erforschung von Abschussmöglichkeiten von Raketen aus Geschützen. Die Entwicklung und die Tests in der Lüneburger Heide standen unter der Obhut von Wernher von Braun, den die Amerikaner nach dem Krieg als Wegbereiter der Raumfahrt und Planungschef der NASA feierten. Appenzeller kam mehrfach mit dem Raketenexperten und SS-Mann sowie dessen Mitarbeitern in Sömmerda zusammen. Der Krefelder Erfinder war damals wegen seiner "fachlichen Qualifikationen" vom Wehrdienst freigestellt.

(RP)
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