Krefeld Krefelder erfindet Erdbebenalarmsystem

Krefeld · Im Krefelder Geologischen Dienst ist gestern ein neues System vorgestellt worden, mit dem Rettungskräfte bei Erdbeben schnell über Zentrum und Stärke der Naturkatastrophe informiert werden. Der Niederrhein ist besonders gefährdet.

Stärkere Erdbeben mit Schäden in NRW
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Stärkere Erdbeben mit Schäden in NRW

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Foto: dpa, fg_htf

Die Niederrheinische Bucht, in der auch Krefeld liegt, ist neben der Schwäbischen Alb und dem Oberrheintal eine der erdbebengefährdetsten Regionen in ganz Deutschland. Aus Krefeld kommt jetzt ein neues System, mit dem die Rettungskräfte im Schadensfall schneller zum Zentrum eines Erdbebens geführt werden können. In fünf bis sieben Minuten soll eine automatisierte Meldung die Retter erreicht haben. "Das Land kann jetzt bei Naturkatastrophen schneller reagieren", sagte gestern im Rahmen der Vorstellung des Systems der in Krefeld lebende Klaus Lehmann, der im Fachbereich Landeserdbebendienst beim Geologischen Dienst arbeitet.

Konkret funktioniert das System so: Bebt die Erde, dann wird dieses Ereignis - wie bisher - von 14 verschiedenen seismischen Stationen zu verschiedenen Zeitpunkten erfasst. Anhand der unterschiedlichen Zeiten und Erschütterungsintensitäten können die Geologen ausrechnen, wo der Ursprung des Bebens, also das sogenannte Epi-Zentrum, liegt und wie stark das Beben ist. Weil die Stationen jetzt alle miteinander vernetzt und zentral an zwei Rechner in Krefeld und Düsseldorf angeschlossen sind, kann diese Berechnung automatisch erfolgen. Bisher mussten die Erdbebenexperten beim Geologischen Dienst die Berechnungen manuell vornehmen, erhielten mitunter die Nachricht über ein Erdbeben erst über die örtliche Feuerwehr. Ein halber Tag verging, bis das Epi-Zentrum registriert war.

Nach fünf Jahren Bearbeitungszeit hat Klaus Lehmann nun das neue Erdbebenalarmsystem entwickelt. Dass es nicht schon eher eingeführt wurde, erklärte er damit, dass es noch nicht so lange möglich ist, große Datenvolumen dauerhaft zu senden.

Es gibt allerdings ein nicht zu unterschätzendes Risiko: Aus Erfahrung wissen die Erdbebenexperten, dass im Katastrophenfall schnell viele Bürger Zugriff auf die Seite des Geologischen Dienstes nehmen, die Internetserver also zusammenbrechen können und die automatisierte Kontaktaufnahme mit den Rettern dann nicht mehr möglich ist. Ein "ernstzunehmendes Hemmnis" nennt Klaus Lehmann dies. Er glaubt aber, dass durch die schnelle Erfassung in rund sieben Minuten ausreichend Zeitpuffer bleibt.

Ein erster Testfall war ein Erdbeben am 13. Mai 2015 vier Kilometer entfernt von Spa in Belgien: Schneller als erwartet, innerhalb von vier Minuten, war da in Krefeld Ort und Schadenskategorie registriert und dem Land gemeldet.

2000 Beben sind beim Geologischen Dienst seit 1980 registriert worden. "Erdbeben sind für unsere Region nicht ungewöhnlich", sagt Klaus Lehmann und verweist auf die immense Schadensgefahr: Beim letzten großen registrierten Erdbeben in der Region, 1992 in Roermond, bebte die Erde mit einer Stärke von 5,9 auf der Richterskala. Es gab 30 Verletzte, der Sachschaden lag allein in Nordrhein-Westfalen bei 40 Millionen Euro. Zerstörte Dächer, abgebrochene Schornsteine, der Marktplatz von Roermond war verwüstet. Ein letztes spürbares Beben in der Region gab im September 2011 in Goch mit 4,3 auf der Richterskala - es war in ganz NRW zu spüren. Auch in Krefeld hat es in den vergangenen Jahrzehnten bereits kleinere Beben gegeben.

Die Geologen wollten das neue System sogar ursprünglich zwei Wochen früher vorstellen, haben sich aber aus Pietät entschieden, wegen des schweren Erdbebens in Nepal noch zu warten.

500 000 Euro hat das Erdbebenalarmsystem gekostet. Josef Klostermann, Leiter des Geologischen Dienstes, scherzte in der gestrigen Pressekonferenz angesichts des Preises: "Dafür haben wir etwas, das funktioniert, nicht wie der Flughafen in Berlin."

(RP)
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