Krefeld Krefelder züchtet Drogen im Horror-Haus

Krefeld · Das "Folterpaar von Höxter" macht seit gut zwei Jahren in aller Welt Schlagzeilen, weil die beiden in dem Haus Frauen misshandelt haben sollen - zwei starben. Ausgerechnet dort richteten Tatverdächtige eine Marihuana-Plantage ein.

Es gibt Zufälle, an die mag man kaum glauben. Zum Beispiel, dass eine Drogen-Bande in einem weltweit berüchtigten Gebäude eine Marihuana-Plantage betreibt - praktisch immer in Sichtweite der Behörde. Das Landgericht Paderborn beschäftigt sich gerade mit den Zufällen in diesem Komplex, in dem ein Krefelder der Hauptangeklagte ist.

Während die 1. Große Strafkammer über die Tatvorwürfe gegen den 43-Jährigen verhandelt, sitzen an anderen Tagen Wilfried und Angelika W. auf der Anklagebank: Das "Folterpaar von Höxter" macht seit gut zwei Jahren in aller Welt Schlagzeilen, weil es in seinem Haus im Dörfchen Bosseborn (Kreis Höxter) Frauen misshandelt haben soll, von denen zwei schließlich starben. Seither trägt das heruntergekommene Anwesen den wenig schmeichelhaften Namen "Horror-Haus". Es wird im Frühjahr 2017 verkauft, an einen Dachdecker mit schottischen Wurzeln. Als im September 2017 die Polizei vermeldet, in dem Gebäude eine riesige Marihuana-Plantage ausgehoben zu haben, ist die Überraschung perfekt. War es die Masche des Schotten, in dem Haus auf dem Präsentierteller Drogen anzubauen - und darauf zu vertrauen, dass die Polizei nicht glaubt, dass jemand so blöde sein könnte, ausgerechnet dieses Gebäude zu nutzen?

Weit gefehlt. Auftritt des 43-jährigen Deutschtürken aus Krefeld. Der hatte nach einem beruflichen Wechsel vor ein paar Jahren finanzielle Probleme und stieg in den Drogenhandel ein. Sein Pech: Ein Großabnehmer aus Brakel (Kreis Höxter) wurde geschnappt und lieferte sämtliche seiner Kontaktleute ans Messer - so auch den Krefelder. Als Drogenfahnder aus Bielefeld nach Monaten den 43-Jährigen ausfindig gemacht hatten und mit dessen Observierung begannen, führte sie eine vermeintliche Drogenbeschaffungsfahrt von Venlo durch das Ruhrgebiet immer weiter ins östliche Nordrhein-Westfalen - und endete erst am "Horror-Haus". Am 20. September griff die Polizei zu und verhaftete nicht nur fünf mutmaßliche Mitglieder der Bande, davon zwei aus Krefeld: Im Keller des "Horror-Hauses" fand sich eine erntereife Marihuana-Plantage mit etwa 1000 Pflanzen, deren Ertrag etwa 38 Kilogramm Cannabis ergeben hätte.

Seit Mitte März verhandelt das Landgericht Paderborn gegen die Bande. Ein 44 Jahre alter Bekannter des mutmaßlichen Chefs wurde wegen Beihilfe zum illegalen Anbau von Drogen gerade zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt: Er hatte bei der Einrichtung der Plantage mitgeholfen, versorgte zudem auf Geheiß des 43-Jährigen eine Bulgarin mit Lebensmitteln, die in einem Wohnwagen in der Scheune des Anwesens hauste und die Pflanzen versorgte. Der 43-jährige Krefelder ist ebenfalls geständig, ein Angeklagter, wie ihn sich Richter oftmals vergebens wünschen. Geradeheraus, fast schon ohne unnötige Worte, gibt er nahezu alles zu, was man ihm vorwirft. Nur in einem Punkt bestätigt er nicht die Vorwürfe der Anklage: Der Kopf der Bande sei er nicht. Das sei vielmehr ein Mann aus Venlo, ein entfernter Bekannter, der ihm angeboten habe, beim Aufbau der Plantage mitzumachen. 10.000 Euro sollte seine Entlohnung betragen, aber nur 5000 Euro habe er erhalten. Der Venloer habe das mit dem Haus geregelt und etwa 60.000 Euro als "Startkapital" zur Herrichtung der Räume aufgewendet.

"So viel hatte ich ja gar nicht", sagte der 43-Jährige. Für den Aufbau der Marihuana-Plantage habe der Venloer "Chinesen" engagiert, aber dann sei bereits im Anfangsstadium das ganze Projekt irgendwie stecken geblieben: "Die waren nur ein Mal da, und dann blieb das alles an uns hängen." Mit "uns" meint der 43-Jährige vor allem sich selbst und seinen Kumpel aus Krefeld. Wie es denn um das Wissen der anderen Angeklagten bestellt gewesen sei, dass es um Drogenanbau ging, fragt Richter Bernd Emminghaus den 43-Jährigen. Der antwortet mit entwaffnender Offenheit: "Alle waren von Anfang an eingeweiht. Jeder wusste davon. Jeder hat mitgemacht. Jeder hat sein Geld bekommen, oder auch nicht."

Die spannende Frage, warum die Plantage ausgerechnet im "Horror-Haus" eingerichtet wurde, stellte der Richter bislang nicht. Die Antwort wäre wohl auch zumindest für das Gericht unwichtig: Irgendwie hatte sich innerhalb der Lieferkette des dauerkiffenden schottischen Dachdeckers herumgesprochen, dass er über ein leerstehendes Haus verfügte - und dort gegen etwas Beteiligung auch einem Marihuana-Anbau nicht abgeneigt war. Sein Geld bekam der 51-Jährige nicht, muss aber jetzt wegen seiner Mitwirkung als Vermieter für fast acht Jahre hinter Gitter.

Wie viel Jahre Gefängnis die Paderborner Richter für den 43-jährigen Krefelder für angemessen halten, könnte sich im Verfahren am 23. April zeigen.

(upf)
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