Krefeld Krefelds letzter Schuhmacher-Meister

Krefeld · Manfred Kessel hat 1957 seine Lehre als Schuhmacher begonnen und vor 50 Jahren seine Meisterprüfung abgelegt. Auch als Rentner arbeiten er und seine Frau Marianne täglich neuneinhalb Stunden in der Werkstatt am Karlsplatz.

 Manfred Kessel an seinem Arbeitstisch mit Nähmaschine (vorn) und Presse (Mitte). Rechts die relativ neuen Schleif- und Poliermaschinen.

Manfred Kessel an seinem Arbeitstisch mit Nähmaschine (vorn) und Presse (Mitte). Rechts die relativ neuen Schleif- und Poliermaschinen.

Foto: Lothar Strücken

Manfred und Marianne Kessel sind seit sieben Jahren Rentner. Das ändert aber nichts daran, dass sie ihr Geschäft am Karlsplatz außer samstags werktäglich von 9 bis 18.30 Uhr durchgehend geöffnet haben. Ebenso lang hat Krefelds - seines Wissens - letzter klassischer und selbstständig aktiver Schuhmachermeister jeden Tag zu tun - auch durchgängig! "Wenn man viel kann, kann man mit Schuhreparaturen noch genug verdienen", sagt der 72-jährige, der vor 50 Jahren seine Meisterprüfung bestanden hat. "Früher hatten wir in der Innung Linker Niederrhein über 280 Mitglieder; heute gibt es noch vier, und ich bin der Einzige aus Krefeld."

1927 hatte Kessels Vater Heinrich sein Geschäft gegenüber an der Ecke Marktstraße eröffnet. 1966 kauften die Kessels dann das Haus Karlsplatz 16 mit drei Mietwohnungen und bauten das Erdgeschoss mit Landen und Werkstatt um. Seitdem hat sich so gut wie nichts verändert. "Nur ein paar Maschinen musste ich neu anschaffen, um vernünftig arbeiten zu können", sagt Manfred Kessel und weist auf zwei Schleif- und Poliermaschinen.

Auf dem Arbeitstisch liegen aber immer noch die alten Werkzeuge: Zangen, Leistenhaken, Lederscheren, Hammer und Heber zum Entfernen von eingetretenen Nägeln. "Nein, Ahlen gibt es nicht mehr, heutzutage wird getackert", erklärt der Meister. Einer so genannten Doppelmaschine zum Annähen von Schuhsohlen sieht man ihr Alter von gut sechs Jahrzehnten ebenso an wie den beiden Spann-Apparaten zum Längen und Weiten von Schuhen. Das älteste Stück haben die Kessels ins Schaufenster gestellt: die erste, 88 Jahre alte Nähmaschine des Vaters aus dem Gründungsjahr der Schuhmachwerkstatt.

Neue Ledersohlen und Absätze kosten knapp 48 Euro. Das zahlen Kunden, die inzwischen auch von außerhalb und sogar aus der Landeshauptstadt kommen, gern: "Es gibt viele Kunden, denen es egal ist, wenn die Reparatur auch mal teurer ist als ein Paar neue Schuhe, weil sie in ihren Alten so gut laufen können. Ein gut situierter Kunde bestand sogar mehrmals auf Reparaturen, obwohl die Schuhe kaum noch zusammenzuhalten waren", erinnert sich der Meister.

Neben normalen Straßen- und Wanderschuhen repariert Manfred Kessel - als zweites Standbein - auch Reitstiefel, die etwa ein Drittel seiner Aufträge ausmachen. Früher ist er beim Reitverein Bayer selbst geritten und weiß daher, worauf es ankommt. Neue Schuhe stellt der Meister nicht mehr her; die Leisten früherer Kunden liegen im Keller. Dafür wird die Entstehung eines neuen Paars Schuhe anhand von Bearbeitungsetappen in einem Seitenfester dargestellt.

Der Laden ist Marianne Kessels Reich. "Ich bin für die Buchführung, die Annahme und Ausgabe der Schuhe und für den Verkauf zuständig", sagt die ebenfalls 72-Jährige, die wie ihr Mann in Krefeld geboren ist. Die Waren - Schuhbürsten, Schnürsenkel, Einlegesohlen Cremes und Sprays - sind fein säuberlich neben- und aufeinander in einer Vitrine hinter Glas angeordnet.

"Solange ich fit bin", sagt Manfred Kessel auf die Frage, wie lange er noch zu arbeiten gedenke. "Mein Beruf ist mein Hobby, und was ich damit verdiene, investieren wir in unsere Reisen." Vier bis fünf Mal im Jahr ist das Ehepaar Kessel unterwegs. Und noch ein zweites Hobby hat der Schuhmachermeister: Er ist seit 36 Jahren Mitglied der Krefelder Prinzengarde, zurzeit im Range eines Oberst.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort