Interview mit Kunsthändler Rüdiger K. Weng Kunstszene entdeckt Herbert Zangs neu

Krefeld · Der internationale Kunsthändler Rüdiger K. Weng aus Krefeld ist ein besonderer Kenner von Herbert Zangs. Er setzt sich sachverständig dafür ein, dem Krefelder Künstler die ihm gebührende Rolle in der Kunstgeschichte zu sichern.

 Der internationale Kunsthändler und Herbert-Zangs-Experte Rüdiger K. Weng freut sich über die neue Aufmerksamkeit für den Künstler aus Krefeld.

Der internationale Kunsthändler und Herbert-Zangs-Experte Rüdiger K. Weng freut sich über die neue Aufmerksamkeit für den Künstler aus Krefeld.

Foto: Bernd Edgar Wichmann

Sie haben vor gut einem Jahr erstmals Arbeiten von Herbert Zangs in Ihren ehemaligen Büroräumen in Fischeln ausgestellt und Kuratoren, Museumsvertreter und Sammler eingeladen, um ihnen das Avantgarde Werk des Krefelder Künstlers zu präsentieren. Was ist daraus geworden?

Rüdiger K. Weng Die Ausstellung war enorm erfolgreich, musste dreimal verlängert werden und hat alle unsere Erwartungen weit übertroffen. Obwohl die Präsentation nicht öffentlich war und nur nach Verabredung besucht werden konnte, haben mehr als 500 Besucher diese Auswahl wichtiger Werke des Krefelder Avantgardisten gesehen. Aufgrund der parallel stattfindenden TEFAF-Messe in Maastricht haben sogar Besucher aus New York, London, Mailand, Brüssel, Paris, Amsterdam, Zürich und Berlin den Weg nach Fischeln gefunden. Und was noch wichtiger ist: Die Begeisterung, insbesondere bei den Fachleuten, war unglaublich hoch. Diese Veranstaltung hat vieles ins Rollen gebracht, mit dem wir nicht gerechnet hatten ...

Geht es etwas konkreter?

Weng Aus der Krefelder Ausstellung hat sich eine weitere Präsentation in Köln ergeben, die unter anderem vom Direkter des Museums ZKM (Karlsuhe), Peter Weibel, besucht wurde. Er hat direkt am Ausstellungsort um Verweißungen von Zangs als Leihgaben für seine große kanonische Ausstellung "Art in Europe 1945 - 1968 - The Continent the EU does not know" gebeten. Diese richtungsweisenden Arbeiten aus meiner Sammlung wurden dort als eigenständige Position gezeigt - in Karlsruhe waren sogar mehr Arbeiten von Zangs als von seinen berühmten Künstlerkollegen Uecker, Piene und Mack zusammen zu sehen. Derzeit gastiert die Ausstellung im Puschkin-Museum in Moskau. Weiterhin zeigte im Winter die Münchener Galerie Maulberger eine bemerkenswerte Zangs-Ausstellung und veröffentlichte dazu einen beachtlichen Katalog.

Und was passiert in der nahen Zukunft?

Weng Im Februar 2018 soll die bisher größte und umfassendste museale Präsentation von Zangs eröffnet werden: Das ZKM, Museum für Neue Kunst, in Karlsruhe, wird mit einem internationalen Kuratorenteam eine monografische Ausstellung mit voraussichtlich 150 - 200 Kunstwerken von Herbert Zangs zeigen, die seine gesamte künstlerische Karriere von den 50er bis zu den 90er Jahren abbilden sollen. Zu der Ausstellung wird Antoon Melissen, ein bekannter niederländischer Kunsthistoriker, zusammen mit Professor Axel Heil und dem ZKM, das neue Standardwerk über das Leben und Werk des "Kunstanarchisten" Herbert Zangs erarbeiten und publizieren.

Was verbirgt sich hinter dem ZKM Karlsruhe?

Weng Das "Zentrum für Kunst und Medien", Karlsruhe, obwohl erst 1989 gegründet, ist heute eine der renommiertesten Kulturinstitutionen in Deutschland. Es vereint unter einem Dach zwei Museen, drei Forschungsinstitute sowie eine Mediathek und bündelt auf diese Weise Forschung und Produktion, Ausstellungen und Veranstaltungen, Archiv und Sammlung. Diese Institution wird derzeit von dem renommierten österreichischen Ausstellungskurator, Künstler und Kunsttheoretiker Peter Weibel geleitet. Eine tiefgehende wissenschaftliche Aufarbeitung des Werks von Zangs ist längst überfällig, nachdem zuletzt in den 90er Jahren Susannah Cremer-Bermbach wissenschaftlich über Herbert Zangs publiziert hat. Was ansonsten bislang an Publikationen vorhanden ist, gleicht oftmals einer Ansammlung von Anekdoten aus dem Aufsehen erregenden Leben des Krefelder Künstlers und seiner Freundschaften zu vielen berühmten Zeitgenossen. Ich erinnere da nur an Günther Grass, Josef Beuys, aber auch Albert Camus, Erich Maria Remarque, Marlene Dietrich oder Hildegard Knef.

Woher kommen die Werke für die Zangs-Ausstellung im Badischen?

Weng Was viele nicht wissen: Bereits jetzt befinden sich etwa 100 Arbeiten des Krefelders Herbert Zangs in mehreren Dutzend deutschen und internationalen Museen sowie anderen öffentlichen Institutionen. So besitzen das Stedelijk Museum in Amsterdam, das Kunstmuseum Lichtenstein in Vaduz, die Fondation Cartier in Paris, aber auch das Lehmbruck-Museum in Duisburg, das Westfälische Landesmuseum in Münster, das Museum am Ostwall in Dortmund sowie die Stuttgarter Staatsgalerie Arbeiten von Herbert Zangs.

Und welche Rolle spielt dabei Zangs Heimatstadt Krefeld?

Weng Auch das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld hat, seinerzeit noch unter der Leitung des legendären Paul Wember, etwa 20 Werke von Zangs erworben, die auch in dem aktuellen Bestandskatalog des Museums abgebildet sind. Weitere Leihgaben werden aus der Sammlung der Zangs-Expertin Emmy de Martelaere (Paris) sowie meiner eigenen Sammlung kommen. Schließlich hat bereits eine Vielzahl wichtiger deutscher und internationaler Sammler ihre Bereitschaft erklärt, sich temporär von ihren Schätzen zu trennen und diese für die Ausstellung und die Monografie zur Verfügung zu stellen.

Wie entstand das große Interesse ausgerechnet in Karlsruhe?

Weng Erst einmal ist Karlsruhe für die Karriere von Herbert Zangs ein wichtiger Ort gewesen. Hier hat ihm die Galerie Rottluff seine erste große Einzelausstellung gewidmet. Außerdem war Zangs während der 1960er und auch 1970er Jahre im Badischen und im Raum Stuttgart wesentlich aktiver als zum Beispiel in Krefeld. Wie bereits erwähnt besuchte Peter Weibel die Präsentation von Teilen meiner Zangs-Sammlung in Köln. Er ist ja ein begeisterter Anhänger der mit Zangs verwandten italienischen Materialkünstler und der Arte Povera, hat diese ausgestellt und umfangreich dazu publiziert.

Kannte er Zangs schon vorher?

Weng Weibel hatte Zangs in den 1970er Jahren persönlich kennengelernt, aber zuvor noch keine größere Gruppe der wichtigen Avantgarde Werke der 1950er und 1960er Jahre gesehen. Er fand unglaublich schnell Zugang zu den Werken, erkannte deren Bedeutung und Parallelen zu dem frühen Werk von Rauschenberg, Manzoni oder Alberto Burri. Viele von Zangs' Bildideen wurden dann auch später von Zero-Künstlern übernommen. Insbesondere die abstrakten Arbeiten, die Zangs in den früher 50er Jahren geschaffen hat, waren für ihre Zeit zweifellos revolutionär, doch sind sie bisher nur Insidern wirklich bekannt gewesen. Und so hat Zangs eben heute auch noch nicht den Platz in der Kunstgeschichte und im Kunstmarkt, wie ihn zum Beispiel ein Alberto Burri hat.

Wieso nennen Sie gerade Alberto Burri?

Weng Mir ist die Verwandtschaft seines Werkes zu dem von Herbert Zangs bewusstgeworden, als ich die parallel zu meiner Präsentation im K 21 in Düsseldorf laufende Retrospektive von Burri gesehen habe. Zu einem Werk dieses Künstlers kann ich auch eine Anekdote erzählen, die deutlich macht, wie schwer sich revolutionäre Kunst in Krefeld schon immer getan hat: Als der damalige Direktor des KWM, Paul Wember, Burris Collagen aus Jutesäcken 1959 ausstellte und danach der Stadt Krefeld empfahl, für etwa 1000 Deutsche Mark ein Kunstwerk Alberto Burris anzukaufen, führte das zu einem Skandal und zu wochenlangen heftigen Diskussionen und Protesten in den Regionalzeitungen. Man empörte sich darüber, dass für "Kunstmüll" öffentliche Gelder ausgegeben werden sollten.

Und was passierte dann?

Weng Das Kunstwerk, damals gegen alle Widerstände erworben, wurde im Jahr 2015 in der großen Burri-Retrospektive im Guggenheim Museum in New York gezeigt und hat heute einen Marktwert von etwa 20 Millionen Euro - vielleicht ist dies am Ende die kommerziell renditeträchtigste Investition, welche die Stadt Krefeld je getätigt hat ...

Was wollen Sie genau damit sagen?

Weng Man hat in Krefeld leider oft in der Kulturpolitik sehr provinziell gedacht und gehandelt. Dies trifft dann auch auf Herbert Zangs zu. Er wurde zwar von dem legendären Paul Wember gefördert, der auch für die Ankäufe seiner Werke durch das KWM verantwortlich war, doch mit den nachfolgenden Direktoren Gerhard Storck und vor allem Martin Hentschel verloren nicht nur die Krefelder Museen an Bedeutung, sondern auch das Werk von Herbert Zangs an öffentlicher Anerkennung.

Wie kommen Sie zu der Einschätzung?

Weng Hentschel hatte Zangs uns gegenüber sogar als Heimatkünstler abqualifiziert - für mich ein Beweis für fehlenden Sachverstand, mindestens in dieser Hinsicht. Der Prophet im eigenen Land gilt scheinbar nichts und so fehlt die Anerkennung für Zangs in Krefeld auch heute noch: Die belgische Expertin für sein Werk lebt in Paris, der Großteil seines Nachlasses befindet sich in München, die wichtigen Ausstellungen haben überall, nur nicht in Krefeld stattgefunden und der Haupt-Autor der neuen Monografie ist ein Niederländer, der in Berlin lebt und diese mit dem Team des ZKM aus Karlsruhe erarbeitet.

Sie sind als großer Zangs-Fan vielleicht auch ein bisschen befangen?

Weng Erst einmal: Meine Sammlung umfasst ja nicht nur Werke von Herbert Zangs, auch wenn ich zu diesem Künstler eine besondere Beziehung habe. Aber wenn man sich meine Heimatstadt Krefeld anschaut, muss man schon konstatieren, dass es im kulturellen Bereich auch eine Geschichte der verpassten Gelegenheiten gibt.

Haben Sie ein Beispiel?

Weng Als 1921 einer der wichtigsten deutschen Kunstsammler seiner Zeit, Karl-Ernst Osthaus, starb, wurde Krefeld dessen sensationelle Sammlung impressionistischer, expressionistischer und surrealistischer Kunst angeboten. Doch man entschied sich dafür, die angewandte Kunst mit dem Kayser-Zinn für Krefeld von den Erben anzukaufen. Um die Gemäldesammlung herum entstand dann das heute weltberühmte Museum Folkwang in Essen ...

War Zangs nicht auch selbst daran schuld, dass sein Werk nicht entsprechend gewürdigt wurde?

Weng Ja. Er hat mit seinem exzessiven Verhalten vielen auf die Füße getreten. Zum Beispiel auch dem ehemaligen Museumsdirektor Storck. Zangs war vielleicht der letzte Künstler, der wie ein Künstler gelebt hat: Er beachtete keine Konventionen, hasste das Kunstmarkt-Establishment, war ein absoluter Freigeist und hat sich kaum jemals um seine Karriere gekümmert. Er hat auch nicht versucht, seine Kunst weltanschaulich zu untermauern wie etwa sein Freund Joseph Beuys oder so gut wie Heinz Mack zu vermarktet. Privat lebte Zangs in einer Art Tauschwirtschaft - die Bedürfnisse seines täglichen Lebens ertauschte er sich mit seiner Kunst.

Welche weiteren Pläne mit Zangs haben Sie?

Weng Meine Mitarbeiterin Hanna Welzel und ich arbeiten an einer Webseite zu Person und Werk des Künstlers, deren Entstehen unter der Adresse "Zangs.org" verfolgt werden kann und die im Herbst offiziell gelauncht werden soll. Viele Krefelder haben den ausgesprochen geselligen Zangs persönlich gekannt, verfügen womöglich über Kunstwerke von ihm, aber auch über Archivalien, Fotografien oder Korrespondenz. Ich habe die große Bitte, mit uns unter der Mailadresse redaktion@zangs.org" in Kontakt zu treten, oder mich unter der Adresse Salierstraße 47, 40545 Düsseldorf anzuschreiben. Insbesondere sind wir interessiert, wenn Leser ihre abstrakten Kunstwerke von Zangs oder ihre Archivalien für die Ausstellung im ZKM und die weitere Forschung zur Verfügung stellen wollen.

NORBERT STIRKEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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