Mutter und Söhne fahren Lkw Eine Krefelder Familie auf Achse

Krefeld · Nur knapp zwei Prozent der Lkw-Fahrer in Deutschland sind Frauen. Die Krefelderin Silke Schloten ist eine von ihnen. Erst im vergangenen Jahr machte sie den Führerschein. Unterstützt haben sie ihre Söhne - auch beide Fernfahrer.

 Mutter Silke Schloten ist seit einem Jahr Berufskraftfahrerin.

Mutter Silke Schloten ist seit einem Jahr Berufskraftfahrerin.

Foto: Lammertz Thomas

Das Essen ist ein festes Ritual - egal, wann die Schlotens abends eintrudeln. Wenn alle Feierabend haben, mal früh um vier, mal spät gegen acht, ist die erste Frage der Jungs: Was kommt jetzt eigentlich auf den Tisch? Eigentlich geht es aber um etwas anderes.

Man will zusammensitzen, sich erzählen, wer heute was wohin geliefert hat, man ärgert sich über ruppige Autofahrer und Sebastian (23) und Mirco (18) geben der Mutter hin und wieder auch ein paar Tipps, etwa wie man den Lkw millimetergenau rangiert.

 Sebastian fährt bereits seit fünf Jahren Lkw.

Sebastian fährt bereits seit fünf Jahren Lkw.

Foto: Lammertz Thomas

Die 45-jährige Silke und ihre beiden Söhne fahren bis zu 40 Tonnen schwere Lastwagen. Alle drei hauptberuflich bei DHL in der Niederlassung Duisburg, zu der auch das Umschlagzentrum in Krefeld gehört. Frauen im Führerhaus eines Lkw sind schon selten. Gleich eine ganze Familie, das ist einzigartig. Schlagzeilen machen, das ist nichts Neues für die Familie.

Jedes Jahr an Halloween schmücken die Schlotens ihr Haus in Uerdingen zum berüchtigten Gruselhaus an der Deichstraße. Dass jetzt alle Lkw fahren, freut die Familie. "Ich wollte schon immer zur Post", sagt Silke. "Und die Jungs haben auch ihren Spaß." Mirco macht seit 2017 eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer, Sebastian ist fünf Jahre dabei und Silke wechselte im vergangenen Jahr in den mächtigen luftgefederten Sitz.

Das Glück fing ganz unscheinbar an. Vor zehn Jahren entschied Silke, wieder in die Arbeitswelt zurückzukehren. Sie war als Mutter immer zu Hause geblieben, kümmerte sich um die Kinder und hatte davor "hier und da gejobbt", wie sie sagt.

Die Söhne waren damals 13 und acht Jahre alt, lange aus dem Gröbsten raus. Für Silke war klar, dass sie wieder arbeiten will. Also schickte sie eine Bewerbung an die Deutsche Post. "Als Kind wollte ich eigentlich Straßenbahnfahrerin werden. Aber die Post, das hat mich all die Jahre auch gereizt", sagt Silke.

 Mirco, der erste Azubi im Krefelder DHL-Zentrum.

Mirco, der erste Azubi im Krefelder DHL-Zentrum.

Foto: Thomas Lammertz

Ein paar Wochen später fuhr sie die ersten Briefe als Springerin aus, damals noch nicht im Lkw, sondern als Botin im Postauto. "Dann wollt ich 2017 aber im großen Laster fahren und hab' den Lkw-Führerschein gemacht", sagt Silke. Eine spontane Aktion war das, erzählt die 45-Jährige heute. "Aber es hat sich gelohnt."

Auf Achse sein, so nennen es die Schlotens, liegt ohnehin in der Familie. Schon Silkes Vater machte als Soldat den Führerschein für die tonnenschweren Fahrzeuge und war Fernfahrer in der DDR. Kurz vor dem Fall der Mauer verließ die Familie den Osten.

Dass auch Silkes Kinder mal im Lkw fahren, war eigentlich nicht geplant. "Ich wollte erst Chemikant werden", sagt Sebastian. "Aber das war doch nichts für mich, also bin ich jetzt hier. Und Lastwagen fahren macht mir richtig Spaß."

Der jüngere Sohn Mirco ist der erste Azubi, der als Berufskraftfahrer von der DHL-Niederlassung in Duisburg ausgebildet wird. Seit die Wehrpflicht ausgesetzt ist und somit viele junge Leute den Lkw-Führerschein nicht mehr kostenlos bei der Bundeswehr machen, setzt die Logistik-Branche vermehrt auf die Ausbildung eigener Azubis, auch in Krefeld.

Silke fiel der Einstieg in die Arbeitswelt leicht. Bei den ersten Fahrten im Mai 2017 saß noch ein Ausbilder auf dem Beifahrersitz, heute fährt die 45-Jährige allein - und weitgehend ohne Navi. Auch von Sebastian und Marco gab es zu Hause und auf der Arbeit viel Unterstützung.

Auch wenn der Ton in der Branche rau ist, auf den Fahrten hat Silke Schloten gelernt, das Leben entspannter anzugehen. "Eigentlich müsste man oft über die Autofahrer schimpfen", sagt sie und lacht. "Aber irgendwann lernt man, Ruhe zu bewahren." Und wenn man doch mal Dampf ablassen muss, gibt es ja immer noch das Abendessen an der Deichstraße.

(atrie)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort