Krefeld Mehr Kinder als "latent gefährdet" gemeldet

Krefeld · Das Jugendamt wertet den Trend als Erfolg: Die Sensibilität der Leute für gefährdete Kinder ist geschärft; die Strategie, schon bei "latenter", sich anbahnender Gefährdung Hilfen anzubieten, ist erfolgreich.

Chronologie der Gewalt an Kindern in Betreuungseinrichtungen
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Foto: dpa, Uli Deck

Für Krefeld verzeichnet das Statistische Landesamt einen Anstieg bei den Fallzahlen bei der sogenannten "latenten Kindeswohlgefährdung". Paradoxerweise ist das kein schlechtes Zeichen, sondern ein Hinweis auf eine gewachsene Sensibilität für Kindeswohlgefährdungen - und für Erfolge bei einer Strategie, die Familien möglichst früh Hilfe anbietet und so verhindern will, dass ein Kind aus einer Familie herausgeholt werden muss. "Aus meiner Sicht ist das ein Erfolg und sehr schön; Kinderschutz wird in Krefeld ernstgenommen: Die Leute gucken genauer hin als früher", resümiert Jugendamtsleiter Gerhard Ackermann.

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Foto: AP

Das Jugendamt spricht von "latenter Kindeswohlgefährdung", wenn bei der Überprüfung der häuslichen Verhältnisse "gewichtige Anhaltspunkte" für eine Gefährdung festgestellt werden und eine Verbesserung der Situation ohne fachliche Unterstützung nicht möglich ist. Im Unterschied zu einer "akuten Kindeswohlgefährdung" verfügt die Familie über eigene Ressourcen und ist zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bereit. Bei "latenten" Fällen werde das Jugendamt von sich aus aktiv, begleite den Prozess und überprüfe die Vereinbarungen engmaschig. Die Kontakte zu einer solchen Problemfamilie finden im Abstand von Tagen statt. Schwindet die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, schaltet das Jugendamt zum Schutz der Kinder das Gericht ein. Ziel bleibt es aber, die Familie zu stabilisieren und das Kind in diesem Umfeld zu halten.

Zwei reale Fallbeispiele aus der Arbeit des "Team Kindeswohl Krefeld" (TKK) veranschaulichen, wie das Jugendamt bei latenten Gefährdungen vorgeht:

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Foto: afp, FN/tbr

Fallbeispiel 1: Bei einem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt wurden bei den Eltern Drogen- und Alkoholmissbrauch festgestellt. In der Familie gab es vier Kinder, darunter ein fünf Monate alter Säugling. In der Vereinbarung zwischen den Eltern und dem Team Kindeswohl wurde festgelegt, dass der Säugling sofort von einem Kinderarzt untersucht wurde; danach kamen Mutter und Baby ins Krankenhaus; die Familie akzeptierte ambulante Unterstützung.

Fallbeispiel 2: Die Polizei kommt nach einem Hinweis von Verwandten in Familie, die in Verwahrlosung lebt: Der Haushalt ist verdreckt, die Mutter lethargisch (sie sitzt zum Beispiel 20 Minuten regungslos vor der geöffneten Kühlschranktür), die Versorgung des eineinhalbjährigen Kindes ist nicht gesichert. In einer Vielzahl von Gesprächen konnte zur Sicherung des Kindeswohls Hilfe aus dem familiären Umfeld aktiviert werden; die Mutter kam zur stationären Behandlung in eine psychiatrischen Klinik. Die Familie der Mutter hat das Kind schließlich aufgenommen. Anfällig für kritische familiäre Situationen sind nach den Erfahrungen des Jugendamtes junge, gar minderjährige Eltern aus sozial schwachem Umfeld. Hart trifft es in diesem Milieu Alleinerziehende ohne Schul- und Berufsabschluss und ohne soziales oder familiäres Umfeld. Dennoch ist die Arbeit der Jugendämter nicht hoffnungslos, wie die Fallbeispiele zeigen.

"In Krefeld konnten wir im Rahmen der jetzt einjährigen Arbeit im Netzwerk Frühe Hilfen ein geschärftes Bewusstsein für den Kinderschutz aller Fachkräfte verschiedener Professionen feststellen", erläutert Jugendamtsleiter Ackermann. Das habe zu deutlich vermehrten Meldungen möglicher Kindeswohlgefährdungen geführt. Auch die Möglichkeit der anonymen Beratung werde mehr genutzt.

Beeindruckende Bilder: Project Unbreakable
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Zu den Zahlen: In Krefeld wurden 2012 noch 29 Fälle mit "latenter Kindeswohlgefährdung" gemeldet; im Jahr 2013 waren es 65 Fälle. Es ist der einzige Ausreißer nach oben in einer Statistik, die ansonsten für die Stadt leicht rückläufige Zahlen ausweist, und zwar gegen den Trend in NRW: 2013 haben die Jugendämter in NRW im Rahmen ihres Schutzauftrags in 30 546 Fällen eine Einschätzung bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorgenommen. Das waren 8,8 Prozent mehr als im Jahr 2012 (28 075).

In Krefeld ist der Trend positiver: Die Zahl der Verfahren ging von 930 auf 928 zurück.

(RP)
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