Ruderin Lisa Schmidla erzählt Mein Weg zur Goldmedaille

Krefeld · Lisa Schmidla gewann in Rio die Olympische Goldmedaille. Exklusiv für die Rheinische Post schreibt die angehende Journalistin über ihren Weg zur Erfüllung ihres Traumes.

Krefeld: Olympia-Helden kehren heim
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Olympia-Helden kehren nach Krefeld zurück

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Foto: TL, LS (je 2), RH

Wie schafft man es als Ruderer zu den Olympischen Spielen? Wie schafft man es, dort dann auch eine Medaille zu holen? Viele denken bestimmt: "Mit viel Training!" Aber das alleine reicht noch lange nicht. Meistens ist es die Kombination aus vielen Faktoren. Spezifisches Training, Talent, Willen und natürlich auch ein Quäntchen Glück gehören dazu. Der Weg bis zu den Olympischen Spielen ist lang. Der Grundstein wird einige Jahre im voraus gelegt.

Meinen Fokus auf Olympia 2016 habe ich während der Finalrennen bei den Spielen in London 2012 gelegt. Dort saß ich als Ersatzruderin auf der Bank, einerseits innerlich unzufrieden und andererseits motiviert, mich die nächsten Jahre bei den Großen zu beweisen. Zwei Jahre nach London saß ich 2014 mit Carina, Julia und Anne im Flaggschiff des Frauenbereichs, dem Deutschen Frauen-Doppelvierer, auf der wichtigen Schlagposition. Dass ich das geschafft hatte, machte mich schon sehr glücklich. Die komplette Saison waren wir unschlagbar. Dass wir dann am Ende des Jahres 2014 in Weltbestzeit Weltmeister geworden sind -- trotzdem unvorstellbar! Jetzt machte es klick, und in mir wuchs der Gedanke, in Rio nicht nur starten zu dürfen, sondern vielleicht sogar eine Olympische Medaille mitzunehmen.

Krefeld: Sportgala 2016 - Gäste und Kleider
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So schön war die Sportgala in Krefeld 2016

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Foto: Lothar Strücken

2015 starteten wir mit leicht veränderter Besetzung in die Saison. Julia musste den Platz freimachen, und Marie kam in das Boot. Trotzdem gewannen wir auch in diesem Jahr alles, außer die Weltmeisterschaft in Frankreich. Wir kamen auf dem Silberrang hinter den USA rein, was einer Niederlage glich. Das Rennen war zudem unglaublich schlecht gefahren, wir konnten während des gesamten Rennens keine Einheit bilden. Wir waren sehr unzufrieden mit diesem Ergebnis, vor allem, weil wir weit unter unseren Möglichkeiten geblieben waren. Als Weltmeister und dominierendes Boot der vergangenen zwei Jahre war die Zielsetzung verfehlt.

Dennoch hatten wir das Boot für die Olympischen Spiele 2016 qualifiziert. Nur sieben Doppelvierer aus der ganzen Welt dürfen dort an den Start gehen. Dieses Ziel war dann doch deutlich erreicht.

Die Olympia-Saison sollte dann für mich nicht ganz so einfach werden. Das Jahr war aber das wichtigste für mich, muss sich doch jede Athletin über einige Einzelleistungen erst einmal wieder in den Doppelvierer reinkämpfen. Und ich wollte auf die Schlagposition. Anfang Oktober 2015 ging es in das erste von sieben Trainingslagern in der Olympia-Saison. Allgemeine Athletik und viel Rennrad standen auf dem Plan, um den Körper wieder fit zu machen. Die Weltmeisterschaft (Frankreich) war zu dem Zeitpunkt gerade einmal einen Monat alt. Diese Pause war definitiv zu wenig, denn psychisch hatte ich mich noch nicht auf die kommenden Monate vorbereitet. Dementsprechend unmotiviert absolvierte ich die vielen hundert Radkilometer auf dem schwierigen Terrain auf Lanzarote. Am Trainingsstützpunkt in Dortmund angekommen, stand nach einem Leistungstest fest, dass ich mich im Ausdauer und Kraftbereich kaum verbessert hatte. Somit hieß es für mich, das Ganze auszublenden und nach vorne zu schauen. Für Fehleranalysen gab es keine Zeit.

Ende November stand die erste Leistungsüberprüfung in Form eines zwei Kilometer Ergotests auf einem Trockenrudergerät und einer sechs Kilometer Langstrecke im Einer an. Meine Leistungen waren unterdurchschnittlich, und langsam machte ich mir Sorgen um meinen Zustand. Mein Trainer machte mir Mut.

Nach dem kräftezehrenden Wochenende ging es direkt weiter mit dem Trainingslagermarathon. Diesmal stand ein über zweiwöchiger Ruderlehrgang, vom Deutschen Ruderverband organisiert, im Norden Portugals an, in Porto Antigo. Bis kurz vor Weihnachten sollte das Ganze gehen. Ich stand dem ganzen allerdings skeptisch gegenüber, da wir einen Ort besuchten, der im Vorhinein von einer Männermannschaft besucht und für eher ungeeignet gehalten wurde.

Plant man als Ruderer ein Trainingslager, müssen mehrere Faktoren geprüft werden. Ist das Ruderrevier akzeptabel? Wie sind die Wetterverhältnisse zu dem Zeitpunkt? Gibt es genügend Platz für alle Materialien (Boote, Ruder, Messboottechnik, Fahrräder, Ergometer)? Ist ein vernünftiger Kraftraum vorhanden? Gibt es einen Raum, um bei schlechtem Wetter Ergo zu fahren? Wie ist das Revier zum Radfahren? Ist das Hotel ausreichend ausgestattet? Wie ist die Verpflegung All das sind wichtige Faktoren, um ein Trainingslager erfolgreich zu machen. Immerhin sind wir eine Nationalmannschaft, die im Sommer 2016 viele Medaillen von den Olympischen Spielen nach Hause bringen sollte. Porto Antigo konnte nur sehr wenige dieser Punkte erfüllen.

Dementsprechend schleppend verlief auch dieses Trainingslager. Zur Krönung wurde ein Teil der Mannschaft krank. Diese kleine Krankheitswelle traf auch mich und machte das ganze Training der Wochen zuvor zunichte. Mein Resümee aus diesem Trainingslager war auch diesmal niederschmetternd.

Aus dem zurück musste ich mich dann direkt drei Tage vor Heiligabend einer Zahnoperation unterziehen, die mein Immunsystem komplett runtergeschraubt hat. Viel Ruhe konnte ich mir nicht geben, denn am ersten Januar flog ich mit einer kleinen Trainingsgruppe vom Stützpunkt Dortmund nach Sabaudia (Italien), um in einem bewährten Trainingslagerort vor allem im Einer voranzukommen. Ich quälte mich in jeder Trainingseinheit sehr, weil ich meinen Rückstand wieder wettmachen wollte. Mein Körper gab mir allerdings direkt zu verstehen, dass das so nicht klappt, und ich wurde wieder für einige Tage krank. Diesmal versuchte ich aber, die Zeichen meines Körpers besser zu lesen, und passte den Trainingsumfang an. An Panik wollte ich zu dem Zeitpunkt nicht denken, denn etwas besseres hätte ich aus der Situation nicht machen können.

Langsam aber sicher kam ich am Ende dieses Lagers wieder in Schwung, auch wenn ich noch riesige Rückstände auf meine Trainings- und Viererpartnerin Carina hatte. Gerade richtig, denn Anfang Februar stand das nächste Trainingslager an, wieder organisiert vom Deutschen Ruderverband. Zum zweiten mal ging es nach Portugal, und diesmal an einen für deutsche Ruderer völlig fremden Ort, Lago Azul. Nachdem im Dezember so ein Experiment schon einmal in die Hose gegangen war, sah ich dem Trainingslager für die Nationalmannschaft wieder recht skeptisch entgegen. Für mich hieß es einfach nur "Augen zu und durch".

Das gelang mir auch sehr gut, obwohl wir mit extremen Wetterbedingungen zu kämpfen hatten. Die erste Woche schüttete es quasi ununterbrochen, und teilweise starker Sturm machte das ganze Training nicht wirklich einfach. Zur Krönung des Ganzen überschlugen sich zwei Bootslager, und Boote im Wert von jeweils 12.000 Euro gingen teilweise komplett zu Bruch. Eine völlige Katastrophe!

Mein Boot trug nur einige kleinere Löcher davon. Viele Schäden der Boote konnte der extra eingeflogene Bootsbaumeister beseitigen. Die zweite Woche verlief angenehmer, und wir konnten endlich in Ruhe trainieren. Dass ich in diesem Lager zum ersten Mal komplett durchtrainieren konnte, merkte ich bei den Abschlussstrecken am letzten Tag im Einer. Ich war total fertig und musste, zuhause angekommen, erstmal viel Schlaf nachholen und mich regenerieren.

Nach einer kleinen Trainingslagerpause Ende Februar stand dann im März das vorerst letzte Lager in Sevilla (Spanien) an, wieder im Auftrag vom Deutschen Ruderverband. Es ging in die heiße Phase, denn nur wenige Wochen danach sollten die Deutschen Kleinbootmeisterschaften stattfinden. Diese Regatta war für die Athleten gleichzeitig die Qualifikation für die Olympischen Spiele. Ein möglichst gutes Abschneiden war für mich wichtig, da ich wieder auf die Schlagposition im Doppelvierer wollte. Ich wusste, dass ich in Sevilla noch einiges schaffen muss, um am Ende genau da sitzen zu können. Mein Wille und Ehrgeiz waren sehr groß, mich in jede Trainingseinheit voll reinzuhängen. Im Training klappte das auch sehr gut, bei Belastungen im Einer mit direkten Gegnern leider nicht wirklich. Mir fuhren fast alle aus dem Team davon. Das verunsicherte mich schon sehr, da ich mir unsicher war, ob meine Form zur Deutschen Meisterschaft stimmen würde. Mein Heimtrainer versuchte, mir am Telefon Mut zu machen, wie auch schon Monate zuvor.

Nach dem Lager hatte ich in Dortmund dann zwei Wochen Zeit, um mich für die Einer-Langstrecke in Leipzig und den dazugehörigen Zwei-Kilometer-Wettkampftest auf dem Trockenrudergerät fit zu machen. Meine Leistungen auf dem Ergometer waren zufriedenstellend, die im Einer hingegen nicht. Jetzt hatte ich nochmals zwei Wochen, um auch den Einer schnell zu machen. Dieses Wochenende machte mir wirklich große Sorgen, weil ich mich durch schlechte Leistungen im Wettkampf und im Training sehr angreifbar gemacht hatte. Ich kam eigentlich nie über die sechst- bis achtschnellste Zeit im Frauenteam hinaus. Der Druck für mich war unvorstellbar groß, weil ich mich durch nur ein schlechtes Rennen aus dem Vierer oder auch aus dem Nationalteam herauskatapultiert hätte. Anscheinend habe ich allerdings doch mehr Talent und Willen als andere vielleicht, da ich nach zwei guten Rennen im Vorlauf und Halbfinale im Finale Zweite wurde, und damit meine Erwartungen und auch die der anderen augenscheinlich übertroffen hatte. Nun startete der deutlich schönere Teil der Saison. Ich saß fest im Vierer und konnte den Blick endlich in Richtung Rio de Janeiro richten. Mit mir im Boot saßen wie im Vorjahr Marie, Carina und Anne. Auf dem Weg nach Rio hatten wir allerdings noch einige Stolperfallen zu überstehen.

Das nächste Event war die Heim-EM in Brandenburg im Mai, unser erster Internationaler Auftritt im Jahr 2016. Trotz widriger Bedingungen mit starken Windböen und starker Wellenbildung fuhren wir mit Abstand auf den ersten Platz. Trotz einiger Abstimmungsschwierigkeiten im Training war das ein tolles Ergebnis.

Nach der Regatta blickten wir auf den nächsten Weltcup in Luzern. Da dort auch die Konkurrenz von Übersee am Start sein würde, waren wir sehr gespannt, wie wir abschneiden würden. Leider überraschten uns die Polen im Finale und flogen davon. Mit deutlichem Abstand gewann die polnische Crew den Weltcup, und wir retteten uns sehr knapp vor der niederländischen Mannschaft ins Ziel. Das Rennen war wie das Weltmeisterschaftsrennen einfach sehr schlecht gefahren. Wir konnte als Team nicht zusammenarbeiten. Die Enttäuschung war sehr groß, hatten wir die anderen doch bei der EM und auch 2015 noch deutlich im Griff gehabt. Der Druck, der uns von außen gemacht wurde, den wir uns aber auch selbst machten, war immens. Eine Lösung musste her und wurde von einem Teil der Mannschaft sehr schnell präsentiert. Wir wollten den letzten Weltcup in Poznan (Polen) nutzen, um in der Weltmeisterbesetzung von 2014 an den Start zu gehen. Der Vierer harmonierte damals sehr gut miteinander. Natürlich brachte das Unruhe in die Mannschaft, da Marie trotz sehr guter Einzelleistung einer physisch stärkeren Julia aus dem Medaillen fähigen Vierer weichen musste. Ein knapper Sieg beim letzten Weltcup in Poznan trotz weniger Trainingskilometern gab uns allerdings Sicherheit, dass wir richtig gehandelt hatten.

So ging es dann in die letzten zwei Trainingslager um den Vierer für die Olympischen Spiele in Schwung zu bringen. Mit jedem Kilometer mehr, wuchsen wir als Einheit zusammen. Am Ende war dieser Zusammenhalt der Schlüssel, als wir im Olympiafinale einen großen Rückstand auf Polen hatten. Wir agierten als Einheit und überrumpelten die Polen mit einem großartigen Endspurt. Die Goldmedaille war der Lohn des unglaublich schwierigen Jahres 2016. Ich bin sehr stolz, das alles geschafft zu haben.

(RP)
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