Analyse: Krefelds neuer Oberbürgermeister Meyers Welt

Krefeld · Nach gut vier Wochen im Amt ist Krefelds neuer Oberbürgermeister Frank Meyer noch nicht im Amt angekommen - also in der Ebene, dort wo Mühen und Arbeit warten. Mannschaft und Partei sind mit neuen Kraftlinien aufgestellt.

Frank Meyer.

Frank Meyer.

Foto: SPD

Frank Meyer ist erkennbar noch im Kuschel-Modus. Umfangen von den wohligen Gefühlen, die der Rückblick auf einen Erfolg freisetzt. Das war bei dem Parteitag, der Ralph-Harry Klaer zum neuen SPD-Vorsitzenden wählte, deutlich zu spüren, und es ist ja auch in Ordnung. Es ist schön, von einem Sieg zu träumen, den man bereits errungen hat. Es wird für den politisch Interessierten in Krefeld spannend sein zu sehen, wie die Aufwachphase ausfällt.

Der neue SPD-Chef Klaer hat in einer Formulierung das neue Gefüge der Kräfte anklingen lassen - vermutlich unfreiwillig: Sparen, sagte Klaer, sei kein "Selbstzweck". Kurz zuvor hatte Meyer die Parole "Nie wieder Nothaushalt" ausgegeben und seine SPD auf die "harte, harte Arbeit" der Konsolidierung eingeschworen. In diesen beiden Redewendungen schlummern jede Menge Konflikte. Das sozialdemokratische Herz liebt nun mal soziale Projekte und nicht ausgeglichene Haushalte. Meyer, der erklärtermaßen lieber nett sein will als wichtig, findet hier ein weites Feld der Konsensstiftung. Es ist ein vermintes Feld.

Das Blöde an Haushaltssanierung ist ja, dass ihre Früchte nur sehr indirekt spürbar sind. Ein sanierter Haushalt bedeutet ja nicht, dass das Füllhorn für Wohltaten wieder voll ist. Wer das glaubt, wird am Ende der Durststrecke nur neuen Durst finden.

Noch ist Meyer offenbar durchdrungen von dem Gefühl, dass er als Everybody's Darling durchs Rathaus schweben wird. Straffe Führung kündigt er an und ein gutes Betriebsklima; und er lobt alle Verwaltungsmitarbeiter, sogar ausdrücklich die Leute im Ausländeramt, das von Teilen der Politik im Streit um den abgeschobenen Adnan Harb als eine Art Achse des Bösen diffamiert worden war.

Wie sehr Meyer von seinem Mantra des Handelns Hand in Hand mit den Bürgern durchdrungen ist, zeigt seine Entscheidung, Absperrungen zwischen Publikum im Rat wieder abzuschaffen. Solche "Barrieren" werde es mit ihm nicht geben. Das ist eine noch vom Wahlkampf vergiftete Spitze: Als ob Meyers Amtsvorgänger Gregor Kathstede diese Barrieren aus Arroganz gegenüber der Bürgerschaft gezogen hätte. Zur Erinnerung: Es hatte zuvor zwei Eskalationsvorgänge im Rat gegeben. Zum einen, als dort Hunderte Pinguine-Fans lautstark städtisches Geld für ihren Verein forderten (denn darum ging es); zum anderen, als Adnan-Harb-Unterstützer die Sitzung sprengten, denn faktisch wurde sie abgebrochen. Das war eine schwere Niederlage für den Rat. Kathstede stand damals allein; regelrecht doppelzüngig war später die Reaktion der Grünen, die verlauten ließen, niemand habe Angst gehabt. Es ist nicht bekannt, dass während der Sitzung irgendjemand dafür gekämpft hätte, dass sie weitergeht, weil ja niemand Angst hatte. Die hatten Angst, das ist die Wahrheit, aber es sollte Kathstedes Not und Niederlage sein. Den Abbruch der Sitzung haben Kathstedes Gegner aus politischem Kalkül hingenommen.

Wenn Meyer jetzt so tut, als sei da als Konsequenz eine "Barriere" zu den Bürgern errichtet worden, ist das im günstigsten Fall eine rosarote Aufwallung allgegenseitiger Sympathie-Erwartung. Man nimmt dem neuen OB ja sogar ab, dass er daran glaubt: Sowas passiert immer nur den anderen. Die Sozialdemokratie glaubt eben fest an sich als großes Freundschaftsprojekt. Wenn Meyer sich da mal nicht täuscht.

Widerstreitende Kräfte sind widerstreitende Kräfte. Chef sein ist nicht kuschelig, Führung ist für Konsensmenschen schwer und manchmal bitter, denn man trifft auch falsche Entscheidungen und verletzt auch Menschen. Wer an der Spitze steht, der übersieht, verkennt, verpatzt und vergrätzt auch. Stadträson und Parteiräson sind zudem nicht identisch - wie oft ist es passiert, dass die Basis nicht ausbaden will, was die da oben mit Macht und Amt entscheiden? Auch Gesetze sind nicht immer sympathisch. Nett sein ist nur am Stammtisch eine Dauerlösung. Konsolidierung ist hässlich; Sparen lässt sich nicht schönreden mit Strukturbewahrungsrhetorik.

Mal sehen, wie es wird, wenn Meyers Welt auf die Wirklichkeit trifft.

(RP)
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