Krefeld Mit 154 Paar Socken zur Oper nach Estland

Krefeld · Es ist ein ganz großer Coup fürs Theater: Es zeigt beim estländischen Saaremaa-Festival in dieser Woche fünf Opernproduktionen. Peter Schmitz hat den Transport von Kostümen für 450 Figuren geplant.

 Peter Schmitz, Leiter der Garderobenabteilung des Theaters, mit seinem Skizzenbuch. Darin wird er auch die Szenen des Gastspiels beim Opernfestival in Estland festhalten.

Peter Schmitz, Leiter der Garderobenabteilung des Theaters, mit seinem Skizzenbuch. Darin wird er auch die Szenen des Gastspiels beim Opernfestival in Estland festhalten.

Foto: Merle Meuleneers

Wer mit Peter Schmitz "Ich packe meinen Koffer" spielen möchte, braucht ein extrem gutes Zahlengedächtnis. Er hat 154 Paar Socken, 201 Hemden, zehn Hüte, 59 Mützen, 80 Krawatten, 52 Tarnanzüge und noch eine Menge mehr auf dem Zettel - alles unentbehrlich für eine gut einwöchige Reise. Schmitz ist Leiter der Garderobenabteilung am Theater und dafür zuständig, dass 450 Opernfiguren in dieser Woche beim Opernfestival in Saaremaa komplett ausgestattet auf der Bühne stehen. Eine organisatorische Meisterleistung. Acht Trucks mit Bühnenkulissen, Kostümen, Schuhen, Accessoires sind voll beladen auf Tour gegangen - inklusive zwei Bügeleisen und -brettern.

Das Theater ist Gast beim Saaremaa Opernfestival. Seit zehn Jahren organisiert die größte staatliche Konzertagentur das Festival, Deutschland war ein Wunsch-Gastland. Durch Mihkel Kütson stießen die Organisatoren auf das Gemeinschaftstheater. Kütson ist Este und hat mehrfach in Saaremaa dirigiert. Auf der mit 2700 Quadratmetern größten Ostsee-Insel Estlands gibt es kein festes Theater: Alljährlich wird für das Spektakel in der Inselhauptstadt Kuressaare ein schwarzes Viereckzelt aufgebaut, das 2000 Besuchern Platz bietet. Das Zelt nennt sich "Schlossoper", denn es steht im Hof einer Bischofsburg aus dem 14. Jahrhundert. Die Helikon Opera Moskau, die Nationaloper der Ukraine, die Ankara Staatsoper, das Teatro di Milano und die Oper Breslau waren dort bereits zu Gast.

Das Gemeinschaftstheater hat ein Gastspiel diesen Ausmaßes noch nie erlebt. Bis Samstag wird das Ensemble in dieser Woche fünf Aufführungen zeigen - an jedem Abend eine andere. 240 Theaterleute, die vor, auf und hinter der Bühne agieren, sind nach Estland gereiset: Orchester, Sänger, Bühnenarbeiter, Techniker, Maskenbildner... Denn das Publikum in Estland soll keine "Light-Fassung" aus dem hiesigen Repertoire sehen, sondern alles, was das Gemeinschaftstheater zu bieten hat: "Lohengrin", "Cavalleria Rusticana / Gianni Schicchi", "Carmina burana" in konzertanter Fassung und "Ein Maskenball". Für jede Rolle hat Peter Schmitz die Bühnenoutfits auf die Reise geschickt: 1092 Kleidungsteile, Schuhe nicht mitgerechnet.

"Wir haben 35 Garderobenrollständer dicht behängt und mit feuchtigkeitsabweisenden Hussen bedeckt. Am unkompliziertesten waren die Schuhe. Da konnten wir immer verschiedene Paare in einen Karton packen, so wie es passte", sagt er. Dafür muss die Buchführung akribisch sein. Wenn Damenpumps für "Maskenball" bei Springerstiefeln für "Lohengrin" mitreisen, muss vor Ort alles wieder sorgfältig auseinander sortiert werden. "Da gib es noch eine Besonderheit: Die Solisten werden sich in den Garderobenzelten umziehen, die Chorsänger in ihren Hotels." Da müssen die jeweiligen Kostümständer an die richtigen Stellen gebracht werden. dafür hat Schmitz einen Buchstaben- und Zahlencode ausgetüftelt. "Schwierig sind die vielen Brautkleider für "Lohengrin", das ist eine Menge Stoff, und der ist empfindlich, da muss man aufpassen, dass er nicht bricht." Für Notfälle gibt es natürlich eine Kiste mit ungezählten Knöpfen, Sicherheitsnadeln und Flickzeug.

Ohne Bürokratie geht es nicht: "Die Waffen, die wir mitführen, müssen deklariert werden", sagt Schmitz. 19 Theaterleute waren mit Vorbereitungen für die Reise beschäftigt - über Monate. Noch vor Abreise dachte Schmitz schon an die Rückfahrt: "Für den Zoll muss alles so gepackt sein, wie bei der Hinreise. Aber das ist nicht machbar." Das Bühnenbild von "Ein Maskenball" etwa soll gar nicht mehr zurück an den Niederrhein. Die Oper ist in Krefeld und Mönchengladbach abgespielt. Alles andere muss hinterher für die neue Spielzeit wieder hergerichtet werden.

Das wichtigste Utensil in Peter Schmitz' Privatkoffer ist sein Skizzenbuch. So wie er bei den Proben Szenen mit dem Zeichenstift einfängt, will er auch die Abenteuer und das Flair in Estland in markanten Strichen festhalten.

(RP)
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