Krefeld Mit Schlagstock auf Baby eingeprügelt: Acht Jahre Haft

Krefeld · Weil er einem schreienden Baby den Schädel gebrochen hat, um seine Ruhe zu haben, ist ein 22-jähriger Krefelder zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden.

 Das Krefelder Landgericht verurteilte den jungen Mann am Freitag wegen versuchten Totschlags zu acht Jahren Gefängnis.

Das Krefelder Landgericht verurteilte den jungen Mann am Freitag wegen versuchten Totschlags zu acht Jahren Gefängnis.

Foto: Sebastian Peters

Der 22-jährige Krefelder Kevin E. ist vor dem Landgericht zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden, weil er im März 2014 auf den fünfmonatigen Sohn seiner damaligen Freundin zweimal mit einem selbstgebastelten Schlagstock eingedroschen haben soll. Das Gericht sprach ihn wegen versuchten Totschlags schuldig. Regungslos, starr auf den Richter blickend, nahm der 22-Jährige im grauen Kapuzenpulli und mit großem Pflaster im Gesicht das Urteil zur Kenntnis. Seine damalige Freundin (24), Mutter des Babys, die ihren lebensgefährlich verletzten Sohn mit geschwollenem und lila verfärbtem Kopf über mehrere Stunden zu Hause gelassen und nicht ins Krankenhaus gebracht hatte, erhielt eine vergleichsweise milde Strafe — sie muss nicht ins Gefängnis, erhielt zwei Jahre auf Bewährung. Das Gericht wertete ihr Verhalten als Misshandlung von Schutzbefohlenen, gefährliche Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung. Die junge Frau brach während der Verhandlung mehrmals in Tränen aus, sagte nach dem Urteil vor Richter und Publikum: "Ich habe einen Riesenfehler gemacht."

Der Prozess im großen Saal des Landgerichts war stark besucht, viele junge Bekannte aus dem Umfeld der Angeklagten saßen auf dem Besucherplätzen. Sie atmeten hörbar auf, brachen teilweise in Tränen aus, als das Gericht mitteilte, dass die 22-Jährige nicht ins Gefängnis muss.

Konkret soll sich nach Feststellung des Gerichtes die grausame Tat am Karnevalssamstag, 1. März 2014, so abgespielt haben: Der 22-Jährige spielte mit einem Freund an der X-Box das Spiel "Fifa". Er und seine Freundin kannten sich erst kurz, zogen direkt zusammen, erst zu ihr, dann in seine Wohnung an der Hubertusstraße. Seine Freundin und der Bekannte seien an diesem Abend kurz rausgegangen, um Pommes Frittes zu kaufen. In dieser Zeit soll der 22-Jährige das Baby mit dem Stock zweimal geschlagen haben, offenbar, weil der kleine Junge zu laut schrie. Der Krefelder soll Drogenkonsument sein, sich Testosteron gespritzt haben, habe in einer "versifften Wohnung" (O-Ton Staatsanwältin) gelebt. Er hat nach der Tat das Baby ins Bettchen im Schlafzimmer gelegt und weiter X-Box gespielt.

Die mitangeklagte Freundin ging dann später ins Bett — offenbar zunächst unwissend — ins Schlafzimmer zum schwerverletzten Sohn, wurde nachts einmal wach, um das Kind um 2 Uhr zu füttern, muss da schon die Verletzungen gesehen haben. Um 5.45 Uhr wurde sie wieder wach, rief dann mehrere Male ihre Mutter an, die sie nicht erreichte. Die Mutter der Mitangeklagten entschied am Morgen des 2. März, nach dem Anruf ihrer Tochter, dass das Baby ins Krankenhaus müsse. Nach dem Krankenhausbesuch ging die Mitangeklagte aber wieder zu ihrem Freund, der sie offenbar sehr unter Kontrolle hatte. "Hallo Schatz", soll sie zu ihm gesagt haben. "Er hat über sie bestimmt", sagte gestern die Staatsanwältin. Und: "Sie versuchte ihn zu decken." Zu einem Kontakt zwischen Angeklagtem und Mitangeklagter kam es gestern im Gerichtssaal nicht mehr.

Es war ein schwieriger Prozess mit einer überraschenden Einlassung der Verteidigung am letzten Tag. Die Staatsanwältin hatte zehn Jahre Haft für den 22-Jährigen und drei Jahre Haft für die mitangeklagte Freundin gefordert — dies hätte bedeutet, dass auch die Mutter ins Gefängnis gemusst hätte. Der Verteidiger des 22-Jährigen allerdings machte in seiner Einlassung deutlich, dass dem Gericht kein endgültiger Beweis vorliege. Das Gericht musste sein Urteil gestern auf Grundlage von Indizien fällen — der Täter zeigte sich nicht geständig, an definitiven Beweisen für seine Täterschaft fehlte es; auch deshalb, weil die DNA-Spuren auf dem Schlagstock keinen Nachweis erbringen konnten, dass das Baby mit dem Stock geschlagen wurde. "Es war zwar DNA dran, aber keine verwertbare", betonte der Richter.

Einem anwesenden Arzt aus Duisburg zeigte der Richter ein Foto des selbstgebastelten Schlagstocks. "Kommt der Stock für Sie als Tatwaffe in Betracht", fragte er den Arzt, der das Kind nach dem Vorfall gesehen hatte. "Ja", antwortete dieser. "Die Kammer ist überzeugt, dass dieses Tatwerkzeug benutzt wurde", sagte der Richter deshalb später. "Wir haben keine Beweise, nur Indizien. Mir sind manchmal Indizien lieber als ein Urteil basierend auf der Aussage eines Zeugen, der möglicherweise nicht die Wahrheit sagt." Und: "Vernünftige Zweifel an der Täterschaft von Herrn E. sind nicht gegeben."

Ob die Verteidigung des 22-Jährigen Revision einlegt, blieb offen.

(RP)
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