Krefeld Museumsvilla Lange "zu verkaufen" - wie bitte?

Krefeld · Ein "Zu verkaufen"-Schild vor dem Museum sorgt für Irritation. Wer sich für den Erwerb interessiert, erfährt: Dahinter steckt das hochkarätige Künstlerduo Elmgreen & Dragset.

 Vor dem von Ludwig Mies van der Rohe erbauten Haus Lange steht ein Schild mit der Aufschrift "Zu verkaufen".

Vor dem von Ludwig Mies van der Rohe erbauten Haus Lange steht ein Schild mit der Aufschrift "Zu verkaufen".

Foto: Jens Voss

In einem Haus zu wohnen, das weltweit fast so berühmt ist wie sein Architekt: Dieser Wunsch rückt für so manchen, der in diesen Tagen die Wilhelmshofallee passiert, ein bisschen näher an die Wirklichkeit. Denn vor dem von Bauhaus-Star Ludwig Mies van der Rohe erbauten Haus Lange steht ein Schild mit der Aufschrift "Zu verkaufen". Als Ansprechpartner wird das bekannte Krefelder Immobilien-Fachbüro Kersting genannt. Will die Stadt so ihre mauen Finanzen ausbessern? Und: Was soll die Villa, die zu den wichtigsten Bauten gehört, die der Architekt vor seiner Emigration in die USA in den 1920er Jahren gebaut hat, kosten?

"Ja, diese Fragen sind uns in der Tat schon mehrfach gestellt worden", sagt Kristopher Kersting. Und fast alle hätten sich interessiert erkundigt. Empörung, dass die Stadt ein Museumsgebäude veräußern würde, ist ihm nicht zu Ohren gekommen. Wer allerdings die auf dem Schild angegebene Handy-nummer wählt, wird aufgeklärt. Eine Stimme vom Band erklärt. "Sie haben den Anschluss der Ausstellung Elmgreen & Dragset - Die Zugezogenen" gewählt - und schon ist die Sache wieder ein Clou.

Die Skandinavier Michael Elmgreen und Ingar Dragset sind für spektakuläre Kunstprojekte weltweit berühmt. 2005 haben sie mitten in der texanischen Wüste eine "Prada-Boutique" errichtet - und den internationalen Durchbruch geschafft. Mit den Mitteln von Architektur und Design übt das Künstlerduo Kritik an der Rolle etablierter Institutionen im Kunstbetrieb. 2008 haben die beiden bei der Biennale in Venedig sowohl den dänischen als auch den nordischen Pavillon bespielt. In Deutschland steht seit 2008 ein Denkmal für die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen: Es ist ein 3,60 Meter hoher, 1,90 Meter breiter grauer Betonquader im Berliner Tiergarten. Wer durch die verglaste Öffnung späht, sieht einen Kurzfilm, der alle paar Jahre ausgetauscht wird. Seit dem 10. Januar läuft "Kuss ohne Ende" mit küssenden Männer- und Frauenpaaren unterschiedlichen Alters. Mit dem Entwurf hatten Elmgreen und Dragset 2003 den Wettbewerb der Bundesregierung gewonnen.

In der Krefelder Museumsvilla wird das Duo vom 19. Februar bis 27. August seine erste Einzelausstellung im Rheinland haben. Der Däne Elmgreen (55) und der Norweger Dragset (47) inszenieren das Museum als das, was einmal war: ein Wohnhaus. Statt der Fabrikantenfamilie Lange steht eine fiktive deutsche Rückkehrerfamilie im Mittelpunkt, die nach dem Brexit Großbritannien verlassen hat. Die Ausstellung simuliert die Umzugssituation mit noch nicht ganz ausgepackten Koffern und Kisten, halb fertiger Einrichtung. "Indem der Umzug der Familie als Symbol für ein sich veränderndes Europa präsentiert wird, reflektiert die Ausstellung die Vision modernistischer Architektur im Licht der heutigen Realität. Dabei wird sie auch der Frage nachgehen, wie weit sich diese Ideale von unserer gegenwärtigen globalen, geopolitischen Situation entfernt haben", heißt es in der Ausstellungsankündigung.

Das Spiel mit Möglichkeit und Unwahrscheinlichkeit braucht den Moment des Staunens, in dem sich in alle Zweifel der Hauch einer Wahrscheinlichkeit mengt. Deshalb ist es ein geschickter Dreh, real existierende Immobilienmakler einzubeziehen. "Wir unterstützen kulturelle Projekte generell gerne", sagt Makler Kersting. "Und weil wir an der Wilhelmshofallee einige Objekte im Portfolio haben, sind wir wohl auch gefragt worden, ob wir mitmachen." Bereut habe man das nicht, aber gespürt, wie aufgeschlossen Krefelder solchen Performances gegenüber sind.

(RP)
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