Krefeld Nach Fund von Babyleiche: Polizei hat ein Profil der Täterin

Krefeld · Im Falle der im Südpark gefundenen Babyleiche geht die Polizei von einem vorsätzlichen Tötungsdelikt – offenbar Tod durch Ersticken – aus. Profiler-Ergebnisse zeigen: Täterinnen kommen meist aus der Gegend des Fundorts.

Spurensicherung am Fundort der Babyleiche
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Spurensicherung am Fundort der Babyleiche

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Im Falle der im Südpark gefundenen Babyleiche geht die Polizei von einem vorsätzlichen Tötungsdelikt — offenbar Tod durch Ersticken — aus. Profiler-Ergebnisse zeigen: Täterinnen kommen meist aus der Gegend des Fundorts.

Die Polizei hat sich gestern mit einem dringenden Aufruf an alle Bürger im Großraum Krefeld gewandt: "Es wird um Hinweise zu auffälligen jungen Mädchen oder Frauen gebeten, die in der zurückliegenden Zeit schwanger waren, dies seit ca. 14 Tagen aber nicht mehr sind und bei denen nun kein Baby festzustellen ist.

Weiter sind für die Ermittler Beobachtungen von Bedeutung, die Anwohner oder Spaziergänger im Bereich der Fundstelle des Babys gemacht haben." Fünf bis zehn Anrufe waren schon bis gestern Nachmittag eingegangen — "es sind interessante Hinweise, aber noch nichts Konkretes", sagte Gerhard Hoppmann, Chef der Mordkommission.

Krefeld: Nach Fund von Babyleiche: Polizei hat ein Profil der Täterin
Foto: Maps4news.com/ HERE.com

Am Mittwoch gegen 11.37 Uhr war die Polizei durch eine 50-jährige Spaziergängerin über den Fund einer Babyleiche in einer Plastiktüte im Südpark informiert worden — dabei handelt es sich um ein 52 Zentimeter großes Mädchen, wie die Obduktion ergab. Gerhard Hoppmann präsentierte mit Staatsanwältin Anna Stelmaszcyk gestern im Präsidium am Nordwall die Ergebnisse der Obduktion (siehe Seite A 3), lieferte auch erste Einschätzungen, was die Mutter zur Tötung veranlasst haben könnte — im Mund des Säuglings wurde ein Pfropfen gefunden, ein Hinweis auf vorsätzliches Ersticken. Die Polizei geht davon aus, dass der "europäisch" aussehende Säugling "reif", voll ausgetragen und lebensfähig gewesen ist. In der Plastiktüte befand sich auch noch die Plazenta (Mutterkuchen).

 Wichtig ist, es ist keine Verdrängung der Schwangerschaft, sondern Verheimlichung gegenüber Dritten." Staatsanwältin Anna Stelmaszcyk und Hauptkommissar Gerhard Hoppmann.

Wichtig ist, es ist keine Verdrängung der Schwangerschaft, sondern Verheimlichung gegenüber Dritten." Staatsanwältin Anna Stelmaszcyk und Hauptkommissar Gerhard Hoppmann.

Foto: Thomas Lammertz

Die Täterin, so glaubt die Polizei, könne ihr Kind im Zeitraum von maximal 24 Stunden nach der Geburt getötet haben — Kriminologen sprechen dabei vom Phänomen des Neonatizids. Auslöser der Tat sei dabei weniger eine Persönlichkeitsstörung als vielmehr die Angst, dass das Umfeld von der Geburt des Kindes erfährt. Hoppmann hat in seinen 25 Dienstjahren acht solcher Fälle bearbeitet — alle seien aufgeklärt worden. Bereits bei einem Fall im Jahr 1995 kontaktierte er die kriminologische Forschungsstelle des Landeskriminalamtes. Dort hat man 195 solcher Neonatizid-Fälle untersucht und ein Täterinnenprofil erstellt.

Ergebnis: Meist sind es die Mütter, die töten. Drei Prozent der Täterinnen bringen ihr getötetes Baby mit dem Fahrrad zum Ablegeort, zehn Prozent mit dem Auto, der Rest zu Fuß. Deshalb vermutet Hoppmann, dass es sich im aktuellen Falle um eine Person aus Krefeld oder Willich handeln dürfte. Bundesweit gibt es jährlich 30 Fälle von Neonatizid — bei hoher Dunkelziffer. Hoppmann: "Üblicherweise ist das Gros der Frauen, die das begehen, zwischen 18 und 24 Jahre alt." Nicht selten seien es Mehrfachtäterinnen. "Wichtig ist, es ist keine Verdrängung der Schwangerschaft, sondern Verheimlichung gegenüber Dritten", erklärte Hoppmann. Möglich sei, dass die Mutter des getöteten Babys durch weite Kleidung im zurückliegenden Winter den dicken Bauch zu vertuschen versucht habe. Hoppmann sagte auch: "Es gibt niemanden, der eine Schwangerschaft komplett verheimlichen kann." Dritte müssten davon erfahren haben. Er vergaß auch nicht, auf die schwierige Situation der Mutter aufmerksam zu machen: "Dieser jungen Frau muss geholfen werden, auch für sie ist es eine schwierige Situation."

Die Obduktion hat ergeben, dass der Körper laut Polizei bereits verwest ist, also schon mehr als zwei Wochen dort gelegen haben könnte. Dies erschwere die weiteren Untersuchungen. Strafrechtlich kommen Totschlag oder Mord in Betracht, je nach Motivlage.

(RP)
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