Krefeld Nachbar Pinguin - Wohnen im Zoo

Krefeld · Der Blick aus dem Küchenfenster ist einmalig. Vom Esstisch aus kann man die Fütterung der Pinguine beobachten oder den Streit der Robben im benachbarten Seelöwen-Becken. Familie Dio braucht den Fernseher nicht anzuschalten, wenn sie Tierdokumentationen sehen möchte - sie guckt einfach aus dem Fenster.

 Die Eheleute Dio wohnen über der Zooschule; rechts im Bild: das Schmetterlingshaus.

Die Eheleute Dio wohnen über der Zooschule; rechts im Bild: das Schmetterlingshaus.

Foto: Lammertz Thomas

Es hat Vorteile, Wohn- und Arbeitsort zu kombinieren. "Ich habe Lebenszeit dazugewonnen. Das ist ein unschätzbarer Wert", sagt der Zooinspektor, der zuvor als Tierpfleger im Tierpark Hagenbeck gearbeitet hat und täglich rund 30 Kilometer zur Arbeit pendeln musste. Als gebürtiger Hamburger trauert er jedoch bis heute dem Segeln auf der Elbe und den leckeren Fischbrötchen am Hafen nach. "Aber der Rhein ist ja auch ganz nett", sagt Dio mit einem Augenzwinkern.

Auch für seine Frau Sabine war der Umzug in den Zoo eine Umstellung. "Die Geräuschkulisse ist am Anfang schon sehr ungewohnt. Damals lebte ja auch Chico, der Seelöwen-Bulle noch, der während der Brunftzeit sehr laut gebrüllt hat. Aber auch die Pinguine hören wir natürlich. Ihre Rufe erinnern ein bisschen an Esel", sagt Sabine Dio. Als Künstlerin weiß sie die Inspiration zu schätzen, die ihr der Zoo fast täglich bietet. So hat die gelernte Zahntechnikerin, die Figuren erschafft und zeichnet, schon zahlreiche Tiertatzen nachmodelliert und unter anderem in Bronze verewigt. Einige der Abdrücke und kleinen Skulpturen sind auch im Zoo zu sehen - ein Beispiel ist der Mini-Gorilla auf dem Spendentrichter.

Manche der tierischen Nachbarn sind den Dios besonders ans Herz gewachsen. So zum Beispiel die Orang-Utans, vor allem natürlich Lea, die bei Tierpflegern groß wurde und deshalb außergewöhnlich zutraulich ist. Als Pfleger im Affenhaus hatte Sven Dio täglich Kontakt zu seinen erklärten Lieblingen. "Die Arbeit dort hat mir sehr viel Spaß gemacht. Als Zooinspektor fehlt mir dieser direkte Kontakt zu den Tieren etwas. "

Kein Tier jedoch kann Maya toppen, das weit über Krefelds Grenzen hinaus bekannte Pflegekind der Dios. Ein Pflegekind mit langer Schnauze und scharfen Krallen, das in der Wohnung über der Zooschule seine ersten Lebensmonate verbrachte. Ameisenbärin Maya konnte nicht bei ihrer Mutter bleiben, da diese nicht genug Milch für die Kleine hatte. So zog sie Ende 2010 zu den Dios, die ja praktischerweise im Zoo wohnten. "Das ist natürlich ein klarer Vorteil des Wohnortes, dass man Zootiere in Not bei sich aufnehmen kann", sagt Sven Dio.

Vor allem Sabine Dio kümmerte sich um das hilflose Wesen, das sie mehr und mehr an ein Baby erinnerte. "Wenn Maya Bauchschmerzen hatte, habe ich ihr Fencheltee gekocht und ihren Bauch massiert, wie früher bei meinen Söhnen. Junge Ameisenbären zeigen sowieso ein sehr kindliches Verhalten, wollen ständig getragen und geschmust werden. Die Zeit mit Maya war für uns unglaublich schön", erzählt die Pflegemama und sagt stolz: "Inzwischen haben wir zwei Pflegeenkel - mindestens. Denn Maya ist im Zoo in Dänemark schon mehrmals Mutter geworden."

Nachteile hat das Leben im Zoo natürlich auch. So frühstücken fast alle Schulklassen auf dem Platz vor der Zooscheune, also direkt unter dem Küchenfenster von Familie Dio. "Es ist an manchen Tagen ein bisschen so, als würde man am Schulhof wohnen und es wäre fast immer Pause." An anderen Wochenenden hallen die Ansagen des Stadionsprechers von der Grotenburg herüber. Dann spielt der KFC und wird von seinen Fans lautstark angefeuert. "Daran gewöhnt man sich aber. Manche Tiere stört der Lärm mehr. Die Schimpansen beispielsweise können es gar nicht haben, wenn ein anderer als sie selber Geschrei macht. Silberrücken Kidogo hingegen guckt gerne Fußball", hat Sven Dio festgestellt.

Und auch auf den Besuch mancher "Nachbarn" würde das Ehepaar trotz seiner Tierliebe gerne verzichten. So kommen in regelmäßigen Abständen die winzigen Weißfußameisen aus dem Regenwaldhaus herüber und erkunden das menschliche Reich. "Sie sind erstaunlich intelligent und reagieren sofort, wenn man eine von ihnen tötet. Schwupps, sind alle wieder weg", erzählt Sabine Dio, die schon eine Kolonie der gut organisierten Tierchen in der Fernbedienung gefunden hat. "Wir haben daraufhin die komplette Fernbedienung ins Gefrierfach gelegt und anschließend die Tiere gezählt. Es waren 600 Ameisen in einer Fernbedienung", erinnert sich Sven Dio.

Gibt es einen Notfall im Zoo, ist der Zooinspektor schnell zur Stelle. "Das wird von den Kollegen aber netterweise nicht ausgenutzt. Im Notfall ist es aber schon sehr hilfreich und macht manchmal durchaus Spaß", sagt der gelernte Tierpfleger und denkt dabei an eine entlaufene Schlange, die die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei in Angst und Schrecken versetzte. Sven Dio sah mit Kennerblick, dass es sich um ein relativ harmloses Jungtier handelte, und schnappte sich den Ausreißer mit bloßer Hand.

Trotz all dieser Erlebnisse sind die Söhne der Dios nicht mit dem Zoo-Virus infiziert, auch wenn sie während der Öffnungszeiten mit ihren Freunden durch den Park streifen und auf den Spielplätzen herumtoben durften. Aber: "Für die beiden war das natürlich normal. Man weiß manchmal nicht so zu schätzen, was man täglich um sich hat. Inzwischen ist der Große auch schon ausgezogen, und es wohnt nur noch der 14-Jährige bei uns im Zoo", sagt Sven Dio.

Irgendwann möchte der Zooinspektor wieder zurück in seine geliebtes Hamburg. Vorerst jedoch ist die Heimat der Dios der Krefelder Zoo - mit seinen unzähligen tierischen Nachbarn.

(RP)
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