Krefeld Neue Ideen fürs Seidenweberhaus

Krefeld · Bei einer bestens besuchten Podiumsdiskussion stellten die Architekten Amandus Sattler und Carolin Krebber ihre Ideen für den Erhalt des Seidenweberhauses vor. Beide erhielten mehrfach starken Applaus.

 Das Foyer der VHS war bis auf den letzten Platz besetzt; einige Zuschauer mussten sogar stehen. Moderiert wurde die Veranstaltung von den Leitern der Redaktionen von RP und WZ, Jens Voß und Michael Paßon.

Das Foyer der VHS war bis auf den letzten Platz besetzt; einige Zuschauer mussten sogar stehen. Moderiert wurde die Veranstaltung von den Leitern der Redaktionen von RP und WZ, Jens Voß und Michael Paßon.

Foto: Andreas Bischof

Der Ton war neu. Ein so fundiertes und zugleich leidenschaftliches Plädoyer für den Erhalt des Seidenweberhauses hat man in Krefeld zuvor noch nicht gehört. Rund 150 Zuschauer folgten gefesselt den Vorträgen der beiden Architekten Amandus Sattler (München) und Carolin Krebber, als sie ebenso grundsätzlich wie konkret ihre Vorstellungen über die Zukunft des Theaterplatzes skizzierten. Beide wurden mehrfach von Applaus unterbrochen - zum Beispiel, als Amandus Sattler davor warnte, private Investoren bei öffentlichen Projekten zum Zuge kommen zu lassen: "Die Stadt", sagte er, "liefert sich den kommerziellen Interessen eines Investors aus."

Der methodische Ansatz dieses Abends im dicht mit Menschen besetzten Foyer der VHS war so grundsätzlich ausformuliert wie noch nie zuvor: Amandus Sattler, Mitbegründer eines renommierten Münchener Architekturbüros, das etwa die Kölner Domplatte mitgestaltet hat, sprach sich gegen eine Abriss-Mentalität aus, der aus seiner Sicht viel zu oft identitätsstiftende Gebäude zum Opfer fallen. Man müsse, sagte er schon aus Nachhaltigkeitsgründen dazu kommen, "Gebäude herzustellen, die nicht nach 30, 40 Jahren wieder entsorgt werden" - auch so ein Satz, für den er viel Applaus bekam. "Alte Bauwerke sind graue Energie. Wenn wir ein Vorhaben energetisch beleuchten, müssen wir den Altbau, die Entsorgung und Herstellung der Materialien mit einbeziehen. Oft ist weniger mehr", erläuterte er auch. Jede Stadt, sagte er weiter, habe ihr Seidenweberhaus, ein ungeliebtes Kind, dessen Nutzung nicht klar oder das renovierungsbedürftig sei. Städte sollten aber stark darauf achten, gerade ihr Herzstück, die Innenstädte, nicht zu stark an Investoren zu veräußern, da diese keine städteplanerischen Interessen verfolgten, sondern dem Kapitalertrag nachstrebten.

 Die St. Anton-Straße soll als Durchfahrtstraße geschlossen werden.

Die St. Anton-Straße soll als Durchfahrtstraße geschlossen werden.

Foto: Tl:l.

So plädierte er leidenschaftlich dafür, erst einmal strategische städtebauliche Konzepte zu entwickeln und Klarheit zu gewinnen, was man für eine Stadt, für ein Quartier, für ein Areal erreichen möchte, bevor man Hand an ein Gebäude an sich legt.

Für das Seidenweberhaus zeigte er sich überzeugt, dass das Gebäude "ein lebendiger Marktplatz für Kultur und Stadt werden kann". Sattler erhielt für seinen Vortrag langanhaltenden Applaus.

 So sieht der neue Eingangsbereich im Konzept von Carolin Krebber aus.

So sieht der neue Eingangsbereich im Konzept von Carolin Krebber aus.

Foto: Carolin Krebber

Auch die aus Krefeld stammende junge Architektin Carolin Krebber, die im Sattler-Büro beschäftigt ist, begann mit sehr grundsätzlichen Erwägungen: Architektur, sagte sie, trage "soziale Verantwortung für den Stadtraum" - auch sie plädierte wie Sattler dafür, erst einmal eine Stadt zu betrachten, bevor man über die Materialität eines Gebäudes spricht. Dem Seidenweberhaus bescheinigte sie "enorme" bauliche Qualitäten; insbesondere die Terrassierung sei ein Element, das in vielen anderen bedeutenden Bauten der Gegenwart genutzt werde. Krebber erinnerte daran, dass das Seidenweberhaus schon im Namen Krefelder Traditionen aufgreife; das Gebäude "repräsentiert unsere Kultur und was wir sind". Ihr Ziel sei es, die Kunstaffinität Krefelds, die in der Seidenweber- und der Kunsthochschultradition stecke, wieder in das Bewusstsein der Menschen zu rücken.

 Der Haupteingang des Seidenweberhauses soll von der Seite zum Theater hin auf die Seite zur St.Anton-Straße hin verlegt werden. Zugleich sollen alle Durchgänge, Überhänge und Treppenaufgänge durch transparente Elemente verschlossen werden. Und: Das Gebäude soll farblich aufgewertet werden.

Der Haupteingang des Seidenweberhauses soll von der Seite zum Theater hin auf die Seite zur St.Anton-Straße hin verlegt werden. Zugleich sollen alle Durchgänge, Überhänge und Treppenaufgänge durch transparente Elemente verschlossen werden. Und: Das Gebäude soll farblich aufgewertet werden.

Foto: Carolin Krebber

Bekanntlich schlägt sie vor, das Seidenweberhaus zu einem Stützpunkt der Hochschule umzubauen und mit einem Gebäude zu flankieren, das Raum für eine Markthalle, Werkräume für Studenten, kreative Unternehmen, Fitnessräume und Studentenwohnungen bieten soll.

Im Detail schlug sie Lösungen vor, die auch dann hochspannend bleiben, wenn die Entscheidung fällt, das Seidenweberhaus als Veranstaltungshalle beizubehalten und umzubauen.

Krebber sieht als Hauptgrund für die mangelnde Belebung des Theaterplatzes die breit ausgebaute St.Anton-Straße - sie zerschneide den von Vagedes geschaffenen historischen Grundriss der vier Wälle. Daher ihr Vorschlag, die St. Anton-Straße für den Durchfahrtautoverkehr zu sperren und die Autos auf den Nordwall umzuleiten. Die Straßenbahn, so erläuterte sie später auf Nachfrage aus dem Publikum, könne dort weiter fahren - es gibt ihr zufolge viele Beispiele, bei denen eine Bahnlinie durch eine Fußgängerzone führe.

Die Zufahrt zur Tiefgarage soll auf die Färberstraße verlegt werden. Das Seidenweberhaus, das heute dicht am Straßenraum steht, stehe so viel freier. "Die Stadt", sagte sie dazu, "sollte in den 70ern, als das Seidenweberhaus gebaut wurde, für den Autoverkehr erschlossen werden. Davon gehen wir heute weg und wollen sie den Menschen zurückgeben." Die Betonwandanmutung soll entscheidend aufgelockert werden - durch viele Glaselemente und eine neue Farbigkeit, die vor allem die heute schon in vielen Linien vorhandene Farbe rot aufgreift. Der Haupteingang des Seidenweberhauses soll in den Eckbereich Königstraße/ St.-Anton-Straße verlegt werden; all die Überhänge, Durchgänge und offenen Zugänge, die sich heute ekelhaft verdreckt und stinkend präsentieren, sollen bis auf den Boden mit transparenten Bauelementen abgeschirmt werden. Für den Ostwall regte sie an, die Bahnlinien, die in Höhe des Theaterplatzes in der Mitte vereint liegen, wie auf dem restliche Ostwall rechts und links an den Autofahrbahnen zu platzieren und so wieder einen grünen, begehbaren Mittelstreifen zu gewinnen.

Mehrfach regte sich unter den Zuhörern beipflichtendes Gemurmel oder Applaus. Skepsis entzündet sich an Fragen, ob es überhaupt Bedarf der Hochschule gebe oder an der Finanzierung - hier sprachen die Architekten von einem Prozess, der in Gang gesetzt werden müsse.

Skepsis kam auch aus der Politik. Die Grünen-Ratsfrau Heidi Matthias betonte, dass der Rat schnell eine Entscheidung treffen müsse und die Zeit für das Seidenweberhaus ablaufe - die Empfehlung von Architekt Sattler lautete, dass die Stadt nun Nerven behalten müsse und nicht überstürzt entscheiden solle.

Grundsätzlich wurden die Vorträge als hochinteressante neue Richtung in den Diskussionen aufgefasst; gewürdigt wurde insbesondere, dass es sich um einen ganzheitlichen Ansatz handele. Dies war in vielen Wortmeldungen in der Diskussionsrunde, aber auch in Gesprächen nach der Veranstaltung herauszuhören.

(RP)
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