Krefeld Neues Wir-Gefühl prägt Debatte um historischen Haushaltskompromiss

Krefeld · Frappierend an der Ratssitzung gestern Abend war der neue Stil: Dank, Betonung von Gemeinsamkeit, Bekenntnis zu Krefeld. Neu war auch, dass der Saal im Seidenweberhaus von Ordnungskräften gesichert und mit einem schwarzen Band zweigeteilt war. SPD, CDU, Grüne und Piraten haben den Haushalt mitgetragen.

 Neu: Ein schwarzes Band trennte die Zone im Saal im Seidenweberhaus, wo der Rat saß, vom Zuschauerraum.

Neu: Ein schwarzes Band trennte die Zone im Saal im Seidenweberhaus, wo der Rat saß, vom Zuschauerraum.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Noch nie gab es in der Geschichte der Stadt Krefeld einen Haushalt, der von einer so großen Mehrheit verabschiedet wurde: SPD, CDU, Grüne und Piraten haben gestern Abend das Haushaltssicherungskonzept für die Jahre 2015 bis 2020 verabschiedet, mit dem Krefeld aus der schwersten Haushaltskrise der Stadt geführt werden soll. Bemerkenswert war der neue Stil: Wo früher erbitterte Gefechte über die Frage ausgetragen wurden, ob Krefeld nun am Abgrund, vor sozialem Kahlschlag, innerer Zerrüttung oder äußerem Verfall steht, herrschten gestern positive Botschaften vor.

"Heute ist ein guter Tag für unsere Stadt und für die Menschen, die hier leben": Mit diesen Worten leitete SPD-Fraktionschef Ulrich Hahnen seine Rede zum Haushalt ein und lobte das neue Miteinander. Dem zu erwartenden Vorwurf, die großen Drei im Rat hätten die Kleinen ausgeschlossen, trat er prophylaktisch entgegen: Die Frage sei gewesen, wer den Willen gehabt habe, einen Haushalt zu verabschieden. "Wer damals rumgeeiert hat, den können Sie heute erkennen." Scharf griff er die Linke an: "Immer nur sagen, was nicht geht, aber nie sagen wie es realistisch geht, das kommt nicht gut an." Der Haushalt sei der "sozialste und fairste, der aufgestellt werden konnte".

CDU-Fraktionschef Philibert Reuters dankte nicht nur den neuen politischen Partnern, sondern auch seiner Fraktion und machte die Not bei der Kompromissfindung deutlich - seine Fraktion musste vor allem beim Thema Steuererhöhungen über ihren Schatten springen: "Einigen ist es besonders schwer gefallen, diesen Weg mitzugehen", sagte er. Er bekräftigte aber die Unumgänglichkeit der Steuererhöhungen: Als sich im März ein neues Loch über 15 Millionen Euro aufgetan habe, "ging auch für die CDU-Fraktion kein Weg mehr an einer Erhöhung der Gewerbesteuer sowie der Grundsteuer B vorbei". Er betonte, die Probleme seien nicht hausgemacht: "Die prekäre Lage ist in erster Linie auf äußere Einflüsse zurückzuführen"; so hätten sich die Sozialausgaben seit Mitte der 90er Jahre verdoppelt. Reuters warb um Zustimmung zu Krefeld: "Wir neigen dazu, immer nur auf die zwölf Prozent zu schauen, die nicht in Ordnung sind. Man kann diese Stadt auch lieben."

 Wohl wissend, dass es nicht mehr erlaubt ist, wollte die "Linksjugend" mit Plakate in den Saal - vergeblich.

Wohl wissend, dass es nicht mehr erlaubt ist, wollte die "Linksjugend" mit Plakate in den Saal - vergeblich.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Grünen-Fraktionschefin Heidi Matthias verteidigte die Steuererhöhungen gegen das zentrale Argument der IHK, nun drohten Abwanderungen von Firmen: Es sei nicht plausibel, dass Unternehmen, die die erste Gewerbesteuererhöhung nach 23 Jahren hinnehmen müssten, abwandern sollen. Den Haushaltsablehnern von FDP, Linke und UWG warf sie vor: Dass von ihnen keiner zur Haushaltsmehrheit gehöre, liege allein an deren "fundamentalistischen Grundhaltung".

FDP-Fraktionschef Joachim Heitmann bekräftigte seine Überzeugung, dass Steuererhöhungen zu höherer Arbeitslosigkeit durch Abwanderung oder Nicht-Ansiedlung von Firmen führe. Er forderte erneut, die Pensionierungswelle in den nächsten Jahren im Rathaus zur Streichung von Aufgaben und Stellen in der Verwaltung zu nutzen. Der Haushaltskoalition warf er Inkonsequenz vor: "Wirtschaftsförderung aus einer Hand zu fordern und heute die größte Steuererhöhung in Krefeld seit Jahrzehnten zu beschließen, deutet auf ein gespaltenes Bewusstsein hin, um es höflich zu formulieren."

Linke-Sprecher Basri Cakir überraschte den Rat mit einer gigantischen Komplotttheroie: Die Kommunen würden absichtlich in die Verschuldung getrieben, damit sie Demokratieabbau betrieben. Als er anfing, von dramatischen Streichungen bei Vereinen zu reden, provozierte er aus dem Publikum den Ruf "Der lügt" und "Stimmt nicht"-Zwischenrufe aus dem Rat.

Neu war nicht nur der Stil, neu war auch ein Mehr an Sicherheitsmaßnahmen. Aktivisten der "Linksjugend" versuchten, das neue Plakatverbot zu unterlaufen und mit Plakaten in den Saal zu gelangen, wurden aber abgewiesen. Der Saal selbst war geteilt: Ein schwarzes Band teilte die Zone des Rates ab - sichtbarer Ausdruck, dass Ratsmitglieder nicht bedrängt werden dürfen. Diese Ordnung ist die Konsequenz aus den Turbulenzen der letzten Sitzung: Sie musste wegen Turbulenzen um die Abschiebung von Adnan abgebrochen werden.

(RP)
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