Krefeld Olympia-Gäste fahren in Zügen aus Uerdingen

Krefeld · 45 der bestellten 54 Züge des Typs Desiro Russ sind ab nächster Woche bei der Winterolympiade in Sotschi in Russland im Einsatz. Entgegen erster Pläne sind alle Regionalzüge für 580 Millionen Euro in Uerdingen gebaut worden.

 In Russland bei der Winter-Olympiade in Sotschi sind insgesamt 54 Regionalzüge des Typs Desiro Russ unterwegs, die dort Lastotschka (Die kleine Schwalbe) genannt werden. 38 davon sind im Siemenswerk in Uerdingen gebaut und über den Wasserweg nach St. Petersburg transportiert worden.

In Russland bei der Winter-Olympiade in Sotschi sind insgesamt 54 Regionalzüge des Typs Desiro Russ unterwegs, die dort Lastotschka (Die kleine Schwalbe) genannt werden. 38 davon sind im Siemenswerk in Uerdingen gebaut und über den Wasserweg nach St. Petersburg transportiert worden.

Foto: Siemens AG

Wenn am Freitag, 7. Februar, die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi beginnen, dann werden die Einheimischen und die Gäste schnell und sicher in Zügen aus Uerdingen zu den Sportstätten in den Bergen fahren. Bisher hat Siemens 45 der 54 bestellten Regionalzüge des Typs Desiro Russ geliefert, die alle in Uerdingen gebaut worden sind. Der 580 Millionen Euro teure Auftrag ging 2009 in der Unternehmenszentrale ein. Vier Jahre später startete der erste, in Russland Lastotschka (Die kleine Schwalbe) genannte Zug am Bahnhof Moskau zu seiner Jungfernfahrt mit Passagieren. "Ich bin sicher, dass Lastotschka auch während des Einsatzes in Sotschi allen Herausforderungen gewachsen sein wird", sagte Jochen Eickholt, Chef der Siemens Division Rail-Systems, in der russischen Hauptstadt.

Reise über 2700 Kilometer

Der erste der 54 Regionalzüge ist Monate zuvor im Fährhafen Sassnitz auf der Insel Rügen nach Russland verschifft worden. Die Eisenbahnfähre "Petersburg" brachte den fünfteiligen Zug über die Ostsee in den russischen Seehafen Ust Luga. Von Ust Luga aus rollte er über den Schienenweg nach Sankt Petersburg in ein Depot der Russischen Eisenbahnen (RZD). Der gesamte Transportweg vom Siemens-Werk in Krefeld bis nach Sankt Petersburg ist rund 2700 Kilometer lang und dauerte etwa vier Wochen. 44 weitere sollten bis heute auf demselben Weg noch folgen.

Eine der "kleinen Schwalben" machte sogar den umgekehrten Weg wieder zurück nach Krefeld. Der Desiro Russ war in einen Unfall verwickelt und musste in Krefeld repariert werden. Dann machte sich der 270-Tonnen-Koloss erneut auf die Reise: zuerst als Einzelwagen — auf fünf Schwertransporter verteilt — in drei aufeinander folgenden Nächten vom Siemens-Werk bis in den Krefelder Rheinhafen. Dort hievten Krane die Wagen auf ein Binnenschiff. Weiter ging es über Rhein und Amsterdam-Rhein-Kanal nach Amsterdam, wo die Fracht auf ein Küstenmotorschiff umgeladen wurde. Dieses Schiff brachte den Desiro RUS über die Nord- und Ostsee in den Fährhafen Sassnitz auf der Insel Rügen, denn Sassnitz ist der größte deutsche Eisenbahnfährhafen und der einzige in Europa, wo Schienen mit der russischen Spurweite von 1520 Millimetern verlegt sind. Dort wurden die Wagen erstmals auf ihre "angestammten" Gleise gestellt und zum Zugverband gekuppelt.

Transport über Straße oder Schiene war nicht möglich

Eine Lokomotive schob den Zug in den Frachtraum der Eisenbahnfähre "Sankt Petersburg" mit der russischen Breitspur. Knapp eine Woche später erwarten die Russischen Eisenbahnen (RZD) den Desiro RUS im Depot bei Sankt Petersburg. Dort hält Siemens auch die acht Hochgeschwindigkeitszüge ("Wanderfalken") instand, die dem Bahnunternehmen in den Jahren 2008 bis 2009 ebenfalls über Sassnitz mit der Fähre ausgeliefert wurden. Vom Depot aus war auch der erste neue Regionalzug zu seinen Test- und Zulassungsfahrten gestartet. Ein Transport über die Straße oder die Schiene bis nach Russland wäre aufgrund der Ausmaße des Zuges und seiner russischen Spurweite nicht möglich gewesen.

Die einzelnen Wagen sind bis zu 60 Tonnen schwer, 26 Meter lang, dreieinhalb Meter breit und fast fünf Meter hoch — und damit je einen halben Meter breiter und höher als beispielsweise der Schwesterzug des Desiro RUS, der in Deutschland unterwegs ist. Auf dem Weg zum Krefelder Rheinhafen mussten die Schwertransporter jedes Mal eine Straßenbahnoberleitung unterqueren, die dafür — nach Betriebsende gegen Mitternacht — vom Stromnetz getrennt und angehoben wurde. Die Verschiffung des ersten Desiro RUS war ein wichtiger Schritt für Siemens.

Erweiterter Auftragswert: zwei Milliarden Euro

Im russischen Jekaterinburg hat Siemens rund 200 Millionen Euro in den Aufbau einer Fabrik investiert. Das hat die Position des deutschen Unternehmens als erfolgreichster nicht-russischer Anbieter von Bahntechnik im Land gestärkt. Neben der Produktion dort hat Siemens für eine Dauer von 40 Jahren auch die Instandhaltung der Fahrzeuge für die Russischen Eisenbahnen (RZD) übernommen.

Darüber hinaus hat das Geschäft mit Russland eine ganz andere Dimension erreicht: RZD hat weitere Regionalzüge vom Typ Desiro RUS bei Train Technologies — einem Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und dem russischen Bahntechnikhersteller Sinara — bestellt. Der Auftrag umfasst die Lieferung von 1200 Wagen und hat einen Wert von rund zwei Milliarden Euro. Die Fertigung im Werk von Ural Locomotives nahe Jekaterinburg ist im vergangenen Jahr begonnen worden.

Hans-Jörg Grundmann (seinerzeit Siemens-Division Mobility) sagte: "Die Züge sollen von 2015 bis 2020 ausgeliefert werden und vor allem in den schnell wachsenden Ballungsgebieten Russlands zum Einsatz kommen. Der Auftrag verdeutlicht, dass städtische Ballungsgebiete ein großer Wachstumsmarkt sind. Studien prognostizieren, dass bis 2035 weltweit rund fünf Billionen Euro in städtische Verkehrssysteme investiert werden." Mit der Bestellung von inzwischen fast 300 Desiro-Zügen schaffte Russland die Basis für modernen, umweltfreundlichen Nahverkehr — während der Olympiade in Sotschi sollte es auch das zahlreiche internationale Publikum bemerken.

(RP)
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