Krefeld Operettenmelodien als feines Kammerspiel

Krefeld · Es gibt keinen Palast, nicht mal einen Salon und schon gar keine Prinzessin. Statt schmucker Trachten und Uniformen fährt Bühnen- und Kostümbildnerin Rina Cervinscaia 60er-Jahre-Softeis-Farben und Drag-Queen-Glamour auf einer kleinen Drehbühne auf. Alle Erwartungen an Operettenwelt gehen baden, sobald die Scheinwerfer in der Fabrik Heeder aufleuchten. "Operettenrevue" trifft nicht ganz, was der Tenor Carsten Süss für die Studiobühne geschrieben und inszeniert hat. "Wär' nur die Sehnsucht nicht so groß" ist ein feines Kammerspiel mit Musik.

 Kleine Leute mit großer Sehnsucht: (v.l.) Debra Hays, Manon Blanc-Delsalle, James Park und Janet Bartolova

Kleine Leute mit großer Sehnsucht: (v.l.) Debra Hays, Manon Blanc-Delsalle, James Park und Janet Bartolova

Foto: Matthias Stutte

Während Abba- und Lindenberg-Musicals eine dünne Story um große Hits stricken, hat sich Süss für seine Hommage an ein anachronistisches Genre auf ein ewiges Gefühl gestützt, das sich durch den zweistündigen Abend zieht: die Sehnsucht. Und dazu hat er nicht die großen Ohrwürmer der Träller-Klassik aneinandergereiht, sondern selten gespielte Operetten jüdischer Komponisten ausgewählt, die während der Nazizeit als "entartet" galten, verfolgt wurden und bestenfalls emigrierten: Paul Abraham, Emmerich Kálmán, Oscar Straus.

Sechs Schicksale treffen in zwei New Yorker Apartments der 1960er zusammen. Die Witwe Seligmann (Debra Hays) und ihr Sohn (Matthias Wippich), denen nur einige Operettenschallplatten geblieben sind aus dem kleinen Laden, den der verstorbene Familienvater - ein aus Wien emigrierter Jude - aufgebaut hatte: Mutter sehnt sich nach der alten Zeit, der Sohn in gewagten Kostümen nach einem eigenen Leben. Nebenan lässt sich die charmante Lebedame Ethel (Janet Bartolova mit gepflegtem Sopran) von einem Collegeboy (James Park mit formschönem Tenor) nicht nur die Füße küssen - in der Hoffnung, ein bisschen Wärme zu finden. Die große Liebe suchen auch Rachel (Amelie Müller) und Amber (Manon Blanc-Delsalle) in gewinnendem Sopran. In wechselnden Besetzungen singen sie sich durch "Katja, die Tänzerin", "Das Veilchen vom Montmartre" und die "Dollarprinzessin" dem - nicht ungetrübten - Happy End entgegen. Wippich glänzt mit "Ungarnland" aus "Victoria und ihr Husar" von Paul Abraham nicht nur stimmlich: In Zarah-Leander-Montur überzeugt er auch komödiantisch. Die jungen Künstler des Opernstudios haben reichlich Gelegenheit, mit ihren Stimmfarben zu strahlen. Wie Debra Hays das süßliche "Du, mein Schönbrunn" in Melancholie hüllt,ist der wundervollste Momenten des Abends - auch für Nicht-Operetten-Fans.

Michael Preiser hat die Melodien für sechs Musiker geschickt arrangiert: Die fünf Niederrheinischen Sinfoniker, von Preiser am Klavier geführt, ersetzen ein ganzes Orchester. Ein Abend, der unterhalten will - und es auf angenehme Weise tut.

Nächste Vorstellungen: 3., 5., 14. Juni, in der Fabrik Heeder Kartentelefon: 02151 805125

(ped)
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