Orang-Utan-Jungtier "Hujan" 3600 Gramm zum Verlieben

Krefeld · Das Orang-Utan-Jungtier "Hujan" aus dem Krefelder Zoo wurde von seiner Mutter verstoßen - und wächst nun bei seiner Pflegerin Eva Ravagni auf. Ihr Leben steht seitdem Kopf, aber der Affe entwickelt sich prächtig.

Seine rostroten Haare sind zerzaust, seine Augen noch klein. Verschlafen kuschelt sich "Hujan" an die Schulter seiner Tierpflegerin Eva Ravagni. Erst vor zehn Minuten ist der zweieinhalb Monate alte Orang-Utan aufgewacht - und bekommt direkt eine frische Windel verpasst. "Er hasst nichts mehr als einen nassen Hintern", erklärt Ravagni. Etwa zwanzig Mal am Tag muss die 33-Jährige ihren Zögling säubern. Doch nicht nur das. Zusätzlich füttert sie ihn, spielt mit ihm, schläft an seiner Seite.

Denn Hujan, was Malayisch ist und "Regen" bedeutet, lebt bei Eva Ravagni. Kurz nach seiner Geburt im Krefelder Zoo Anfang Juni wurde seine Mutter Sungai krank, konnte ihn nicht mehr ernähren. Stark dehydriert holten ihn die Pfleger aus dem Gehege und päppelten ihn wieder auf. Auch die Mutter erholte sich schnell von ihrer Infektion - zeigte aber kein Interesse mehr an ihrem Sohn.

"Mein Leben steht auf dem Kopf"

Spontan fiel die Entscheidung, Hujan in die Obhut von Eva Ravagni zu geben. Seit 2005 arbeitet sie als Tierpflegerin im Krefelder Zoo. "Mein Leben steht auf dem Kopf. Innerhalb von drei Tagen musste ich mich entscheiden, ob ich die Mutterrolle übernehme." Seitdem ist alles auf das Orang-Utan-Baby ausgerichtet. Ravagnis Mutter geht für sie einkaufen, ihre Arbeitskollegen übernehmen ihre Aufgaben im Tropenhaus im Krefelder Zoo, zur Arbeit und nach Hause wird sie gefahren, Freunde kann sie auch keine mehr empfangen. Hujan braucht Ravagnis volle Aufmerksamkeit. "Früher hatte ich einen bombensicheren Schlaf, mich konnte so schnell nichts wecken. Heute braucht Hujan nur ein wenig zu quieken, und ich sitze hellwach im Bett", erzählt die 33-Jährige.

Währenddessen wird das Jungtier auf ihrem Schoß immer aktiver. Mit großen Augen blickt es sich um, spitzt die Lippen, versucht aufmüpfig nach allem, was in direkter Reichweite ist, zu greifen. Seit knapp zwei Monaten ist das Affenbaby in Ravagnis Obhut und entwickelt sich prächtig. Alle vier bis fünf Stunden wird es gefüttert, bekommt leichten Kamillentee und handelsübliche Babymilch. Mit 3600 Gramm wiegt er inzwischen zwei Kilogramm mehr als bei seinem Einzug im Hause Ravagni, fängt auch langsam an zu krabbeln. Man sei mit den Entwicklungsschritten hochzufrieden. Doch wie bei allen Säuglingen ist an Schlaf derzeit nur selten zu denken. "Er zahnt momentan, das ist schon seit etwa drei Wochen ein Kampf."

Von den nächtlichen Strapazen kann sich das Jungtier tagsüber in einem Krabbelstall erholen, der in der Futterküche des Tropenhauses aufgestellt ist. "Darin wurde bereits seine Oma Lea groß, auch sie war eine Handaufzucht", erläutert Ravagni. Daher holt sie sich auch viele Tipps und Kniffe von ihrem Kollegen Klaus Reymer, der sich in den 90er-Jahren um Lea kümmerte. Sie ist heute dreifache Mutter und lebt immer noch im Krefelder Zoo, Hujan ist ihr erstes Enkelkind.

Trennung wird schwer

Um den Affen aber nicht zu sehr zu vermenschlichen, stehen für ihn tägliche Besuche am Gehege seiner Familie auf dem Programm. "Seine Mutter interessiert sich immer noch nicht für ihn, aber seine Oma sehr", sagt Ravagni. Leas Interesse an ihrem Enkel stimmt die Zooverantwortlichen auch optimistisch, Hujan zu gegebener Zeit wieder in die Obhut seiner richtigen Familie zu geben. "Vorher muss er aber erst selbstständig klettern können und auf seinen Namen hören. Denn selbst wenn wir ihn zu den anderen Orang-Utans geben, muss er immer noch von uns gefüttert werden."

Bis dahin werden aber noch Monate vergehen, in denen Ravagni Hujans Hauptbezugsperson bleiben wird. Und ihn weiterhin füttern, wickeln und bespaßen muss. Spannend wird es auch, wenn er in wenigen Wochen Obst und Gemüse kennenlernen wird. Da junge Affen sich bei ihren Müttern abschauen, was sie essen dürfen, muss Eva Ravagni ihm ein gutes Vorbild sein.

Auch wenn ihr die Trennung schwer fallen wird, Ravagni freut sich auf den Tag, an dem sie Hujan wieder abgeben muss. "Es ist für jeden Tierpfleger das Schönste, wenn man seine Zöglinge wieder mit ihren Familien vereinigen kann."

(p-m / see)
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