Krefeld Panne: Hat die Stadt es versäumt, 15 Millionen Euro einzunehmen?

Krefeld · Die Krankenkassen haben einer Anhebung der Gebühren für die Notfallrettung in Krefeld um bis zu 375 Prozent zugestimmt. Das stimmt den einen oder anderen skeptisch. Warum stimmen die kostenbewussten Kassen einer solch drastischen Erhöhung zu? Ein Erklärungsversuch: Die Kassen sind in den zurückliegenden 15 Jahren deutlich zu gut weggekommen. Tatsächlich sind die Gebühren seit dem Jahr 2001 nicht angepasst worden. Hat die Stadt in der besagten Zeitspanne auf Einnahmen in Höhe von 15 Millionen Euro verzichtet?

 15 Jahre lang sind die Gebühren für die Notfallrettung in Krefeld nicht angepasst worden.

15 Jahre lang sind die Gebühren für die Notfallrettung in Krefeld nicht angepasst worden.

Foto: Thomas Lammertz

In Krefeld haben sich einige Verantwortliche der Verwaltung offenbar jahrelang im Tiefschlaf befunden. So urteilt Diplom-Volkswirt Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler. Der Experte für Kommunalhaushalte ist verwundert darüber, dass in Krefeld 15 Jahre lang keine Anpassung der Gebühren für die Notfallrettung erfolgt ist. Anders als bei Müll- oder Abwassergebühren ist zwar eine jährliche Ausweisung nicht erforderlich, doch eine im Fünf- bis Sechs-Jahres-Rhythmus sinnvoll.

Hochrechnungen, auf wie viel Geld die Stadt auf der Einnahmenseite zugunsten der Krankenkassen verzichtet hat, sind schwierig. Zu viele Variablen spielen eine Rolle. Unter Umständen ist die Summe jedoch beträchtlich - bis zu 15 Millionen Euro. Einnahmen, die die Stadt vor allem in Zeiten des Nothaushalts gut hätte gebrauchen können. Die Modellrechnung unterstellt einen linearen Anstieg der Personal- und Sachkosten seit 2001 bei gleichen Fallzahlen. Der Unterschied bei den Einnahmen alte und neue Gebühr beträgt zwischen 2001 und 2015 rund zwei Millionen Euro - im Durchschnitt also eine Million Euro. Für 15 Jahre wären das in der Summe 15 Millionen Euro.

Öffentlich hat bislang niemand aus der Politik diese Problematik angesprochen. Hinter den Kulissen war sie allerdings schon Thema und auf den ersten Blick plausibel. In einem Papier, das unserer Redaktion vorliegt, zeichnet die Verwaltung ein anderes Bild. Demnach habe es viele Jahre lang zum jeweiligen Stichtag 31. Dezember in der Notfallrettung keine roten Zahlen gegeben, weil die Fallzahlen und damit die Einnahmen stetig gestiegen seien. Die neue Gebührensatzung legt 35.000 Einsatzfahrten im Jahr zugrunde. Im Jahr 2006 waren es nur 22.554. Für die Jahre 2001 bis 2005 sind im verwaltungsinternen Papier keine Angaben gemacht. Die Fallzahlen sind ab 2006 von 22.554 auf 37.223 in 2015 gestiegen.

Dieser Anstieg um 65 Prozent hatte zwangsläufig höhere Einnahmen zur Folge. Allerdings darf unterstellt werden, dass die zusätzliche Arbeit nicht mit dem gleichen Bestand an Personal und Fahrzeugen hat bewältigt werden können.

Dafür spricht auch, dass der Europäische Gerichtshof im Oktober 2004 entschieden hat, dass Feuerwehrleute und Rettungssanitäter eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschreiten dürfen. Bereitschaftsdienst sei Arbeitszeit. Das Urteil führte dazu, dass die Kommunen Millionenbeträge an ihre Beschäftigten nachzahlen mussten. Das war auch in Krefeld so.

Wenige Jahre später - 2010 - entzog die Stadt Krefeld der City-Ambulanz die Betriebserlaubnis. Das führte dazu, dass die Fahrten zusätzlich wenigsten zum Teil vom Rettungsdienst der Stadt Krefeld übernommen werden mussten.

Laut Verwaltung sind die Kosten aber erst in der Zeit von 2013 bis 2015 gestiegen - und zwar von neun auf elf Millionen Euro. Im gleichen Zeitraum seien die Einnahmen aber nur um 500.000 Euro gestiegen. Erst dann wurde eine Notwendigkeit erkannt, den Rettungsdienstbedarfsplan fortzuschreiben und die Gebühren anzupassen. Nunmehr werden Kosten von mehr als 13 Millionen Euro im Jahr zugrunde gelegt, von denen 12,3 Millionen Euro von den Krankenkassen erstattungsfähig sind. Das führte zur Gebühren- steigerung für Krankentransportfahrten von 42,10 Euro auf 200,15 Euro. Der Notarzteinsatz kostet nun statt 222,30 Euro mehr als das Doppelte: nämlich 464,43 Euro.

Klar ist allerdings schon jetzt, dass diese Beträge nicht ausreichen werden. Im Jahr 2014 im Notfallsanitätergesetz festgeschriebene neue Standards verursachen zusätzliche Kosten, die in die neue Gebührensatzung noch nicht eingeflossen sind. Das soll nachgeholt und mit den Verbänden der Krankenkassen abgestimmt werden.

(sti)
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