Krefeld Peter Kraus - augenzwinkernd alt werden

Krefeld · Mit einem Satz steht er auf der Bühne, reißt sich den Motorradhelm vom Kopf und lässt die Hüften lasziv kreisen. Dieser Mann soll sieben Päpste, acht Bundeskanzler und 17 Weltmeisterschaften erlebt haben? Niemals!

Die vielen Frauen im Zuschauerraum des Königpalastes klatschen begeistert, einzelne Bravo-Rufe erklingen. Noch hält sich das Publikum zurück, Peter Kraus hingegen nicht. Der 76-Jährige tobt in Lederjacke über die Bühne, spielt E-Gitarre und tanzt, als wäre er noch einmal 16 Jahre alt. So wie damals, als er den Rock'n'Roll für sich entdeckte. 76 ist übrigens richtig - Kraus feierte am 18. März Geburtstag.

Der Schauspieler und Sänger Peter Kraus ist auf Abschiedstour, der Plan war, nach dieser Tournee deutlich kürzer zu treten. "Das Beste kommt zum Schluss" ist sein Motto - auf Hochkarätiges müssen die 1800 Zuschauer jedoch nicht lange warten. Schon beim ersten Song zeigt Kraus, was er drauf hat: Er greift zur Gitarre, zupft und schlägt Akkorde an, wirbelt das Instrument herum, spielt über Kopf und hinterm Rücken. Der perfekte Sound will jedoch nicht so ganz zum Fingerspiel auf dem Saiteninstrument passen. Kommt die Musik etwa vom Band? Aus der Konserve? Empörung macht sich breit - ein hohes Eintrittsgeld für eine Playback-Show?

Mitnichten! Peter Kraus zeigt mit diesem kleinen Kunstgriff, dass bei ihm wirklich alles live ist - und holt seinen virtuosen Rock-Gitarristen auf die Bühne, der hinter dem Vorhang den Ton zum Schauspiel von Kraus erzeugt hat. "Der kann das, was ich gerne können würde", sagt Kraus und gibt dem Musiker beim nächsten Song, "Johnny b. Goode" von Chuck Berry, genug Raum noch einmal vor dem Publikum zu zeigen, was er wirklich drauf hat. Chuck-Berry-Duckwalk inklusive.

Peter Kraus hat ein Gespür für Dramaturgie, er erzählt Geschichten von früher und schäkert mit dem Publikum. Manch eine Dame wird so sehr mitgerissen, vergisst das Applaudieren und winkt stattdessen dem Herzensbrecher ihrer Jugendzeit mit hochroten Wangen zu. Der Ehemann schaut höflich zur Seite, als habe er das gerade gar nicht mitbekommen. Noch einmal 16 sein - das durchschnittlich ältere Publikum erlebt mit den Songs von Kraus und seinen Cover-Nummern von Elvis, Chuck Berry und anderen die eigene Jugend noch einmal. Unterstützt wird die gedanklicheund musikalische Reise in die Vergangenheit durch alte Aufnahmen, die über die große Leinwand flimmern. Sie zeigen Peter Kraus als Rocker, als Filmschauspieler und auch in Rollen als Schwiegermutters Liebling.

Er sei ja der Erfinder des Rock'n'Roll, sagt der Sänger. Dieser Amerikaner habe ihn damals ja nur kopiert und seine Songs damit weltbekannt gemacht. "Wie hieß der doch gleich?", fragt Kraus. Und die Zuschauer lachen. "Deutschland hat einen deutschen Elvis", jubelte die Presse damals. Und heute? Reißt er mit den Songs endlich, wenigstens einige, Zuschauer von ihren Sitzen. "Love me tender", "Devil in Disguise" und danach ein Abstecher zu seinen Hits aus den 50er und 60er Jahren. "Mit 17", "Wenn Teenager träumen" und "Sugar Baby" erklingen, die Fans klatschen mit. Mit den Coversongs von Culcha Candela "Hamma" und "Lila Wolken" von Materia können die Zuschauer weniger anfangen, auch wenn sie ins Gewand der 50er Jahre gesteckt wurden. Höflicher Applaus, mehr geht nicht. Das Publikum ist halt da, um die alten Hits zu hören. Wie "Tiger", den Kraus erstmal in einer Seniorenversion im Vier-Viertel-Takt spielen will. Doch seine Band bricht immer wieder aus, stimmt die Rock'n'Roll-Version an - doch Kraus bremst sie, solange, bis schließlich das Publikum pfeift und buht: Das Spiel geht auf, sie wollen Rock'n'Roll, endlich aufstehen und tanzen. Schlüpfer, so wie früher, flogen zwar nicht auf die Bühne, auch keine größeren als damals - dennoch kommt endlich richtig Stimmung auf. Die Zuschauer tanzen, stürmen Richtung Bühne und feiern noch weitere anderthalb Stunden die alten Schlager und Rock-Songs, die damals, im Adenauer-Deutschland für Empörung gesorgt haben.

(RP)
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