Krefeld Pilates hinter der Schaufensterscheibe

Krefeld · Im Hansa Centrum hat sich ein Ladenlokal zum Nachbarschaftstreffpunkt entwickelt. Dort wird nun geturnt, gemalt und musiziert - in aller Öffentlichkeit. Mittags kommen Mitarbeiter aus umliegenden Büros dazu und machen Pilates.

 Die Künstlerin Brigitte Lang besucht den Nachbarschaftstreff regelmäßig als Gast und zeichnet Portraits von den Teilnehmern. Das Portrait gibt's später als Geschenk.

Die Künstlerin Brigitte Lang besucht den Nachbarschaftstreff regelmäßig als Gast und zeichnet Portraits von den Teilnehmern. Das Portrait gibt's später als Geschenk.

Foto: Schilling

Ein leerstehendes Ladenlokal im Herzen des Hansa Centrums erfährt derzeit eine Zwischennutzung der besonderen Art: In dem hellen und freundlichen ehemaligen Geschäft ist ein Nachbarschaftstreff für die Bewohner des Quartiers entstanden, der sich in den vergangenen Monaten nach und nach entwickelt und vergrößert hat. Kann es ein Erfolg werden, hinter einer Schaufensterscheibe quasi öffentlich zu turnen? Es kann, wie Diplom-Soziologe Sandy Schilling und seine Mitstreiter eindrucksvoll bewiesen haben.

Elisabeth Stöcker-Mockenhaupt ist ausgebildete Sporttrainerin und bietet dort jetzt montags ein Bewegungstraining an: "Anfangs kostete es schon etwas Überwindung, in dem Ladenlokal mit der Glasfront zu turnen. Mittlerweile kommen aber sogar die Mitarbeiter aus den umliegenden Büros in der Mittagspause und machen Pilates. Es herrscht hier eine unglaublich schöne Atmosphäre."

 Die Angebote im "einLaden" sind beliebt. Dienstags treffen sich junge und ältere Teilnehmer zum kreativen Arbeiten. Sandy Schilling (stehend, dritter v.r.) ist Quartiersentwickler für die südliche Innenstadt.

Die Angebote im "einLaden" sind beliebt. Dienstags treffen sich junge und ältere Teilnehmer zum kreativen Arbeiten. Sandy Schilling (stehend, dritter v.r.) ist Quartiersentwickler für die südliche Innenstadt.

Foto: Thomas Lammertz

Schilling ist für das vom Land NRW geförderte Projekt "Altengerechte Quartiere. NRW" zuständiger Mann in der südlichen Innenstadt: "Zu Beginn des Projekts im vergangenen Jahr habe ich etwa ein Vierteljahr lang eine Art Bestandsaufnahme des Quartiers gemacht. Es war ganz deutlich, dass in der Hauptsache Räume benötigt werden; Möglichkeiten, wo sich Menschen begegnen, austauschen und Gemeinschaft erleben können."

Schilling beschreibt, dass der demografische Wandel nicht bedeute, mehr Hilfsangebote aufzubauen, sondern in den Senioren auch aktive Gestalter zu sehen: "Es ist eine ungeheure Ideenflut, die mir begegnete." Wichtig sei den älteren Menschen , dass sie selbstbestimmt und freiwillig etwas gestalten könnten - offen, selbstorganisiert und an keine Institution gebunden. Eine der "Keimzellen" des Nachbarschaftstreffs ist Dietmar Walter, Bewohnerbeirat der Seniorenresidenz Hanseanum. Walter erklärt: "Wir Bewohner des Hanseanums bekommen nicht immer mit, was rundherum läuft, und um das zu ändern, haben wir quasi nach einer Art Stammtisch für uns gesucht. Viele unserer älteren Menschen sind noch sehr aktiv und nehmen das neue Begegnungsangebot mit Freude wahr."

Die beiden Künstler Olga Klaus und Anatoli Jarkow waren die ersten, die im neuen Nachbarschaftstreff einen Kursus angeboten haben: "Wir suchten ein eigenes Atelier für Pastellmalerei und lernten Sandy Schilling kennen." Dieser berichtet: "Gerade diese Malerei- Gruppe ist eine sehr beständige Gemeinschaft, die sich sogar in den Weihnachtsferien regelmäßig getroffen hat."

Joshua Wendel hat sein Keyboard mitgebracht und begleitet manches Angebot musikalisch. Er bietet freitagnachmittags seinen eigenen Kursus an: "Musik ist ein gutes Werkzeug, um Menschen zusammenzuführen."

Ernst Müller und Uwe Bindseil sind durch Zufall auf den neuen Nachbarschaftstreff aufmerksam geworden. Sie malen beide schon länger und freuen sich über die unkomplizierte Möglichkeit, ihrem Hobby nachgehen zu können.

Auch Christian Schüttler nutzt das neue Nachbarschaftsangebot. Er arbeitet als psychosozialer Betreuer bei der Caritas und besucht mit Demenzkranken das Acrylmalen: "Es ist ganz erstaunlich, was in diesen Menschen steckt. Ich beobachte, dass sie von Mal zu Mal weniger Betreuung brauchen und sich in dem zwanglosen fröhlichen Kreis wohlfühlen." Dieser lebendige Kreis setzt sich aus einem bunten Querschnitt der Bewohner des Quartiers zusammen: Hier sitzen junge und alte Menschen unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe beieinander und sind vereint im gemeinschaftlichen Tun. Sandy Schilling vermutet lachend: "Wir sind wohl der inklusivste Raum der Innenstadt."

Die Künstlerin Brigitte Lang, die selbst Kunstkurse an der Volkshochschule gibt, besucht den Nachbarschaftstreff regelmäßig als Gast. Sie portraitiert die Teilnehmer und schenkt ihnen ihr jeweiliges Portrait im Anschluss: "Jedes Mal, wenn ich komme, ist der Kreis der Teilnehmer noch größer geworden."

Sandy Schilling hat noch viele Pläne für Angebote im Nachbarschaftstreff "einLaden": "Wir werden zum Beispiel gemeinsam mit der PSAG Krefeld (Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft) ein Beratungsangebot zu verschiedenen Themen starten." Er hofft, dass der Nachbarschaftstreff Nachahmer findet: "Das wäre eine gute Nutzung für leerstehende Ladenlokale."

(RP)
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