Krefeld Pille - ein stiller Held der lauten Musik

Krefeld · Solche Typen braucht eine Stadt: Markus "Pille" Peerlings betreibt die Kulturrampe auf dem Großmarkt und veranstaltet dort gut 120 Konzerte jährlich mit Musikern und Bands aus der ganzen Welt. Das Pensum leistet Pille als Ein-Mann-Betrieb. Auf Zahlen und Bilanzen schaut der 48-Jährige kaum. Es muss gerade mal so reichen.

Markus "Pille" Peerlings ist kein Headbanger. Das sind die wild ihre langen Haare kreiseln lassenden Fans des Heavy Metal und des Hardrocks. Der 48 Jahre alte Krefelder ist musikalisch breit aufgestellt. Seine Sozialisation hat er im Jazzkeller erfahren, sein erstes Konzert mit einer Klezmer-Kapelle aus Amsterdam in der Kulturrampe veranstaltet. Weltmusik findet seine Anerkennung. Kulturell geprägte Rhythmen und Melodien gespielt auf landestypischen Instrumenten können ihn immer noch begeistern.

Das Feuer für die internationale Musik und als Konzertveranstalter brennt auch nach zwölf Jahren als Inhaber der Kulturrampe auf dem Großmarkt in ihm. Auch, wenn das in der persönlichen Begegnung auf Anhieb nicht unbedingt zu entdecken ist. Markus Peerlings, der an seinen Spitznamen Pille auf unspektakuläre Art gekommen ist, lässt lieber Taten sprechen, als große Worte zu führen. Pille heißt er, seitdem Mitschüler in den Pausen zwischen den Unterrichtsstunden auf dem Schulhof seinen Nachnamen in eine prägnante Kurzform brachten - ihn zuerst in Perle und dann in Pille umänderten.

Die Kulturrampe hat inzwischen weit über die Stadtgrenzen hinaus einen guten Ruf als heimelige Spielstätte für junge, aber auch für renommierte Bands. Die US-amerikanische Musikgruppe Hogjaw spielt beispielsweise am 23. Oktober ihr einziges Deutschland-Konzert in den ehemaligen Proberäumen der Krefelder Musikinitiative am Großmarkt. Damit die vier Jungs aus Arizona in Krefeld ihr neues Album vorstellen können, hat Pille jede Menge Arbeit. Vom Aussuchen und Verpflichten der Band einmal abgesehen, kümmert er sich persönlich um das ganze Drumherum. Er bucht Hotelzimmer für die Musiker und ihre Crew, meldet das Konzert der Künstlersozialkasse, zahlt den Beitrag für die Gema, verteilt Plakate, ordert das Catering für Fleischesser, Vegetarier und Veganer. "Die werden immer mehr", sagt der Peerlings, der am Veranstaltungstag die Unterstützung seiner Frau Annette und einiger Ehrenamtlicher hat. Er selbst sitzt am Einlass und verkauft die Tickets. An dem Tag, an dem er Türsteher benötigt, macht er zu, sagt Pille - und damit ist vieles, wenn nicht alles über Peerlings gesagt.

Für die Abende hofft er auf gutes, aber nicht zu gutes Wetter, auf wenig Konkurrenzevents und auf viele Spontanbesucher. "Letztlich weiß man oft nicht, warum ein Konzert ausverkauft ist und zum anderen nur eine Hand voll Publikum erscheint", erzählt Peerlings. Waren nicht ausreichend Plakate geklebt, hat die Pressearbeit nicht funktioniert, trifft der Musikstil nicht den Geschmack der Krefelder - es sind viele Fragen, die den Musik-Enthusiasten beschäftigen.

Daran ändern auch Erfahrungen aus zwölf Jahren nichts. Es ist immer wieder spannend. Insbesondere, wenn die eigene Existenz - sprich ein Teil des Familieneinkommens - daran hängt. Im vergangene September ging ihm fast die Luft aus. Obwohl nur 120 Personen in den Konzertraum dürfen, zeigt ihm die 225.000-Einwohner-Stadt Krefeld manchmal die kalte Schulter.

Pille öffnet sein Bistro nur an den Konzerttagen - das heißt zehn- bis zwölfmal im Monat. Das erfordert Weitblick. Fürs erste Quartal 2019 hat er die ersten Verpflichtungen bereits festgemacht. Da gilt der gute alte Handschlag - auch wenn er gleichsam telefonisch erfolgt.

40 bis 50 Bewerbungen gehen bei dem Wahl-Königshofer ein. Aufgewachsen ist er in der Nähe der alten Rheinlandhalle. Wenn dort ein Tor fiel, dann hörte er es in der Küche seines Elternhauses. Dennoch wurde er kein Kufenstar auf der Jagd nach dem Puck und den Punkten in der Eishockey-Profiliga, sondern ein Freund der Musik. Die Dimension der Popularität der Kulturrampe macht eines deutlich: Die 40 bis 50 Bewerbungen trudeln nicht etwa in einem Monat elektronisch per Mail bei Peerlings ein, auch nicht pro Woche, sondern an jedem einzelnen Tag im Jahr. Die Zeit, als sorgfältig gepackte Päckchen mit CD, Bandbiografie und einem Foto per Post bei ihm eintrafen, gehört seit längerem der Vergangenheit an. Heute sind es Musikdateien, die in seinem Rechner aufploppen. Pille verfährt bei der Auswahl der Gruppen nach dem 60-Sekunden-Prinzip. Das Intro wird übersprungen, und dann hat die Band eine Minute Zeit, ihn zu fesseln, oder auch nicht. Die Guten kommen ins Töpfchen und die Schlechten in Kröpfchen. Nach dieser Methode verfuhr schon Aschenputtel.

Es sind die neuen Sachen, die der Krefelder spannend findet. Peerlings bleibt seinen Entdeckungen treu, sehr treu. Statt Mainstream sind es "seine Bands", die er im Auto und unter der Dusche hört, deren Laufbahn er verfolgt und über deren Erfolge er sich freut. Auch da ist er stiller Genießer, schreit seine Qualitäten als Talentscout nicht in die Welt hinaus. Das muss er auch nicht. Die Krefelder Szene um Bands wie Isaac Vakuum weiß, was sie an ihm und der Kulturrampe hat. Heute ist übrigens ausverkauft: Wen wundert's, Blaze Bayley - ehemals Sänger von Iron Maiden - ist da.

(sti)
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