Krefeld Polizeipräsident schlägt Alarm

Krefeld · Polizeipräsident Rainer Furth warnt vor "massiven Problemen" bei Wohnungsbordellen in Dießem. Insider berichten von verheerenden Zuständen. Ungeschützter Verkehr betreffe auch Schwangere.

 Im Krefelder Rotlichtmilieu herrschen zum Teil menschenunwürdige Zustände. Darauf machte Polizeipräsident Rainer Furth schon mehrfach aufmerksam.

Im Krefelder Rotlichtmilieu herrschen zum Teil menschenunwürdige Zustände. Darauf machte Polizeipräsident Rainer Furth schon mehrfach aufmerksam.

Foto: Krebs

Polizeipräsident Rainer Furth hat erneut davor gewarnt, über die Debatte über Straßenprostitution die aus polizeifachlicher Sicht viel verheerendere Situation in Wohnungsbordellen zu vergessen. Die "offen sichtbare Prostitution im Bereich Ritterstraße" sei zwar überall Thema, über das "viel massivere Problem" der Wohnungsbordelle zwischen Alter Linner Straße und Seidenstraße werde dagegen "kaum geredet", erläuterte Furt in einem Vortrag vor dem CDU-Kreisvorstand. Dabei sei diese Prostitution "überwiegend menschenunwürdig" und ihre Legalisierung "ein schwerer Fehler" gewesen, so Furth. Insider, die die Szene aus der Nähe kennen und sich mit den Problemen der Frauen dort befassen, stützen Furths Analyse.

Furth bekräftigt damit eine Position, die er schon Anfang 2014 eindringlich verfochten hat. Damals hatte er die Art und Weise, wie die Politik über das Thema Straßenstrich debattierte, massiv kritisiert. In einigen Beiträgen werde der Eindruck erweckt, die Polizei interessiere sich nicht für die Sorgen und Nöte der Bürger und ihr sei Straßenprostitution gleichgültig. Aber: Polizeifachlich, so seine Position damals, bewege sich die Straßenprostitution in den Bahnen, die das Gesetz erlaube: Die Prostituierten auf dem Straßenstrich hätten bei Kontrollen alle nötigen Unterlagen beibringen können - Ausweis, Steuernummer, Gewerbeschein; damit habe die Polizei keine Handhabe gehabt, zumal die Frauen oft aus Düsseldorf kämen.

Aus Sicht der Polizei war schon damals die Lage in Wohnungsbordellen alarmierend und die Bedingungen für die Prostituierten dort menschenverachtend. Die Polizei sprach von 20 Objekten mit 60 Wohnungen, in denen Hunderte Prostituierte arbeiteten. Einer der Polizisten brachte die Bedingungen dort auf die Formel: "30 Grad, 20 Quadratmeter, elf Freier, drei Frauen." Der Polizeipräsident verwies 2014 darauf, dass die Stadt über Bau- oder Gewerberecht Einflussmöglichkeiten auf die Szene habe und es möglich sei, durch zusätzliche Kontrollen erhebliche Einnahmen für den Stadtetat zu erzielen.

2015 hatten sich Ratspolitiker von der Situation vor Ort ein Bild gemacht. Auch sie teilten die Einschätzung von Rainer Furth. So sagte damals CDU-Ratsfrau Simone Römer: "Die meisten der so genannten Sexualarbeiterinnen und wenigen Sexualarbeiter verrichten ihren Dienst unter teilweise unwürdigen gesundheitlichen, hygienischen und sozialen Bedingungen in Wohnungen und bordellähnlichen Betrieben." Den 15 bis 20 jungen Frauen auf dem Straßenstrich stünden im Stadtgebiet schätzungsweise rund 200 Sexualarbeiterinnen in Wohnungen gegenüber.

Insider bestätigten der Rheinischen Post, dass sich seitdem die Lage der Frauen in Wohnungsbordellen nicht verbessert, sondern noch verschlechtert habe. "Es wird immer schlimmer", so die Einschätzung der Experten, die fehlende Kontrollen bemängeln. So würden Hausbesitzer mit dubiosen Verträgen von den Frauen für die Anmietung einer Wohnung horrende Summen verlangen.

Die überwiegend sehr jungen Frauen seien dem hilflos ausgeliefert, da die meisten kaum über Deutschkenntnisse verfügten. Sie seien von angeblichen Freunden mit Heiratsversprechen nach Deutschland gelockt worden und würden nun von diesen als Sexobjekte angeboten. Experten des Millieus zeigen sich fassungslos über das, was in diesen Bordellen als Service bis zur "Flatrate" alles angeboten werde.

Die Frauen hätten davon anfangs meist keine Ahnung und müssten sich dann in ihrer Not mit der Situation arrangieren. Dabei wäre es fast normal, auf Verhütungsmittel zu verzichten, da Freier oft Sex ohne Kondome wünschten. Gefährlich ist das nicht nur für die Frauen, sondern in einigen Fällen auch für ihre ungeborenen Kinder. Denn auch Schwangere gehörten zum Angebot und müssen ungeschützten Verkehr erlauben. Die Folgen können verheerend sein. So sei in Krefeld, so Insider, bereits ein Baby mit mehreren Geschlechtskrankheiten zur Welt gekommen, das sich nun in behördlicher Obhut befinde. Freier, die vor Ort von Fachleuten auf die Gefahr für Mutter und Kind angesprochen wurden, antworteten: "Warum? Ist doch nicht verboten?"

Ein weiteres Problem: Helfer bekommen nur schwer Zugang zu diesem Milieu. Werde nun auch noch der Straßenstrich unterbunden, so die Sorge der Experten, würden auch diese Mädchen in die Wohnungsbordelle abgedrängt und der Kontrolle durch Behörden weitestgehend entzogen. Und auch den zahlreichen Hilfsangeboten, die es in Krefeld gibt.

(RP)
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