Krefeld Prachtvolle Schau über Geschichte der Toleranz

Krefeld · Nie zuvor hat das Museum Burg Linn eine Ausstellung gezeigt, die so aktuell am Zeitgeschehen ist: Am Sonntag wird "Krefeld und die Religionsfreiheit. 400 Jahre Toleranz in einer niederrheinischen Stadt" eröffnet.

Eine Ausstellung über Krefelder Toleranz
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Eine Ausstellung über Krefelder Toleranz

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In Krefeld leben heute rund 22.500 Muslime. Im Stadtbild tauchen sie seit den 1960er Jahren auf. 1968 bekamen sie ihren ersten Gebetsraum "Mescid" im Arbeiterwohnheim der Deutschen Edelstahlwerke. Heute gibt es acht Moscheen. "Aber in der offiziellen Verwaltungsstatistik tauchen die Muslime nicht auf", sagt Christoph Dautermann, stellvertretender Leiter des Museums Burg Linn.

"Im Statistischen Jahrbuch laufen sie bei der Konfession unter "Sonstige"'. Wer nach dem Warum fragt, der hat das Konzept der Ausstellung verstanden, die am Sonntag eröffnet wird: "Krefeld und die Religionsfreiheit. 400 Jahre Toleranz in einer niederrheinischen Stadt". Hier wird ein Toleranzbegriff historisch beleuchtet und aktuell auf den Prüfstand gehoben. Es ist eine wichtige Ausstellung, deren Besuchererfolg programmiert ist: Es gibt bereits enorm viele Anmeldungen von Schulen.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war Krefeld ein kleines Nest mit einigen hundert Einwohnern. Es nannte sich bereits Stadt und war an Wachstum interessiert. Doch dass die Krefelder nun einen Zustrom von Mennoniten aufnehmen sollten, sorgte nicht für Begeisterung. Die Sorge, dass diese "Fremden" nicht zur Krefelder Mentalität passen könnten, dass sie Arbeitsplätze wegnähmen, trieb die Einheimischen um. "Pegida" hätte damals viel Zuspruch erhalten.

Es gab noch keine Angst vor dem Islam, dafür mächtig Ärger mit den Reformierten. Denn die beanspruchten die Alte Kirche, die Kirche der Katholiken, als Gotteshaus für sich. 1607 gelang es ihnen. Die Katholiken, die überwiegend die Arbeiterklasse bildeten, kaum Geld und entsprechend wenig Einfluss hatten, wichen aus in ein Franziskanerkloster (an der heutigen Klosterstraße, am Standesamt).

Die Reformierten beschwerten sich, dass die Katholiken bei Gottesdiensten die Türen offen ließen und man ihre Gesänge in den Straßen hörte. Deshalb störten sie die katholischen Prozessionen, säumten zigarrerauchend die Wege und behielten die Hüte auf dem Kopf. Es gibt Belege dafür, dass die Katholiken 1862 eine säbelbewaffnete Schutztruppe aufstellten, um sich gegen Übergriffe zu wappnen. Aber einen Glaubenskrieg gab es in Krefeld nie.

Dafür viele Beispiele für Respekt, Toleranz, für ein friedliches Miteinander der Vertreter unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Das Krefelder Selbstverständnis als tolerante Bürger war für Dautermann Aufhänger für die Ausstellung. "Ist der Krefelder tolerant? Das muss man mit einem entschiedenen Jein beantworten", sagt Dautermann. Die Schau zeigt viele Geschichten und Gesichter von Respekt und auch von Ablehnung.

Sie greift von der Historie bis in die Gegenwart: Auf einer Tafel können Besucher Fotografien von Menschen ihren Religionen zuordnen. "Sie werden sehen, dass das niemals aufgeht, dass einem aber vielleicht eigene Klischees auffallen", sagt Dautermann. Ins Gespräch und ins Nachdenken zu bringen ist der eigentliche Sinn dieser Schau, die aus der historischen Fülle nur einzelne Aspekte herauspicken kann.

Aber es gibt auch etliche Kostbarkeiten und Raritäten zu entdecken. Zum Beispiel eine Koran-Ausgabe von 1840 - ganz schlicht und im Format dem "Gotteslob" ähnlich. Es ist die erste Übersetzung des Korans ins Deutsche, verfasst von dem Krefelder Juden Ludwig Ullmann. "Wir können nur spekulieren, warum er den Koran übersetzt hat: vielleicht weil Judentum und Islam gemeinsame abrahamitische Wurzeln haben. Er muss des Arabischen mächtig gewesen sein", erklärt Dautermann.

Jene Jahre waren die Zeit, in der namhafte Persönlichkeiten für die Rechte religiöser Minderheiten eintraten: Hermann von Beckerath machte sich im Preussischen Landtag dafür stark, dass die Juden volles Bürgerrecht erhielten. Bis ins 18. Jahrhundert hatte es sogar Reglementierungen gegeben, dass in Krefeld nicht mehr als eine, in Hohenbudberg nicht mehr als zwei jüdische Familien zugelassen seien.

Von Beckeraths Intervention hatte Erfolg. 1847 dankte die Jüdische Gemeinde ihm mit einer prachtvollen Urkunde in einem silberverbrämten Glaszylinder. Alte Zeitungen, die den Mennoniten de Greiff lobten, weil er die Linner Synagoge finanziert hatte, Fensterreste mit dem Davidsstern aus der verbrannten Kempener Synagoge und die historische Beschneidungsbank der Krefelder Jüdischen Gemeinde sind echte Raritäten.

Auch frühe Lutherschriften und -bibeln, Abendmahlsschalen und -kannen der Mennoniten (auf denen das Wappen der Stifterfamilie von der Leyen zu sehen ist), eine Bibel in hebräischer Sprache, Rosenkränze, die direkt neben jüdischen Gebetsketten liegen, sind in Linn zu sehen und zeigen, dass der Glaube an einen Gott Menschen auch verbinden kann.

Dautermann zitiert den Krefelder Kommerzienrat Emil von Bruck, der gesagt hat: "Sowohl durch Bigotterie als auch durch Toleranz ist Krefeld emporgekommen". Denn die Ausstellung spiegelt auch den wirtschaftlichen Aufstieg Krefelds durch die Juden und vor allem die Mennoniten, die im 18. Jahrhundert die Oberschicht ausmachten. Friedrich der Große hatte die Pazifisten sogar vom Kriegsdienst befreit, denn sie füllten die Staatskasse. Das erleichterte die Toleranz.

(RP)
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