Satire und Kunst Krefelder provoziert mit Böhmermann-Bild

Krefeld · Der Krefelder Künstler Ivo Lucas tritt mit "Schandbildern" zum Fall Böhmermann für Würde ein. Viele Galerien wollen sein Bild nicht zeigen.

 Das heiße Eisen: "Pittura infamante" (Schandbild) von Ivo Lucas zeigt Jan Böhmermann kurz bevor er sein Schmähgedicht vorgetragen hatte. Den Text gibt Lucas in kryptischen Zeichen wieder, die er vor einigen Jahren für seine Bilder entwickelt hat. Das 2,90 Meter breite Bild ist ab Freitag bei "35 blumen" zu sehen.

Das heiße Eisen: "Pittura infamante" (Schandbild) von Ivo Lucas zeigt Jan Böhmermann kurz bevor er sein Schmähgedicht vorgetragen hatte. Den Text gibt Lucas in kryptischen Zeichen wieder, die er vor einigen Jahren für seine Bilder entwickelt hat. Das 2,90 Meter breite Bild ist ab Freitag bei "35 blumen" zu sehen.

Foto: IL

Die Brisanz ist Ivo Lucas klar geworden, als die Absagen kamen. Einem Museum und mehreren Galerien hatte er sein Acrylbild angeboten. "Zuerst wollten sie es ausstellen, dann haben sie sich doch dagegen entschieden", sagt der Künstler. Er gibt zu: "Es ist mein allerschlechtestes Bild." Doch das war nicht der Grund für die Rückzieher. "Alle verwiesen auf die türkische Community." Jan Böhmermanns Text gegen den türkischen Präsidenten Erdogan - offenbar ein zu heißes Eisen für viele im Kunstbetrieb. Ab Freitag, 6. Mai, 19 Uhr, wird das 2,90 mal 1,90 Meter große Bild mit dem Titel "Pittura infamante" (Schandbild) nun im Kunstraum "35 blumen", Blumenstraße 35, zu sehen sein.

Die Furcht der Etablierten vor dem Aufruhr akzeptiert Lucas. Und doch fühlt er sich unverstanden. Er will Diskurs anregen, aber auf Eklat ist er nicht aus. Böhmermanns Skandaltext hat der Krefelder Künstler in kryptografischen Zeichen dargestellt, ein codiertes Alphabet, das Lucas erfunden hat, um Texte in seine Bilder zu setzen, aber den Betrachter zu leiten, dass der sich nicht nur auf den Text konzentriert und vom Bild ablenken lässt. In diesem Fall soll das "ermöglichen, den Diskurs über Meinungsfreiheit im Rahmen der Kunst weiter zu führen". Denn für Lucas gilt: "Eine Aufgabe der Kunst ist, an den Wert der Freiheit zu erinnern und falls nötig, diese zu verteidigen."

Lucas hat an den Kunstakademien in Enschede und Düsseldorf studiert, unter anderem bei Albert Oehlen. In seinen Arbeiten zitiert Lucas gerne, verbindet Geschichte mit Zeitgeschichte - und irritiert, um sozialkritische Fragen aufzuwerfen. Dazu steckt er mal die Köpfe von Schaufensterpuppen in Blumentöpfe oder lässt Plastikfiguren in einer Art Dschungelcamp Krieg spielen. Mit dieser Arbeit war Ivo Lucas an der KWM-Abschieds-Ausstellung "Quer geschnitten" beteiligt. 2014 widmete ihm das Museum Ahlen eine Solo-Schau. Seine Arbeiten gehören zu Sammlungen in Europa, China, Korea und USA.

Über die Qualität seines "Schandbildes" will er nicht streiten: "Ich habe mich bei der Ausführung an dem niedrigen Qualitätsanspruch des Gedichts orientiert. In derselben Weise, wie das Gedicht ohne jede Mühe verfasst und vorgetragen wurde, ist mein Bild gemalt." Deshalb verdiene es keinen Keilrahmen, die Leinwand soll im Ausstellungsraum direkt an die Wand genagelt werden.

Ivo Lucas will nicht Partei ergreifen. Er findet Böhmermanns Textinhalt ebenso "entwürdigend", wie Erdogans Versuch, die "Meinungsfreiheit nun auch außerhalb der Türkei nach seinen Vorstellungen zu begrenzen".

Jan Böhmermann – seine größten Aufreger im Überblick
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Jan Böhmermann – seine größten Aufreger

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Foto: Screenshot Youtube

Religion, Meinungsfreiheit, Satire und Zensur sind keine neuen Themen. Darauf verweist Lucas mit Passagen aus Wilhelm Buschs 1870 verfassten Gedicht "Die fromme Helene", der Text - ebenfalls in kryptografischen Zeichen verschlüsselt - verbindet der Künstler mit der grafischen Darstellung eines tanzenden Böhmermanns. In weiteren Grafiken, die er "Colonna infame" (deutsch: Schandsäule) nennt, zieht er Verbindungen, unter anderem ins 1. Jahrhundert vor Christus. Er zitiert den römischen Philosophen Cicero, der die Bestrafung Catilinas wegen Verschwörung gegen die römische Republik forderte. Bei "35 blumen" ist Lucas Teil einer Gruppenschau zum Thema "Dada" - und das, findet der Künstler, setze alles ins passende Licht.

(RP)
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