Rheinische Wahlfahrt zur NRW-Bildungspolitik "Nicht jeder muss den Master machen"

Die Forderung nach der Wiedereinführung von Studiengebühren war bei der Diskussionsrunde unserer Rheinischen Wahlfahrt in Krefeld auf verlorenem Posten. Intensiv diskutiert wurde auf dem Campus der Hochschule Niederrhein über das Turboabi.

In Landeswahlkampfzeiten ist Prof. Hans-Hennig von Grünberg froh, dass er Präsident einer Hochschule ist und nicht etwa Direktor eines Gymnasiums. Denn die Schulen werden seiner Meinung nach viel zu oft zum Spielball der Politik. Besonders natürlich der Landespolitik, die sich auf diesem Feld noch profilieren kann. "Die Hochschulen sind davon glücklicherweise weit weniger betroffen", sagte von Grünberg.

Der Präsident war Gast bei der fünften Rheinischen Wahlfahrt, die diesmal auf dem Campus der Hochschule Niederrhein Halt gemacht hatte. Das Thema der Podiumsdiskussion: Welche Bildungspolitik braucht NRW? Live konnten Internet-Nutzer das Gespräch bei Facebook und RP ONLINE verfolgen und Fragen stellen. Das kam an. Hunderte Interessierte chatteten eifrig mit.

Weniger gemütlich hatten es die Gäste vor Ort, die Wind und Nieselregen trotzen mussten. Trotzdem verfolgte ein Grüppchen Hartgesottener die angeregte Diskussion zwischen Hochschulpräsident von Grünberg, Karsten Ludwig (Grüne), Daniel Dick (FDP) und Stephan Hagemes (Linke). Die Rollen waren schnell verteilt. So machte sich der Liberale Dick als einziger für eine erneute Einführung von Studiengebühren stark. Für die Vertreter von Grünen und Linke ein nicht akzeptabler Vorschlag, der auch dem Hochschulpräsidenten nur ein Kopfschütteln entlockte: "Das Thema ist passé". Auf Unverständnis stieß bei von Grünberg auch die leidige Diskussion über G8 oder G9. "Wenn man so eine Änderung einführt, dann muss man sie auch erstmal in Ruhe laufen lassen."

Karsten Ludwig wünschte sich mehr Flexibilität bei diesem Thema, auch innerhalb einer Schule. Daniel Dick erinnerte daran, dass G8 an ostdeutschen Schulen ohne Probleme funktioniere und plädierte für größtmögliche Autonomie, um beide Modelle nebeneinander existieren zu lassen. Davon hält Stephan Hagemes wenig. Sein Fazit: Weg mit G8.

Eindeutige Meinungen hatten auch die via Internet zugeschalteten Gäste. So sagte Joel: "Schraubt das Niveau an den Gymnasien nach oben. Nicht jeder Depp muss Abi machen." Anders sieht das jedoch Nadine, die sich schon bei der Einschulung mehr Flexibilität wünschen würde, um dem Entwicklungsstand jedes Kindes gerecht zu werden. Weniger Druck ist auch für den Linken-Vertreter Hagemes ein wichtiges Thema. Wenn es nach ihm ginge, würden Lehrer schon bald ganz auf Noten verzichten und ihre Beurteilungen nur noch schriftlich formulieren. Um das umsetzen zu können, würden mehr Lehrer eingestellt und es gäbe kleinere Klassen.

Völlig unrealistisch findet das FDP-Politiker Dick. Er hält gar nichts davon, Schüler "in Watte zu packen". Stattdessen würde er den Hauptfächern wie Mathe, Deutsch oder Englisch mehr Zeit im Stundenplan einräumen und das Fach "Digitalisierung" zum festen Bestandteil des Lehrplans machen. Falsch findet er den Trend, für jedes Kind die höchste Schulbildung anzustreben. "Auch eine Tätigkeit im Handwerk ist wertvoll und sollte als Leistung anerkannt werden."

Dieser Meinung ist auch von Grünberg, der solche Ansichten auch aus seiner Arbeit kennt. Dann jedoch geht es um Bachelor oder Master. Und auch hier will der Präsident den Bachelor nicht schlecht geredet wissen. "Nicht jeder muss fünf Jahre studieren und den Master machen. Nach unserer Erfahrung reicht oft auch ein Bachelor-Abschluss. Weiteres Wissen kommt in der Berufspraxis." Dieser Meinung ist auch Student Kevin. Statt sein Abi zu machen, hat er nach der zwölften Klasse eine Ausbildung begonnen. Und sagt jetzt: "Ich würde es immer wieder machen. Die Ausbildung hat mir nicht nur viel Spaß gemacht, sondern mir auch einen Weg aufgezeigt, den ich jetzt mit einem Studium weiterverfolge."

Die Rheinische Wahlfahrt ist unsere Tour durch NRW vor der Landtagswahl. An jedem der sieben Orte diskutieren wir dabei über ein anderes Schwerpunktthema. Bislang waren wir schon in Erkelenz (Thema: Energiepolitik), Rees (Thema: Digitalisierung), Ratingen (Thema: Fluglärm) und Leverkusen-Opladen (Thema: Verkehr). Ständiger Begleiter: unser Tour-Mobil, ein umgebauter amerikanischer Wohnwagen mit Live-Studio, mit dem wir an öffentlichen Plätzen und in Fußgängerzonen Halt machen.

Zu jeder Diskussionsrunde sind Politiker wechselnder Parteien eingeladen, immer aber ein Vertreter der aktuellen NRW-Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie ein Vertreter der aktuellen Oppositionsparteien im Landtag. Großes Finale der Aktion ist die Abschlussveranstaltung in Düsseldorf am 29. April, bei der Vertreter aller Parteien* die Gelegenheit bekommen, ihre Argumente vorzutragen und sich Ihren kritischen Fragen zu stellen.

Für jede Diskussionsrunde haben wir Veranstaltungen auf Facebook angelegt. Diese haben wir bei den einzelnen oben stehenden Terminen verlinkt. Daten, Orte und Uhrzeiten sind teils noch vorläufig. Änderungen geben wir an dieser Stelle und in den Facebook-Events bekannt.

Die Rheinische Wahlfahrt ist ein Projekt der Rheinischen Post, das Facebook mit einem mobilen Live-Studio unterstützt.

* — Gemeint sind alle Parteien, die derzeit im Landtag sind oder nach gängigen Umfragen realistische Chancen haben, am 14. Mai in den nächsten Landtag einzuziehen.

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