Krefeld Roma kochen für Emmaus-Tagestreff

Krefeld · Seit elf Jahren versorgt der Emmaus-Tagestreff "Die Brücke" Bedürftige mit einer warmen Mahlzeit. Seit zwei Monaten kommt an den Samstagen regelmäßig eine Gruppe von Roma, um für die Gäste zu kochen. Das Essen spenden sie.

 Als "sensibel gegenüber allen Ausgegrenzten" bezeichnen sich die Krefelder Roma, die selber mit Misstrauen und Vorurteilen leben müssen. Die Roma engagieren sich im Tagestreff "Die Brücke" und kochen regelmäßig für Bedürftige.

Als "sensibel gegenüber allen Ausgegrenzten" bezeichnen sich die Krefelder Roma, die selber mit Misstrauen und Vorurteilen leben müssen. Die Roma engagieren sich im Tagestreff "Die Brücke" und kochen regelmäßig für Bedürftige.

Foto: LS

Stimmengewirr und Zigarettenqualm erfüllt die Luft. Dichtgedrängt bevölkern die Gäste des Emmaus-Tagestreffs "Die Brücke" die beiden hell und freundlich dekorierten Räume im Parterre des Hauses Tannenstraße 69. Viele sind obdach- oder arbeitslos, alkoholabhängig, die Gesichter gezeichnet von einem Leben, das mehr Niederlagen als Siege hatte, oder Frührentner, die gerade in der Adventszeit ihre Vereinsamung empfinden. Rund 50 Besucher hat Selva gezählt. Sie hat ein Studium der Sozialpädagogik begonnen und leistet in der "Brücke" den zweiten Teil eines Pflichtpraktikums ab. Man spricht sich beim Vornamen an, bleibt aber beim Besuch von Außenstehenden lieber unter sich.

"Emmaus ist immer da, wo Menschen sich ausgegrenzt fühlen", erklärt Elisabeth Kreul, die die Krefelder Emmaus-Gemeinschaft leitet. "In Krefeld sind wir ja keine Riesengruppe, aber wir versuchen, Mittler für Randgruppen zu sein." Fünf Festangestellte und 15 Ehrenamtler arbeiten für die Gemeinschaft. Hinzu kommen noch die neun Mitglieder der Wohngruppe in der Peter-Lauten-Straße. Diese verzichten auf die staatliche Sozialhilfe und verdienen ihren Unterhalt mit Entrümpelungen und einem Gebrauchtwarenmarkt. "Die Menschen, die länger bei uns bleiben, empfinden die Emmaus-Gemeinschaft als einen Ersatz für die fehlende Familie. Aus der Verantwortung für den Second-Hand-Markt erwächst schließlich die Verantwortung sich selbst gegenüber. Gegenüber physischer Gewalt oder akuter psychischer Hilfsbedürftigkeit grenzt der Tagestreff sich ab. "Wir sind kein Therapieinstitut", sagt Kreul. "Wir versuchen, Menschen den nötigen Halt zu geben, sei es durch eine warme Mahlzeit oder einen Platz in unserer Gemeinschaft."

Vor einiger Zeit bekam Emmaus Kontakt zu einer Roma-Gruppe einer in der Hardenbergstraße beheimateten, freikirchlichen Gemeinde. Die "Gemeinde zur Himmelstür" zählt etwa 200 Mitglieder und gehört zu einer Gruppe von freikirchlichen Gemeinden, die hauptsächlich von Sinti und Roma in Frankreich und Deutschland getragen werden. Diese boten an, die Zubereitung der Samstagmahlzeiten in der "Brücke" zu übernehmen. "Wir lernten Elli (Kreul) kennen. Sie erzählte uns, dass hier Bedürftige essen würden. Da boten wir uns an, für diese zu kochen", erzählt Sonja Steinbach. Zu acht Männern und Frauen sind die Roma pünktlich um 12 Uhr erschienen. Sie haben einen Riesenkessel mit Djuvetsch-Reis mitgebracht, den Steinbach zubereitet hat. Die Zutaten hat die Kirchengemeinde gespendet. Gemeinsam verteilen sie die Teller mit dem dampfenden Eintopf, der nebenan im Tagestreff reißenden Zuspruch erfährt.

Das Engagement der Roma erklärt der angehende Co-Prediger José Goman so: "Wir Roma teilen mit anderen Einwanderern das Misstrauen, das manche Einheimische gegenüber Fremden besitzen. Wir müssen aber mit anderen Völkern zusammenleben, da wir eine Nation ohne Raum sind. Daher sind wir sensibel gegenüber allen Ausgegrenzten." Labbek Goman, einer der Helfer aus der Gruppe der Roma, assistiert: "Vor dem Hintergrund unseres Christseins sehen wir jeden unterschiedslos als Geschöpf Gottes."

Das Engagement der Roma sieht die Emmaus-Chefin mit einem lachenden, aber auch mit einem misstrauischen Auge. Sie möchte jedwede Missionierung im Tagestreff unterbinden. "Emmaus ist stolz darauf, völlig unabhängig von staatlicher Subventionierung zu sein. Wir wollen uns nicht in ein fremdes Fahrwasser begeben", sagte die 47-Jährige. "Der Gründer unserer Gemeinschaft, der 2007 verstorbene Abbé Pierre, konnte mit seiner charismatischen Kraft Politiker und Bürger für den Kampf gegen die Armut gewinnen, weil er sich gegenüber allen Institutionen, auch seiner Kirche, unabhängig verhielt."

Es ist Weihnachtszeit, in der der Gedanke des miteinander Teilens aufgefrischt wird. Und so nahm Kreul das Angebot der Roma dankbar an, für den zweiten Weihnachtsfeiertag ein besonderes Essen vorzubereiten, zu dem die Roma jeden herzlich einladen, der Gast der "Brücke" sein möchte. Steinbach gibt die festtägliche Speisenfolge noch nicht preis: "Wir überlegen noch. Schließlich müssen wir auch noch festliche Mahlzeiten für unsere Familien und unsere Gemeinde vorbereiten."

(oes)
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