Krefeld Rossini-Oper als High-Tech-Spektakel

Krefeld · Das ist völlig neu in deutschen Theatern: Mit großem Technik-Aufwand inszeniert Kobie van Rensburg den "Barbier von Sevilla". Sänger agieren auf der Bühne und sind gleichzeitig überdimensional per Video zu sehen. Samstag ist Premiere,

 So soll es aussehen, wenn die Akteure auf der Bühne (unten) per Kamera in eine virtuelle Szene geschnitten werden (oben): Regisseur Kobie van Rensburg spielt mit technischen Möglichkeiten, um die Scheinwelt der Oper zu verdeutlichen. <strong>

So soll es aussehen, wenn die Akteure auf der Bühne (unten) per Kamera in eine virtuelle Szene geschnitten werden (oben): Regisseur Kobie van Rensburg spielt mit technischen Möglichkeiten, um die Scheinwelt der Oper zu verdeutlichen. <strong>

Foto: Matthias Stutte&lt;/strong&gt;

Kobie van Rensburg ist der Mann für visuelle Pioniertaten auf der Opernbühne. Mit den projizierten Texten in "Figaros Hochzeit" und der Film-Noir-Ästhetik in "Don Giovanni" hat der Regisseur aus Südafrika das Krefelder Publikum in den vergangenen Spielzeiten verblüfft und begeistert. Für Gioacchino Rossinis "Barbier von Sevilla" geht er nun computertechnisch noch weiter. "So etwas hat es in Deutschland noch an keinem Theater gegeben", schwärmt Operndirektor Andreas Wendholz: Das Publikum wird die Akteure auf der Bühne sehen - und gleichzeitig werden die Sänger per Kamera überlebensgroß in eine Videoszene projiziert. Man sieht sie vor blauem Bühnenhintergrund und in einer Szenerie, die realistisch wirkt wie das Wohnzimmer des Grafen oder eine Straße in Sevilla. Am Samstag, 7. November, 19.30 Uhr, ist Premiere.

Den Alcazar-Palast in Sevilla hat van Rensburg vorgestern Nacht in seinen Computer eingespeist. In authentischer Kulisse sollen sich die Liebe und Sehnsucht von Rosina und Almaviva entspinnen, ebenso die Ränke derer, die diese Verbindung torpedieren wollen. Liebe und Bestechung sind Themen zeitloser Gültigkeit, "aber ich möchte auch ein junges Publikum für Oper gewinnen, das nicht durch die Familie schon einen Theaterzugang hat", sagt van Rensburg. Deshalb hat er sich die schnelläugige Sehgewohnheit der Video-Kultur zunutze gemacht. Bühnengeschehen und virtuelle Umsetzung geschehen gleichzeitig, das Publikum kann entscheiden, wohin es blickt. "Hier werden plötzlich Details ganz neues Gewicht bekommen - allein durch die Größe der Darstellung", sagt van Rensburg. "Es ist zugleich ein Blick in unser Nähkästchen: Man sieht, was wir machen."

Der Wechsel zwischen Bühne und virtuellem Raum passt nach Meinung des Regisseurs besonders für Rossinis Komödie, die 1816 in Rom uraufgeführt worden ist. Handlung und Musik laufen in atemberaubendem Tempo. "Es ist die erste Oper, in der beides eine symbiotische Einheit bildet, weil alles durchkomponiert ist", sagt Rensburg. "Und hier geht es vor allem um Scheinwelten." Er nennt Rossinis Werk "ein Schweizer Uhrwerk mit italienischer Seele", bei der das Timing durch die Musik vorgegeben ist: "Das ist so schnell und so quirlig, dass es ein bisschen erinnert an das Zeitgefühl der 1960er Jahre", findet der Regisseur. Deshalb wollte er das Sevilla des 18. Jahrhunderts in die Optik der Pink-Panther-Filme und der frühen James-Bond-Ästhetik transponieren. Eine gewagte Mischung, die er toppt durch eine zeitgenössisch aufgefrischte Übersetzung: Die deutschen Titel des italienischen Librettos werden auf der Bühne aufleuchten, der Wortschatz ist an die Gegenwart angepasst. "Schurke war einst ein derbes Schimpfwort, das heute nicht mehr so wirkt", sagt Dramaturgin Ulrike Aistleitner.

30 Jahre lang hat es keinen "Barbier" mehr auf der Krefelder Theaterbühne gegeben. "Man braucht jemanden, der die anspruchsvolle Tenorpartie singen kann", betont Operndirektor Wendholz. Der im südafrikanischen Kroonstad geborene Levy Sekgapane singt den Grafen Almaviva. Gerade erst hat er erste Preise in den renommierten Belvedere- und Montserrat-Caballé-Wettbewerben geholt und wird nach seinem Gastspiel an die Semperoper nach Dresden gehen. "Er wird hier sogar die Schlussarie singen, die meistens bei Inszenierungen gestrichen wird, weil sie niemand singen kann", erzählt van Rensburg. Es ist die Arie, die man vom Mezzo in "La Cenerentola" kennt, die Rossini aber ursprünglich für Tenor geschrieben hat. "Hier hört man mehr Musik als sonst üblich, aber in nur zweidreiviertel Stunden."

Premiere Samstag, 7. November, 19.30 Uhr, im Theater. Kartentelefon: 02151 805125. Für die Premiere sowie für die vier Vorstellungen in diesem Jahr gibt es nur noch Restkarten. 2016 sind weitere Vorstellungen geplant.

(RP)
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