Landtagswahl Kandidaten Im Interview "Rot-Grün hat seine Chance gehabt"

Krefeld · Die CDU-Landtagskandidaten Britta Oellers und Marc Blondin glauben an eine Wechselstimmung und sagen: Rot-Grün hat inhaltlich wenig zu bieten. Das zeige der SPD-Wahlkampf, der auf Wir-Gefühle setze und inhaltliche Debatten ausklammere.

 "Was mich wirklich fuchst, ist das Versagen der SPD beim eigenen Slogan 'Kein Kind zurücklassen'. Krefeld bekommt 30.000 Euro zum Aufbau eines Netzwerkes, muss aber noch einmal so viel drauflegen. Wir haben längst gute Netzwerke; das ist doch Augenwischerei." Britta Oellers zum Thema Bildungspolitik

"Was mich wirklich fuchst, ist das Versagen der SPD beim eigenen Slogan 'Kein Kind zurücklassen'. Krefeld bekommt 30.000 Euro zum Aufbau eines Netzwerkes, muss aber noch einmal so viel drauflegen. Wir haben längst gute Netzwerke; das ist doch Augenwischerei." Britta Oellers zum Thema Bildungspolitik

Foto: Lammertz Thomas

Am Verblüffendsten zurzeit ist, dass die CDU in den Umfragen aufholt und selbst dran zu glauben scheint, die SPD überholen zu können. Ist das reale Stimmung in der CDU oder Autosuggestion?

 "Bei uns ist Schleierfahndung nicht gesetzlich geregelt. Dadurch nimmt man einem solchen Instrument Wucht und Wirksamkeit." Marc Blondin zum Thema Innere Sicherheit

"Bei uns ist Schleierfahndung nicht gesetzlich geregelt. Dadurch nimmt man einem solchen Instrument Wucht und Wirksamkeit." Marc Blondin zum Thema Innere Sicherheit

Foto: Lammertz Thomas

Blondin Das mag viele verblüffen, aber uns freut und motiviert es: Wir glauben an den Erfolg. Der Schulz-Effekt ist verpufft, und wir haben im Saarland gesehen, dass die CDU ihre Wähler mobilisieren kann.

Die Beliebtheitswerte von Hannelore Kraft sind groß, die CDU muss über Inhalte gewinnen. Macht das die Sache schwerer?

Oellers Ich glaube nicht. Das Duell gestern zwischen Hannelore Kraft und Armin Laschet hat gezeigt, dass beide sich auf Augenhöhe begegnen. Und gerade bei den Inhalten können wir punkten. Das sieht man auch am SPD-Wahlkampf. Die plakatieren ja nicht mit den Errungenschaften ihrer Regierungszeit, sondern allein mit Wir-Gefühlen. Blondin Ich halte auch die Strategie der Landes-CDU für richtig. Diesmal sitzt es. Die Themen Bildung, Infrastruktur und Sicherheit brennen den Leuten unter den Nägeln.

Krefeld-spezifisch ist, dass die CDU im Stimmungstief war: Die Oberbürgermeisterwahl verloren, schwieriger Generationswechsel - sind Sie 'raus aus dem Tal der Tränen?

Blondin Wenn ich die Unterstützung in den Ortsverbänden zum Maßstab nehme, dann kann ich nur dankbar sagen: ja. Es ist nicht überall leicht, aber ich spüre den Willen, auch in Krefeld für ein Wiedererstarken der CDU zu kämpfen. Es gibt schon den Wunsch zum Wechsel, nach dem Motto: Rot-Grün hat seine Chance gehabt, wir wollen jetzt etwas anderes. Ich glaube, dass diese Wahl in starkem Maße eine Abwahl der Paarung Rot-Grün ist.

Bei welchem Thema sind die Leute am meisten auf dem Baum?

Oellers Bildung, wobei es weniger um G8/G9 geht, sondern um Inklusion und Unterrichtsausfall.

Kritik am Unterrichtsfall gab es auch unter Schwarz-Gelb an Schwarz-Gelb, damals leidenschaftlich vorgetragen von der Oppositionspolitikerin Sylvia Löhrmann (heute Schulministerin) an die Adresse der CDU-Schulministerin Barbara Sommer.

Oellers Das mag sein, aber die Debatte hat sich verschoben, das Problem hat sich verschärft. Inklusion ist dazugekommen; wir haben heute viel zu wenige Sonderpädagogen. Es gibt mittlerweile bei vielen Eltern die Sehnsucht, dass sich die Unruhe in den Schulen legt. Hier hat Rot-Grün mehr Probleme geschaffen als gelöst. Blondin Was den Mangel an Sonderpädagogen angeht: Das hätte man weitsichtiger angehen müssen. Erst Förderschulen auflösen, Kinder mit Behinderung auf Regelschulen unterbringen und sich dann erst um Sonderpädagogen kümmern - das geht nicht. Oellers Was mich wirklich fuchst, ist das Versagen der SPD beim eigenen Slogan 'Kein Kind zurücklassen'. Krefeld bekommt 30.000 Euro zum Aufbau eines Netzwerkes, muss aber noch einmal so viel drauflegen. Wir haben längst gute Netzwerke; das ist doch Augenwischerei. Es wäre besser gewesen, dieses Geld in Krefeld-spezifische Projekt zu investieren.

Na ja, es gibt Probleme, auf die noch keine Landesregierung eine Antwort hatte. In der Stahldorfer Grundschule gibt es Klassen mit einem Migrantenanteil von 90 Prozent. Da verstehen die Schüler sich untereinander nicht, und die Lehrer ihre Schüler nicht.

Oellers Die Antwort wären massive Sprachförderprogramme. Nun bekommt Krefeld eine Stelle für einen Koordinator.

Beim Stichwort Innere Sicherheit verweist die SPD auf ihre Ankündigung, 2300 Polizisten pro Jahr mehr einzustellen, und mokiert sich, dass die CDU danach mit der Zahl 2500 herausrückte. Die große Konzept-Debatte ist das nicht gerade.

Blondin Doch, es ist Teil einer großen Debatte. Was diese eine Zahl angeht, so sind wir zu dem Ergebnis gekommen: Es müssten mindestens 2500 sein. Man kann aber in NRW Innere Sicherheit nicht nur über diese Zahl abhandeln. Das Bittere ist doch: Die SPD kommt jetzt vor der Wahl auf den Trichter, mehr Polizisten einzustellen. Im Landeshaushalt sind 10.000 Stellen vorgesehen und durchfinanziert; die SPD hätte diese Mehreinstellungen über die Jahre durchziehen können. Oellers In Wahrheit versucht die SPD uns zu überholen. Die SPD kündigt jetzt Dinge an, die wir seit Jahren fordern. Das hat Frau Kraft auch im Duell eingeräumt: dass sie unseren Vorschlag zur Entlastung der Polizei von Bürokratie durch die Einstellung von Polizeiassistenten umsetzt. Hätte sie doch längst tun können. Das gleiche Bild ergibt sich beim vielgerühmten Programm 'Schule 2020': Jetzt vor der Wahl fließen auf einmal viele Millionen an die Kommunen zur Sanierung ihrer Schulen. Zuvor sind die Städte über Jahre alleingelassen worden.

Wie war die Entwicklung bei den Polizeistellen unter Schwarz-Gelb?

Oellers Die CDU hat keine Polizeistellen abgebaut, sondern nach der Regierungsübernahme in 2005 die Stellen wieder aufgestockt und mehr als verdoppelt, nachdem Rot-Grün drei Polizeischulen geschlossen hatte!

Beim Stichwort Schleierfahndung hat Kraft gesagt: Wir machen es im Prinzip, auch wenn wir nicht jede alte Dame kontrollieren.

Oellers Dieser Hinweis auf die Oma am Steuer wird dem Thema nicht im Ansatz gerecht. 13 Bundesländer praktizieren Schleierfahndung; warum nicht NRW? Blondin Bei uns ist diese Polizei-Strategie nicht gesetzlich geregelt. Dadurch nimmt man einem solchen Instrument Wucht und Wirksamkeit.

Wenn Sie denn können: Was wären Maßnahmen, für die Sie sich im Landtag einsetzen würden?

Blondin Ich würde mich für einen Abbau von Reglementierungen wie Lärmschutzregelungen einsetzen, um das Brauchtum zu stützen. Und ich würde die Sportpauschale des Landes erhöhen, womit die Kommunen ihre Sportanlagen auf Vordermann bringen können. Oellers Ich würde vor allem die Mittel für den Offenen Ganztag an Schulen erhöhen; das ist ein wesentlicher Hebel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Jens Voss führte das Gespräch Fotos: Thomas Lammertz

(RP)
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