Krefeld Rudis Geschichte

Krefeld · Eine junge Elster verzaubert den Nordbezirk: Udo Janzen und Sabrina Diedrichs haben den Jungvogel hilflos auf der Straße gefunden und aufgezogen. Es ist eine Geschichte von der Freude an der Gemeinschaft mit einem Tier - und dem schweren Abschied von einem putzigen Gefährten.

Rudis Geschichte - die zutrauliche Elster in Krefeld
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Rudis Geschichte - die zutrauliche Elster in Krefeld

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Es war kein schönes Bild, das sich Sabrina Diedrichs im Juni des vergangenen Jahres auf der Hofstraße bot: Da war ein Jungvogel auf der Straße, eine junge Elster, offenbar aus dem Nest gefallen, flugunfähig, teils noch mit unvollständigem Federkleid; nicht mal den Kopf konnte der Vogel sicher aufrecht halten, ein Flügel war seltsam verrenkt. Das Risiko zu sterben war groß, wenn man ihn sich selbst und den Hunden im Nordbezirk überlassen hätte.

Sabrina Diedrichs und ihr Lebensgefährte Udo Janzen entschlossen sich, dem Tier zu helfen. Daraus wurde eine sehr schöne Geschichte über das Leben mit Rudi, der Elster, die jetzt in eine neue Phase übergeht: Rudi soll die Welt erkunden und fernab des Heimatviertels leben, wenn er das möchte.

Rudis Geschichte ist schön und schwer zugleich: "Ich bin mir nicht sicher, ob wir das noch einmal machen würden", resümiert Sabrina Diedrichs. Und das liegt sicher nicht daran, dass sie Rudi nichts ins Herz geschlossen hat. Als sie Rudi gefunden hat, hat sie sich zunächst bemüht, ihn in die Hände von Fachleuten zu vermitteln: an den Zoo zum Beispiel oder das Tierheim. Doch das ging nicht. So begann das Abenteuer der Aufzucht einer Elster. Wie aber füttert man ein Elsterjunges, und was frisst es?

"Wir haben eine Anleitung bei einem Tierarzt erhalten und mehrfach mit Rabenvogelexperten telefoniert", berichtet Udo Janzen. Anfangs flößten sie dem Jungtier mit einer Spritze Nahrung ein, zum Beispiel Rührei mit Honig oder Tatar. Als Rudi größer wurde, kamen Obst, Nüsse, Heimchen, Zophobas (eine Käferart), Hähnchenherzen und Mäusebabys dazu - man bekommt sie tiefgefroren im Tierhandel, berichtet Janzen.

"Wildtiere wie Elstern brauchen ab einem gewissen Alter auch Fell als Nahrung; das ist wichtig etwa für den Verdauungsprozess," sagt er. Die Ernährung des Vogels ist eine Wissenschaft für sich: Fehlen Mineralien oder bestimmte Nährstoffe, drohen die Krallen des Vogels zu verkümmern oder die Bildung des Federkleides gestört zu werden. Es gelang. Rudi wuchs heran - zunächst in einem großen Hasenkäfig und schon ab Woche zwei in einer sehr geräumigen Voliere im Garten.

 So sah Rudi aus, als Sabrina Diedrichs den Jungvogel im Juni 2016 auf der Hofstraße fand; er war aus dem Nest gefallen und lag hilflos auf der Straße. Zoo und Tierheim sahen sich außerstande, sich des Vogels anzunehmen.

So sah Rudi aus, als Sabrina Diedrichs den Jungvogel im Juni 2016 auf der Hofstraße fand; er war aus dem Nest gefallen und lag hilflos auf der Straße. Zoo und Tierheim sahen sich außerstande, sich des Vogels anzunehmen.

Foto: Sabria Diedrichs

Dennoch sagt Udo Janzen heute: "Wir haben auch einiges falsch gemacht." Wie immer bei der Aufzucht von Wildtieren durch den Menschen ist die Prägung des Tieres auf den Menschen ein Problem. Rudi ist zutraulich, hat keine Scheu vor Menschen und den Kontakt zu seinen Artgenossen nicht wirklich gelernt. Rudi wurde zwar schon oft mit anderen Elstern gesehen, aber die Fixierung auf den Menschen überwiegt. Vergangene Woche hat Rudi sein Viertel verlassen und sich auf den Weg gemacht, die Welt zu erkunden. Damit dem Tier in der Phase des Übergangs nichts passiert, hat Sabrina Diedrichs Rudis Geschichte über Facebook veröffentlicht: "Rudi Elster" heißt eine eigene Gruppe mit Informationen, Fotos und Erlebnissen von Menschen im Nordbezirk mit der zutraulichen Elster.

Diedrichs wirbt um Verständnis für den Vogel, auf dass er nicht aus Angst eines Menschen verletzt wird. "Wenn Rudi nervt, bitte tun Sie ihm nichts! Er ist ein liebes Tier. Bitte geben Sie uns noch ein wenig Zeit", heißt es in einem "Info-Blatt" über Rudis Geschichte. "Rudi ist sehr neugierig und hat keine Angst vor Menschen. Daher bitte nicht erschrecken, wenn er auf einmal vor Ihrer Türe steht und näherkommt", heißt es da. Es gibt auf der Facebook-Seite auch schon Fotos und Kommentare von Nachbarn, die Rudi-Kontakt hatten und das kluge Tier auf dem Balkon erlebt und fotografiert haben.

Dennoch geht es um Abschied zwischen Mensch und Elster: "Daher bitten wir Sie, Rudi nicht zu füttern oder zu streicheln", heißt es in dem Info-Blatt weiter, "scheuchen Sie ihn weg, wenn er zu nahe kommt, damit er sich künftig fernhält. Elstern sind sehr intelligente Tiere und lernen das!" Rudi muss eben erfahren, wo er hingehört: zu Elstern. Am Wochenende wurde Rudi unter anderem im Botanischen Garten gesehen - auch mit anderen Elstern. Sabrina Diedrichs und Udo Janzen wünschen ihm eine gute und glückliche Reise.

Das hört sich jedoch nur leicht an; der Abschied fällt schwer. Doch nicht nur den beiden Zieheltern, sondern auch vielen Menschen im Nordbezirk, die Rudi kennen und größtenteils ins Herz geschlossen haben. So war Rudi Dauergast im Pauly-Stift, hat morgens mit der Briefträgerin die Post verteilt, in der Kita am Westwall mit den Kindern gespielt und auf Baustellen gern beim Arbeiten zugeschaut.

 Aus Rudis Speiseplan: Heimchen und Weintrauben (oben), Erdbeeren und kleine Heimchen (Mitte), Rührei und Hähnchenherz (unten).

Aus Rudis Speiseplan: Heimchen und Weintrauben (oben), Erdbeeren und kleine Heimchen (Mitte), Rührei und Hähnchenherz (unten).

Foto: Sabria Diedrichs

"Wir haben die Prägung auf den Menschen völlig unterschätzt", sagt Sabrina Diedrichs und ergänzt: "Ich glaube, ich würde es heute nicht mehr machen. Man trägt eine große Verantwortung dem Tier gegenüber, der man als Laie nicht ohne Weiteres gerecht werden kann." Die Geschichten rund um Rudi sollen gesammelt und veröffentlicht werden - auch hierfür dient die Facebook Seite "Rudi Elster".

(RP)
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