Krefeld Rührende Liebeserklärung eines Literaturpreisträgers

Krefeld · Hermann-Josef Schüren stellte seiner Lesung ein Liebesgedicht an seine verstorbene Frau voran - ein inniger Moment.

 Hermann-Josef Schüren.

Hermann-Josef Schüren.

Foto: Lothar Strücken

Einen außergewöhnlich innigen Moment erlebten die Besucher bei der Lesung des frisch gekürten Trägers des Niederrheinischen Literaturpreises: Hermann-Josef Schüren verlas in der VHS ein Gedicht an seine früh verstorbene Frau Franziska, das in seiner vollkommenen Verschmelzung von bodenständig-realistischer Betrachtungsweise einerseits und tiefster liebevoller Zuneigung andererseits weit herausragte aus allem, was man an öffentlich vorgetragenen Liebeserklärungen seit Langem gehört hat.

Schüren war am Wochenende für "Junge Stiere" mit dem Niederrheinischen Literaturpreis ausgezeichnet worden. Jetzt las er nach einer kurzen Einführung durch Theodor Pelster aus dem Opus. Ein niederrheinisches Bauerndorf um 1960: Mit den Augen des fünfjährigen Jakob schaute Schüren auf eine sich verändernde Welt, fasste die teils autobiografischen, teils fiktiven Eindrücke in dem Episodenroman zusammen.

Dass Schüren als Kind von seinen Eltern keine Umarmungen oder andere liebevolle Gesten erfahren habe, war sein einleitendes Statement und zugleich der Schlüssel zum Verständnis der ersten Szene aus dem Buch: Die Mutter ließ ihren Sohn Jakob zuschauen, wie sie nächtens im Stall einer Sau beim Ferkeln half. Die unbefangene Selbstverständlichkeit, mit der sie dabei die Geburtsöffnung des Tiers berührte, sich auf der Streu von hinten mit dem ganzen Körper anschmiegte und mit Händen und Füßen die Wehen unterstützte, das hatte der Autor zwar so nicht selbst erlebt, aber er hätte sich dieses Erlebnis der Zärtlichkeit gewünscht, wie er erzählte, und am liebsten natürlich als mütterliche Zärtlichkeit für ihn selbst. Sprachlich sicher gestaltet, emotional weder überhitzt noch unterkühlt und außerdem glänzend vorgetragen, hatte er damit den Höhepunkt des Abend bereits geliefert. Die Szenen mit der aufgrund ihrer Demenz äußerst wechsellaunigen Großmutter, mit dem Alkoholiker der Familie, dem gar nicht so "trockenen Theo", seinem ungeliebten älteren Bruder und dem dörflich-intellektuellen Onkel Winfried waren zwar ebenfalls hörenswert, jedoch weniger originell. Schließlich rezitierte der Autor eine Reihe von Gedichten, an denen er selbst große Freude hatte und deren satirischer Spott auf schrullige Zeitgenossen einen wirkungsvollen Kontrapunkt zur Ernsthaftigkeit des Romanstoffs setzte.

So kam schließlich auch eine angeregte Gesprächsrunde mit dem nicht allzu zahlreichen, aber hochmotivierten Publikum zustande, in der das Internat Gaesdonck, das pädagogische Geschick des Franz Joseph van der Grinten und die erzieherischen Vorstellungen des Lehrers Schüren wichtige Rollen spielten. Alles in allem ein lebendiger Literaturabend.

Das Buch "Junge Stiere", Grenz-Echo Verlag , ISBN 978-3-86712-100-2, 19,95 Euro.

(RP)
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