Krefeld Seelendrama eines Kriegsheimkehrers

Krefeld · Matthias Gehrt inszeniert "Draußen vor der Tür" als ein bedrückendes Psychogramm der vom Krieg beschädigten Menschen. Bei der Premiere gab es betroffenes Schweigen vor dem Applaus.

 Adrian Linke überzeugt in der Colle des Kriegsheimkehrers Beckmann. Er zeigt den Traumatisierten mit einer Intensität, die unter die Haut geht.

Adrian Linke überzeugt in der Colle des Kriegsheimkehrers Beckmann. Er zeigt den Traumatisierten mit einer Intensität, die unter die Haut geht.

Foto: M. Stutte

Beckmann ist aus dem Krieg zurück. Er hat das Grauen überlebt, aber er ist nicht davongekommen. Das Hinken und die absurde selbstfabrizierte Gasmaskenbrille, ohne die er maulwurfsblind ist, sind äußere Merkmale. Die tiefen inneren Wunden sind nicht weniger offensichtlich. Adrian Linke, füllt die Charakterrolle des Kriegsheimkehrers, dem sein Leben wie sein Vorname abhanden gekommen ist, vom ersten Moment an mit einer Rauheit und Versehrtheit, die Wolfgang Borchert sich sicherlich gewünscht hätte. Dessen einziges Drama "Draußen vor der Tür" hatte Premiere in der Fabrik Heeder. Vor dem befreienden Schlussapplaus herrschte lange Momente Schweigen. Die Intensität des gut 100-minütigen Kammerspiels blieb nicht ohne Wirkung.

Wolfgang Borchert, selbst von den Qualen des Zweiten Weltkriegs, den Einsätzen an Ost- und Westfront und der ständig gewärtigen Todesangst gezeichnet, hat die Uraufführung seines Stücks nicht mehr erlebt. Am Tag vor der Premiere am 21. November 1947 ist er gestorben. In seinen beiden letzten Lebensjahren hat er die Wohnung nicht mehr verlassen. Die düstere Atmosphäre schwingt in seinem Text mit. Regisseur Matthias Gehrt, Bühnenbildnerin Gabriele Trinczek und Anne Weiler (Kostüme) halten die Inszenierung ebenfalls beklemmend dunkel. Eine aufwendig installierte Sprinkleranlage über der Bühnenfläche sorgt dafür, dass Beckmann im wörtlichen Sinne im Regen steht. Jedesmal wenn ein Versuch, im Leben Fuß zu fassen, scheitert, wenn wieder eine Türe vor seiner Nase zugeschmissen wird, prasselt es auf ihn ein. Mit dem Grad, in dem sich seine schäbige Kleidung vollsaugt, nimmt auch die Seelenschwere erkennbar zu.

Ronny Tomiska (als "der Andere", der Beckmanns lebenswilliges alter ego darstellt) hat das Schicksal schon zu Beginn skizziert: "Ein Mann kommt nach Deutschland, der lange weg war. Zu lange. Er kommt anders zurück als er weggegangen ist." Das Zuhause solcher Heimkehrer ist nun "draußen vor der Tür, nachts, im Regen".

In seiner Verzweiflung will sich Beckmann in die Elbe stürzen, doch nicht mal die will ihn. Nele Jung als optischer Gegenentwurf zur Loreley wäscht dem Anfänger in Sachen Leid gehörig den Kopf - in etwas staksigem Messingsch. Nur Helen Wendt als Mädchen nimmt sich des Gestrandeten an. Halt kann sie ihm nicht bieten. Die Rastlosigkeit und Getriebenheit des Haltlosen schreit Linke raus. Verzweiflung gibt es nicht im gehauchten Flüsterton. Er ist ein Rebell, der auf der äußersten Reserve läuft. Wenn er sich zu "Unknown Soldier" von den Doors wie Jim Morrison auf der Bühne krümmt, passt das. Und es zeigt sich in der Begegnung mit dem süffisanten Oberst (Joachim Henschke), an dem alle Vorwürfe abperlen, der keine Verantwortung für die durch sein Kommando in den Tod geschickten Soldaten empfindet. Wie gut Verdrängungsmechanismen funktionieren, zeigt Henschke in kleinen Zwischentönen.

Gehrt hat das nach '45 entstandene Stück nicht in seiner Zeit verortet, sondern zeigt ein zeitloses Psychogramm der seelischen Zerstörungen von Krieg - ganz im Sinne des Militärhistorikers John Keegan, der Krieg nicht als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln versteht, sondern als einen Gesellschaftszustand - mit entsprechenden Konsequenzen für die Nachkriegszeit.

(RP)
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