Krefeld Segelfliegen: Die mit den Störchen kreisen

Krefeld · Segelfliegen ist echter Teamsport, denn starten und landen kann niemand allein. Das fast schwerelose Dahingleiten ist eine entschleunigende Erfahrung - eigentlich. Unsere Autorin hat es auf Einladung des Vereins für Segelflug ausprobiert.

Zwei wichtige Erkenntnisse vorab: Segelfliegen eignet sich bei Neigung zu Reiseübelkeit oder Seekrankheit eher nicht als Hobby. Und zweitens: Das ist für die Betroffenen total schade. Denn das sanfte, fast schwerelose Dahingleiten, das Betrachten der Landschaft von oben ist eine besondere, entschleunigende Erfahrung.

Sonntagmorgen, 11 Uhr: Auf dem Flugplatz Egelsberg ist schon seit einigen Stunden reger Flugverkehr. Alle paar Minuten startet oder landet ein Segelflugzeug. Gestartet wird entweder an der Winde oder mit einem Motorflugzeug, das die Segelflieger auf die gewünschte Höhe schleppt. Der Startbereich ist auch Treffpunkt für die Mitglieder des Vereins für Segelflug (VfS). Rund 20 Flugbegeisterte haben sich versammelt, und für jeden gibt es etwas zu tun: Flugzeuge werden in Position geschoben, damit die Starts reibungslos klappen. Das Schleppseil muss eingeklinkt werden. Beim Start müssen die Tragflächen gehalten werden. Das Windenseil nach einem Start vom anderen Ende der Startbahn geholt werden. Und vieles mehr.

"Segelfliegen ist ein echter Teamsport"
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"Segelfliegen ist ein echter Teamsport", erklärt Thomas Wiehle, erfahrener Segelflieger und einer von acht Fluglehrern des Vereins. Während der Flugsaison von März bis Oktober verbringen die engagierten Flieger fast jedes Wochenende einen Tag gemeinsam auf dem Flugplatz. Denn starten oder landen kann niemand allein. Teamwork ist gefragt, um die Maschinen in die Luft zu bringen.

"Hauptaugenmerk liegt auf unserem Ausbildungsbetrieb", berichtet Wiehle. Drei Doppelsitzer stehen im Verein zur Verfügung, in denen Fluglehrer und Flugschüler zunächst gemeinsam starten. Rund zwei Jahre dauert die Ausbildung - im günstigsten Fall. Schon im Alter von 14 Jahren kann damit begonnen werden. Der jüngste Pilot des Vereins ist gerade mal 17 Jahre alt. Die Theorie, die für die Lizenz zu lernen ist, sagt Wiehle, sei sehr umfangreich. "Denn wir sind ja Luftverkehrsteilnehmer mit allen Rechten und Pflichten." Im praktischen Teil werden alle Standards und Verfahren immer und immer wieder geübt. Zunächst mit Fluglehrer an Bord, später dürfen die Schüler auch allein im Einsitzer in die Luft.

Die Kosten für die Ausbildung sind im Vereinsbeitrag von rund 100 Euro im Monat enthalten. So finanziert der gemeinnützig agierende Verein Kauf und Unterhalt der Fluggeräte, die um die 50.000 Euro kosten. Die meisten Flüge dauern nur kurz, die Segelflieger wechseln sich ab, alle paar Minuten startet und landet ein anderer Pilot oder eben ein Lehrer-Schüler-Duo. "Landungen auf einem Acker, von denen man manchmal liest, sind absolut nicht die Regel, sondern ungewünschte Ausnahmen", erklärt Wiehle.

Er selber hat vor kurzem einen Flug bis ins Saarland und über das Sauerland und die Soester Börde wieder zurück nach Krefeld unternommen - ohne Landung, wohlgemerkt. "Klappt das nicht, hatte man vielleicht Pech mit dem Wetter oder hat taktische Fehler gemacht", sagt Wiehle. Auf die Frage, wie man bei einer so langen Zeit in der Luft menschliche Bedürfnisse regelt, sagt Wiehle: "Ich habe einen Trichter mit fest installiertem Schlauch, mit dem ich die Flüssigkeit nach draußen ableite." Er schmunzelt. "Dort wird sie dann feinzerstäubt." Tatsächlich sei das Pipi-Problem für Frauen oft ein Hinderungsgrund beim Segelfliegen.

Wiehle schwärmt vom Kreisen mit Störchen, wunderschönen Landschaften, davon, sich ohne Energiezufuhr im Element Luft zu bewegen. "Jeder Flug bringt immer wieder andere Herausforderungen mit sich." Der Verein für Segelflug Krefeld macht es auch Nicht-Clubmitgliedern möglich, den Sport auszuprobieren. Die Kosten für einen kleinen Rundflug sind mit rund 30 Euro überschaubar.

Das Segelfliegen sei sehr sicher, sagt Wiehle. Dennoch wird während des Flugs ein Fallschirm getragen. Das transparente Dach des engen Cockpits kann im Notfall mit wenigen Handgriffen für einen Absprung geöffnet werden. Wie das geht, wird der zum Rundflug eingeladenen Autorin dieser Zeilen vor dem Start ausführlich erklärt. Wiehle entscheidet sich für einen Start mit dem Schleppflugzeug, der es möglich macht, eine gute Thermik für den anschließenden Flug zu finden. Beim spektakulär anmutenden Start mit der Winde, bei dem das Flugzeug in 30 Sekunden auf rund 400 Meter Höhe katapultiert wird, ist das nicht immer der Fall.

Der anschließende Rundflug fällt schließlich kürzer aus als geplant. Denn er bringt schon in der ersten Kurve nach dem Ausklinken des Schleppseils die Erkenntnis, dass nicht jeder Magen segelfluggeeignet ist. "Schade, wenn man es nicht verträgt", sagt Thomas Wiehle. Recht hat er.

Mehr Informationen: www.vfs-krefeld.de, RP-Video unter rp-online/krefeld

(RP)
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