Krefeld Seidenweberhaus: Sanierung für 35 Millionen Euro

Krefeld · Eine Sanierung der Veranstaltungshalle ist zehn Millionen Euro günstiger als ein Neubau, der 45 Millionen Euro kostet. Gestern legte die Stadt neue Details zum Zustand des Hauses vor. Die Politik steht jetzt vor einer schweren Entscheidung.

Animationen: Pläne für das Seidenweberhaus
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Foto: Animation Architekt Reymann

Das mit Spannung erwartete Gutachten zur Zukunft des Krefelder Seidenweberhauses liegt seit gestern vor. Sanierung oder Abriss und Neubau? Ergebnis: Die Gutachter schließen zum jetzigen Zeitpunkt keine der Varianten aus. Die Stadtverwaltung hat der Politik gestern im Bauausschuss stattdessen einen erwarteten Kostenrahmen vorgelegt - eine Grundsanierung und deutliche optische Aufwertung des Hauses außen würde demnach mindestens 35 Millionen kosten, der Abriss und Neubau wäre mindestens 45 Millionen Euro teuer.

Versteckt findet sich im Gutachten sogar eine weitere Option, auf die aber Planungsdezernent Linne weder in der vorgeschalteten Pressekonferenz noch im späteren Bauausschuss einging: "Bei einer ausschließlichen Erneuerung nur der technisch zwingenden Teilmaßnahmen ohne Verschönerung könnte der Kostenrahmen auf unter 20 Millionen Euro gedrückt werden", steht in der gestern ausgehändigten Vorlage.

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Linne machte gestern deutlich, dass die Berechnungen nur eine erste Kalkulation seien, die Zahlen weiter steigen könnten. Zusätzlich entstehen in beiden Varianten Kosten von 5,5 Millionen Euro für die notwendige Sanierung der Tiefgarage und die beabsichtigte Neugestaltung des Theaterplatzes.

Die Politik soll, so der Wunsch Linnes, im Frühjahr 2015 im Bauausschuss eine Grundsatzentscheidung treffen, ob sie sanieren oder neu bauen lassen will. Die Stadt werde dann diese Variante konkret weiter verfolgen und die Detailkosten genau auflisten. Eine siebenstellige Summe würden beide dieser Detailberechnungen, mit denen ein Architekturbüro beauftragt werden müsste, kosten. Um nur für ein Gutachten zahlen zu müssen, wünscht er eine Vorabentscheidung der Politik. Im Bauausschuss, der gestern tagte, gab es keinen Widerspruch. Nach Linnes Vorstellung könnte die Sanierung oder der Neubau ab dem Jahr 2019 erfolgen, wenn das Projekt Stadthausumbau abgeschlossen ist.

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Foto: Screenshot Facebook

Schon jetzt ist das 1976 eröffnete Seidenweberhaus mit 50 000 Quadratmetern umbautem Raum an vielen Stellen in einem desolaten Zustand. Linne zweifelte gestern auch dessen stadtgestalterischen Wert an: "Es streckt der Innenstadt den Allerwertesten zu", sagte er und räumte auch ein, dass es baulich bedingt "Hygieneprobleme" gebe, der TÜV alle Betriebsgenehmigungen jedoch erteilt habe. Das Haus könne bei Ausbesserungsmaßnahmen im Wert von rund einer Millionen Euro allein in 2015 zwar noch weiterbetrieben werden bis 2019/2020. Mit einem Alter von dann bald 45 Jahren sei es jedoch dringend erneuerungsbedürftig. "Alle Gutachter sind der Meinung, dass das Gebäude nach 45 Jahren das Zeitliche erreicht hat. Die Gefahr eines ungeplanten Ausfalls wird größer." Dies sei ein zu großes Risiko für den Veranstalter Seidenweberhaus GmbH, der die Künstler schon zwei Jahre vorher bucht.

Architekt Piet Reymann, der im Auftrag der Stadt eine "Machbarkeitsstudie" erstellt hat, skizzierte gestern seine ersten Überlegungen zu Seidenweberhaus und Theaterplatz im Bezug auf eine Sanierung: Das Erdgeschoss solle umgestaltet werden, plant er. Reymann denkt weiter an mehr "Aufhellungen" und schlägt vor, gegenüber der Mediothek einen Teil des Hexagon-Restaurants zurückzubauen, so dass man freiere Sicht auf den Platz genießt. Es solle gut sichtbare Zugänge über Treppen vom Theaterplatz in das Seidenweberhaus geben. Die Abbiegespur an der St.-Anton-Straße in die Königstraße soll rückgebaut werden, die Fassade soll neu verkleidet werden, die Färberstraße (nordöstlich vom Theaterplatz neben Theater) könnte in den Platz integriert werden. Außerdem sollte der Durchgang durch das Seidenweberhaus (bei Ticket Sachs) verbreitert werden. Er kann sich parallel dazu im Bereich des östlichen Theaterplatzes (heutiger Standort der Drogenszene) einen Hotelkomplex (geschätzt ca. 10,4 Millionen Euro), eine Markthalle ( ca. 3,2 Millionen Euro) oder ein "Kulturdach" für offene Veranstaltungen der Kulturinstitute vorstellen. Eine Markthalle oder ein Hotel müsste aber von einem Privaten gebaut werden, betonte Martin Linne. Die Stadt könne ihm nur das Grundstück anbieten und Baurecht gewähren.

Planungsdezernent Linne listete gestern noch einmal einige der wesentlichen Mängel des Seidenweberhauses auf: Die gesamte Gebäudetechnik müsse erneuert werden, der Zuschnitt mit einem großen Saal und zwei kleinen Sälen erfülle nicht mehr die heutigen Ansprüche. Stattdessen solle eine "multifunktionale Mehrzweckhalle" gebaut werden, das Foyer solle in den Veranstaltungsbetrieb integriert werden. 2500 statt wie bisher 1425 Personen könnten nach einer Sanierung dann dort untergebracht werden. Die Eingangssituation des Seidenweberhauses sei die eines "Mauseloches", sagte Linne kritisch. Es müsse stattdessen eine großzügige offene Lösung geben. Wichtiger stadtgestalterischer Punkt sei auch die Fassade. Hier können sich die Planer im Falle einer Sanierung eine Variante aus Keramik, eine lasierte Fassade, eine Textilhülle oder Stahlverkleidung vorstellen. Im Erdgeschoss sollte sich Gastronomie ansiedeln, die Frequenz auf den Platz bringt.

Die zweite Variante, ein kompletter Abriss und Neubau, wäre deutlich teurer. Er hätte aber den Vorteil, dass das Seidenweberhaus an anderer Stelle aufgebaut werden könnte, im Bereich St.-Anton-Straße/Ostwall. Der Blick auf den Theaterplatz wäre so aus der City heraus besser gewährt. Alte Planungen für Abriss und Neubau existieren schon seit dem Jahr 2000, als in verschiedenen Workshops Ideen für den Theaterplatz gesammelt worden. Martin Linne wollte deshalb dahingehend gestern nicht konkreter werden, nannte nur einen Kostenrahmen von ca. 45 Millionen Euro ("Das ist eher knapp kalkuliert") - der Abriss kostet dabei rund 3,5 Millionen Euro. Vier bis fünf Monate dauere der Abriss, die Tiefgarage wäre noch zwei Monate länger gesperrt. Allerdings müsste für die Zeit bis zur Fertigstellung des Neubaues eine Alternativspielstätte her - Kosten von 1,1 Millionen Euro entstünden. Zu bedenken sei auch, dass das Theater bei Abriss mit einer eigenen Kältetechnik ausgestattet werden müsse - bisher hängt diese Technik noch direkt am Seidenweberhaus.

Wichtiger Punkt: Die Tiefgarage unter dem Seidenweberhaus würde in beiden Fällen erhalten bleiben, Linne wünscht sich aber andere Zufahrtswege, eine Zufahrt auch im Bereich des Ostwalls und Färberstraße in die Tiefgarage sei denkbar.

Stadtplaner Linne ließ gestern noch keine favorisierte Variante erkennen: "Betriebswirtschaftlich kann eine Sanierung zum Erfolg führen, stadtgestalterisch hat der Abriss und Neubau den Reiz, dass für Jahrzehnte andere Akzente gesetzt werden können."

(RP)
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