Krefeld Sohl-Straße jetzt einzigartig in Deutschland

Krefeld · Krefelds Entscheidung, die Hans-Günther-Sohl-Straße in Fichtenhain nicht umzubenennen, ist rund zweieinhalb Jahre her. Insbesondere Olaf Richter, Leiter des Stadtarchivs, hatte sich dagegen ausgesprochen.

 Die Hans-Günther-Sohl-Straße in Fichtenhain ist die einzige Straße bundesweit, die nach dem Wirtschaftsboss aus der Zeit des Nationalsozialismus benannt ist. Die Landeshauptstadt hat ihre Straße wegen der Rolle Sohls in Zeiten der Hitler-Regentschaft umbenannt. Unter der Anschrift Hans-Günther-Sohl-Straße firmieren große, namhafte Unternehmen wie DSV, Asics und Lüllmann.

Die Hans-Günther-Sohl-Straße in Fichtenhain ist die einzige Straße bundesweit, die nach dem Wirtschaftsboss aus der Zeit des Nationalsozialismus benannt ist. Die Landeshauptstadt hat ihre Straße wegen der Rolle Sohls in Zeiten der Hitler-Regentschaft umbenannt. Unter der Anschrift Hans-Günther-Sohl-Straße firmieren große, namhafte Unternehmen wie DSV, Asics und Lüllmann.

Foto: hpr/ TL (2)/LS

So unterschiedlich können Prüfungen ein und desselben Sachverhalts enden: Während Geschichtsexperten und Vertreter der Mahn- und Gedenkstätte in der benachbarten Landeshauptstadt Düsseldorf dem Wirtschaftsboss Hans-Günther Sohl eine eindeutig zu verurteilende Rolle im Nationalsozialismus zuerkannten, hielt eine Krefelder Kommission unter der Leitung von Stadtarchivchef Olaf Richter Sohl eher für einen Mitläufer. Eine Umbenennung der Hans-Günther-Sohl-Straße empfahl die Krefelder Kommission im Februar 2015 nicht. Richter entschied sich nach Besuchen in Archiven gegen die Empfehlung.

In Düsseldorf beschloss die Politik hingegen vor einigen Wochen die Umbenennung der Hans-Günther-Sohl-Straße im Szene-Stadtteil Flingern in Luise-Rainer-Straße. Die Landeshauptstadt ehrte damit die einzige deutsche Schauspielerin, die zwei Mal den Oscar gewonnen hat. Sogar zweimal in Folge konnte die Düsseldorferin mit jüdischen Wurzeln den Oscar als beste Hauptdarstellerin gewinnen. Geboren wurde sie 1910 in der Stadt und hat dort auch das Schauspielen gelernt. Die Umbenennung der Straße ist eine Entscheidung des Stadtrates.

Was in Düsseldorf noch als Neuigkeit - die frühe Mitgliedschaft Sohls in der NSDAP - betrachtet wurde, war in Krefeld sogar im Jahr 2014 schon bekannt. Sohl ist 1933 in die NSDAP eingetreten, hat unter der nationalsozialistischen Herrschaft Karriere in der Stahlindustrie gemacht, war Wehrwirtschaftsführer und setzte während des Zweiten Weltkriegs Tausende Zwangsarbeiter in der Produktion ein. Seit 2006 ist dem früheren Vorstandsmitglied der Vereinigten Stahlwerke in Krefeld fast unbemerkt eine Straße im Logistikpark Fichtenhain gewidmet. Erst mit den dort stattfindenden Bauaktivitäten geriet die Bezeichnung ein wenig in den öffentlichen Fokus.

"Gründe, die gegen eine Benennung sprachen, waren nicht bekannt und sind infolge dessen bei der Entscheidungsfindung nicht thematisiert worden", informierte Stadtsprecher Dirk Senger seinerzeit auf Anfrage unserer Zeitung. Demnach sei die Benennung der Straße damals von der Bezirksvertretung Krefeld-Fischeln auf Vorschlag der Firma Thyssen Krupp Real Estate gutgeheißen worden.

Ingrid Schupetta, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle, hatte schon vor dreieinhalb Jahren eine klare Meinung: "Ich darf wohl sagen, dass die NS-Dokumentationsstelle in Krefeld an dem Prozess der Namensgebung nicht teilgenommen hat, sonst hätte ich verwaltungsintern die bekannten Tatsachen sicherlich in die Waagschale geworfen", sagte sie seinerzeit auf Anfrage unserer Zeitung. Eine politische Bewertung, ob die Hans-Günther-Sohl-Straße umbenannt werden solle, wolle sie als Mitarbeiterin der Stadt Krefeld nicht abgeben. Da würde sie sich lediglich privat äußern, "und das wäre nicht zitierfähig", erklärte sie. Hoffentlich komme in Krefeld niemand auf die Idee, eine Straße nach "Panzer-Rohland" zu benennen; der habe sogar in Krefeld gewohnt, sagte sie.

Die Biografie Walter Rohlands weist einige Parallelen zu der von Hans-Günther Sohl auf. Beide sind schon 1933 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) eingetreten, beide waren im Vorstand der Vereinigten Stahlwerke (Vorläufergesellschaft der Thyssen AG), beide sind als Zeugen bei den Nürnberger Prozessen vernommen worden - "bemerkenswerterweise nicht als Angeklagte", so Ingrid Schupetta -, und beide sind im Entnazifizierungsverfahren lediglich als Mitläufer eingestuft worden.

In den Betrieben der Vereinigten Stahlwerke seien "unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt worden", heißt es unter "Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft". Schupetta ergänzt: "Ja, in Sohls Verantwortungsbereich sind während des Krieges Zwangsarbeiter brutal ausgebeutet worden. Man denke nur an das Arbeitserziehungslager innerhalb der Deutschen Edelstahlwerke in Krefeld." Nach 1945 ist Hans-Günther Sohl 18 Monate lang interniert gewesen, ehe er seine Karriere fortsetzten durfte. Die Thyssen Krupp Real Estate habe den Vorschlag, die Straße in Fichtenhain nach Sohl zu benennen mit seinen Funktionen im Vorstand und Aufsichtsrat der Firma Thyssen AG von 1954 bis 1981 und seiner Eigenschaft als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie von 1972 bis 1976 begründet, erklärte Senger dmals.

Der Südwestrundfunk (SWR) sendete 2002 einen Beitrag "Hitlers Eliten nach 1945. Teil 3: Unternehmer - Profiteure des Unrechts" über Hans-Günther Sohl. Laut Google Maps gibt es bundesweit nach der Umbenennung in Düsseldorf nur noch eine nach Sohl benannte Straße - in Krefeld.

(sti)
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