Krefeld "Sommernovelle" spürt der Jugend nach

Krefeld · Christiane Neudecker hat den Krefelder "Literarischen Sommer" mit einer inspirierenden Lesung eröffnet. In "Sommernovelle" erzählt sie von den Sinnfragen der Jugend.

 Eine flirrende Hitzeglocke lag über dem Hof der Fabrik Heeder - passend zu Christiane Neudeckers "Sommernovelle": Von der flirrenden Hitzeglocke über der Nordseeinsel las die Autorin zur Eröffnung des Literaturfestivals.

Eine flirrende Hitzeglocke lag über dem Hof der Fabrik Heeder - passend zu Christiane Neudeckers "Sommernovelle": Von der flirrenden Hitzeglocke über der Nordseeinsel las die Autorin zur Eröffnung des Literaturfestivals.

Foto: Lothar Strücken

Ein Fächerverkäufer hätte ein glänzendes Geschäft gemacht in der Fabrik Heeder, als Christiane Neudecker dort zum Auftakt des 16. "Literarischen Sommers" aus ihrem Roman "Sommernovelle" las. Die Gäste auf den gut besetzten Rängen nutzten ersatzweise alle möglichen Hilfsmittel, um sich Kühlung zuzufächeln, und die Autorin wünschte sich ausdrücklich, wenn auch vergeblich einen Hiwi an ihre Seite zu ebendiesem Zweck.

Dass die Heeder-Bühne ein passender Leseort für Neudecker sei, da sie selbst vom Theater her komme, damit eröffnete Maren Jungclaus von Literaturbüro NRW das Gespräch mit der Autorin, und Neudecker erzählte, in der Tat habe sie Regie studiert an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin und arbeite als Regisseurin mit der Multitalentetruppe "phase 7". Ja, das habe auch ihr Schreiben beeinflusst, denn die unausgesprochenen interpersonellen Beziehungen, die oft als eigentlicher Faktor die Interaktionen von Menschen bestimmen, spielten in dieser Ausbildung eine besondere Rolle, und dies komme ihr auch beim Erzählen zugute. Eine flirrende Hitzeglocke lag über der Nordseeinsel, als die Ich-Erzählerin und ihre Freundin dort eintrafen, um als freiwillige Öko-Helfer Dienst auf einer Vogelbeobachtungsstation zu tun. Im Jahr 1989, gänzlich unberührt vom Brodeln in der DDR, aber zutiefst beeindruckt vom atomaren Gau in Tschernobyl, wollten die beiden 15-Jährigen, die für den Einsatz eigentlich noch zu jung waren, einen Beitrag leisten zur Rettung des bedrohten Lebensraums Erde. Und daran knüpft auch die zentrale Frage an, der die Autorin mit diesem Buch nachgeht. Wie war das damals, als auch sie selbst noch jung war, als man etwas tun wollte und daran glaubte, dass auch kleine Schritte in die richtige Richtung sinnvoll seien? Und wann und wie hat diese urgesunde und zutiefst demokratische Einstellung eigentlich den Knick bekommen, der sie erlahmen ließ?

Lesend begleitete Neudecker die jungen Mädchen aus dem Raum Stuttgart auf ihrer Anreise, machte die Hörer mit zwei Rentnern auf der Vogelstation bekannt, beobachtete die Erzählerin bei ihrer ersten selbst geleiteten Wattführung und schilderte ein dramatisches Erlebnis beim Gelegezählen in einer Möwenkolonie. Dabei erwies sich Neudecker als exzellente Vorleserin, die ihre detailreiche Erzählung unaufdringlich, aber fesselnd vortrug und auch in dieser Hinsicht erkennbar vom Theater profitierte. Und sie ließ dabei auch ahnen, dass nicht nur der ökologische Impetus, sondern zugleich die Pubertät ihre Heldinnen umtrieb. Sie verstehe sich sehr wohl als politische, nicht aber als eindimensionale Autorin, gab sie - wiederum im Gespräch mit Jungclaus - zu Protokoll. Begeisterter Applaus beschloss diesen gelungenen Abend.

In Krefeld geht der Literarische Sommer weiter am Donnerstag, 9. Juli, 20 Uhr. Ernest van der Kwast liest im Palmenhaus, Baackesweg 75, aus "Fünf Viertelstunden bis zum Meer".

(RP)
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