Krefeld Sozialbündnis für politischen Kampf gegen Armut

Krefeld · "Krefelder Erklärung zur Armutsbekämpfung" unterschrieben nur wenige der angesprochenen Bundestagskandidaten.

Nicht erst seit dem aktuellen Wahlkampf ist der Ausdruck "Soziale Gerechtigkeit" ein geflügeltes Wort. Die sprichwörtliche Schere zwischen arm und reich gehe immer weiter auseinander, heißt es - auch auf kommunaler Ebene.

Krefeld ist für diese Entwicklung ein Paradebeispiel: Die Arbeitslosenquote lag im August dieses Jahres bei 10,6 Prozent und damit klar über dem Landesdurchschnitt (7,5 Prozent), 52 Prozent aller Neugeborenen der Stadt wachsen in einem Hartz IV-Haushalt auf, die Krefelder Tafel versorgt täglich mehr als 4.000 Bürger mit Lebensmitteln. Die Arbeitslosenquote der Stadt ist "statisch" - über 70 Prozent der Arbeitslosen der Stadt fallen in die Kategorie der Langzeitarbeitslosen.

Auch angesichts dieser Entwicklung lud das Sozialbündnis Krefeld jetzt im Arbeitslosenzentrum zum Gespräch. Jo Greyn vom Arbeitslosenzentrum nannte die Statistiken "erschreckend". Der Plan, Armut mit Bildung zu begegnen, sei ein Mythos, "der Bildungsapparat greift einfach nicht", klagte er.

Das Bündnis, das sich aus 21 Organisationen zusammensetzt - darunter Parteien, Gewerkschaften und Bürgervereine -, hatte zu Beginn des Bundestagswahlkampfes einigen Krefelder Bundestagskandidaten die "Krefelder Erklärung zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung" zur Unterzeichnung vorgelegt, die das Bündnis aus den Ideen des Sozialethikers Franz Segbers für Krefeld abgeleitet hatte.

Darin erklären die Unterzeichner unter anderem, sich für die Armutsbekämpfung einzusetzen und sich mit Gesetzesvorhaben kritisch auseinanderzusetzen, die zu einer Zunahme von Armut führen könnten. "Wir wollen - besonders bei Politikern - ein Bewusstsein für den Zusammenhang von Armut und Reichtum und die Konsequenzen politischer Entscheidungen schaffen", erklärte Ulrich Knur, Sprecher des Sozialbündnisses. Man wolle den Politikern mehr als die üblichen "Wahlkampf-Slogans" entlocken und den Dialog mit Betroffenen nahelegen, sagte er.

Klaus Churt vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte die Dringlichkeit des Themas für Krefeld: "Die Armut ist auf einigen Straßen - wie der Philadelphiastraße - offen sichtbar, die Gath ist wie eine unsichtbare Grenze zwischen arm und reich", sagte Churt, der einen Grund für diese Entwicklung in der Zunahme von Zeitarbeit und Minijobs sieht.

Die Reaktionen der Politiker fielen gemischt aus. Ulle Schauws und Susanne Badra (Grüne) unterzeichneten ebenso wie Manfred Büddemann und Heiner Bäther (Die Linke), Carsten Bullert (Die Partei) und Jochen Lobnig (Piraten). Von den CDU-Politikern Kerstin Radomski und Ansgar Heveling gab es hingegen - trotz persönlicher Übergabe und mehreren Kontaktversuchen - keine Reaktion auf die Erklärung.

Die FDP Kandidaten, Florian Ott und Otto Fricke, lehnten eine Unterzeichnung ebenso ab, wie die Kandidatinnen der SPD, Nicole Specker und Elke Buttkereit. In einem Schreiben begründete die FDP die Absage ihrer Kandidaten damit, dass - obwohl sie sich gegen Armut einsetzten - die Erklärung den beiden Politikern "zu pauschal" sei. Specker und Buttkereit bekundeten Gesprächsbereitschaft und eine inhaltliche Übereinstimmung. Specker verwies aber auf ihre verfassungstechnische Befreiung von Aufträgen und Weisungen als Abgeordnete, während sich Buttkereit dem "eigenen Gewissen hinreichend verpflichtet" sehe.

Für Knur ist diese Haltung "nicht nachvollziehbar". Es gebe von Seiten des Sozialbündnisses auch keine Absicht, mit der Erklärung den Abgeordneten Weisungen zu erteilen. Die Erklärung habe eher eine Appell-Funktion, pflichtete ihm Churt bei. Geyn wiederum forderte Politiker auf, "öffentlich Stellung zu beziehen" zum Thema Armut und ihre Strategien zur Bekämpfung offen zu legen.

Die Alternative für Deutschland hatte die Erklärung des Sozialbündnisses nicht erhalten. Greyn verwies auf die grundlegend ablehnende Haltung des Bündnisses gegenüber der AFD.

(RP)
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