Krefeld Sozialer Arbeitsmarkt: Chance für Krefeld?

Krefeld · Schluss mit weiter so: Die Langzeitarbeitslosigkeit in der Stadt Krefeld ist ein Dauerthema. Die bisherigen Versuche, daran etwas zu ändern, sind gescheitert. Mehr als 14.000 Menschen sind in Krefeld im dauernden Leistungsbezug beim Jobcenter. Der ökumenische Verein Arbeitslosenzentrum sieht in der Wiederauflage eines Sozialen Arbeitsmarktes eine Chance, Betroffene wieder in Lohn und Brot zu bringen. Am 14. September diskutieren sie in der Fabrik Heeder mit Bundestagskandidaten.

 Elisabeth Brack von der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) Diözese Aachen, Jürgen Sokoll und Hans-Jürgen Vössing vom ökumenischen Verein Arbeitslosenzentrum Krefeld-Meerbusch.

Elisabeth Brack von der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) Diözese Aachen, Jürgen Sokoll und Hans-Jürgen Vössing vom ökumenischen Verein Arbeitslosenzentrum Krefeld-Meerbusch.

Foto: Thomas Lammertz

Sie sind ganz nah dran: Peter Sokoll und Hans-Jürgen Vössing vom Verein Arbeitslosenzentrum (ALZ) am Westwall und Elisabeth Brack von der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) Diözese Aachen. Ihr beruflicher und ehrenamtlicher Alltag zeigt, dass Betroffene, Wirtschaft, Behörden und Politik beim Thema Langzeitarbeitslosigkeit in Krefeld keinen Schritt vorankommen. Die Zahl derer, die jahrelang keine neue Beschäftigung finden, sei in der Seidenstadt immens hoch, sagte Sokoll. Mehr als 14.000 Männer und Frauen befänden sich im Dauerbezug von Leistungen des Jobcenters - Tendenz steigend.

 Elke Buttkereit (SPD)

Elke Buttkereit (SPD)

Foto: Dieker

Der ökumenische Verein ALZ und die Mitstreiter von der KAB sowie der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt Niederrhein (KDA) wollen der Problematik offensiv begegnen. "Erwerbsarbeit ist ein Menschenrecht", betonte Elisabeth Brack. Die Klientel sei stigmatisiert, ohne Selbstbewusstsein und täglich mit Vorurteilen konfrontiert, sagte sie. Einmal seien sie zu faul, ein anderes Mal zu dumm. "Sie genießen keine Wertschätzung als Arbeitnehmer und keine als Mensch", beschreibt sie die Folgen gesellschaftlicher Ächtung.

 Florian Ott (FDP)

Florian Ott (FDP)

Foto: Thomas Lammertz

Der große überwiegende Teil der Langzeitarbeitslosen wolle arbeiten und sei dazu auch in der Lage. "Wer nach 30 Jahren in einer Gießerei in Krefeld im Alter von 50 Jahren seinen Job verliert, der hat es doppelt schwer", informierte Vössing, stellvertretender Vorsitzender des ALZ, deren drei hauptamtliche Mitarbeiter seit mehr als 30 Jahren beratend und begleitend tätig seien. Im vergangenen Jahr waren es am Westwall 2609 Beratungen und rund 160 Begleitungen bei Behördengängen (Agentur für Arbeit und Jobcenter) gewesen.

Der Arbeitslose aus der Gießerei sei für viele bereits zu alt für den ersten Arbeitsmarkt und verfüge außerdem über Qualifikationen, die nicht mehr benötigt würden. Bildung, Weiterbildung, Qualifikation seien im beginnenden Zeitalter der Digitalisierung Wege für die Betroffenen, um wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. "Wir sehen in einem Sozialen Arbeitsmarkt eine Möglichkeit, unser Klientel schrittweise heranzuführen", sagte Sokoll.

Unter der Überschrift "Sozialer Arbeitsmarkt - Arbeit statt Erwerbslosigkeit finanzieren" laden ALZ und Mitstreiter für Donnerstag, 14. September, ab 18 Uhr zu einer Podiumsdiskussion in den großen Saal der Fabrik Heeder an der Virchowstraße 130. Lena Becher vom Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung an der Hochschule Koblenz hält einen Impulsvortrag, ehe Kandidaten für die Bundestagswahl diskutieren. Eingeladen sind Elke Buttkereit (SPD), Kerstin Radomski (CDU), Ulle Schauws (Die Grünen), Manfred Büddemann (Die Linke) und Florian Ott (FDP). Moderiert wird der Abend von Dieter Zisensis vom KDA.

Sokoll spricht von Förderketten, um Langzeitarbeitslose beruflich voranzubringen. Es gebe imponierende Beispiele aus der Vergangenheit, bei denen so genannte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nachhaltig Erfolg für die Gesellschaft erbracht hätten. Der Landschaftspark Nord in Duisburg sei ebenso ein solches Vorzeigeprojekt wie die Niederrhein-Route für Radfahrer. "Man muss schon eine Menge Geld in die Hand nehmen", sagte Sokoll. Dass dies nicht aus der Arbeitslosenversicherung zu finanzieren sei, sondern nach Steuergeldern verlange, sei für ihn klar. In einem offenen Dialog mit Vertretern der Stadt, der Politik, Gewerkschaften, Wirtschaft sowie Industrie- und Handelskammer soll nach einem "Krefelder Weg" gesucht werden. Bei bundesweiten Modellversuchen der Agentur für Arbeit soll Krefeld unbedingt dabei sein. Das bedürfe einer guten Vorbereitung, betonte Vössing.

"Die Gruppen derjenigen, die vom Aufschwung abgekoppelt sind, verfestigt sich", schreibt ALZ-Vorsitzender Werner Fleuren im Jahresbericht 2016. Das bereite ihm Sorge, werde doch dadurch ein "Bodensatz zur Radikalisierung und Demokratiefeindlichkeit" gelegt.

(sti)
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