Boxen "Boxen ist Realität, nicht bloß ein Spiel"

Boxen · Mit ihrem Blitz-K.o. am Samstag hat sich Derya Saki für einen Kampf um die WM-Krone im Leichtgewicht empfohlen. Die Krefelder Profiboxerin hat den Gürtel zumindest schon einmal in ihren Händen gehalten.

Das Objekt der Begierde sieht so aus, als hätten kleine Mädchen Spaß daran. Es wiegt knapp ein Kilo, es ist weiß, es sind viele glitzernde Goldstückchen darauf, außerdem funkeln rote und blaue Glitzerperlen zwischen den kunstvollen goldenen Verzierungen. Und das beste: Man kann es anziehen. Was klingt wie das neueste Sammelobjekt eines Modepüppchens, ist in Wahrheit das Symbol für etwas, wo man sich alles andere als kleinmädchenhaft verhalten muss, um es zu bekommen: Es ist ein Gürtel. Ein Weltmeisterschaftsgürtel.

Den bekommt derjenige, der der beste Boxer in seiner Gewichtsklasse ist, der Weltmeister eben. "GBC" steht darauf, das ist die Abkürzung für Global Boxing Council, einer der weltweiten Boxverbände mit Sitz in Panama. Derya Saki hat den Gürtel am vergangenen Wochenende schon einmal in Augenschein genommen, sich ausgeliehen und in den Händen gehalten. Und gedacht: "Das Ding will ich haben."

Seit sieben Jahren steigt die 24-Jährige in den Boxring, der gar keiner ist, sondern ein Quadrat mit Seitenlängen von 4,88 bis 7,32 Metern (16 bis 28 Fuß) und eingefasst wird von drei oder vier Seilen, dessen oberstes in einer Höhe von 1,30 bzw. 1,35 Metern Höhe hängt. Das Wort "Ring" in Boxring kommt übrigens von dem Ring/Kreis, den die Schaulustigen um die Kämpfer bilden, und existiert in dieser Bedeutung im Englischen seit dem 14. Jahrhundert. Aber das nur am Rande.

Derya Sakis liebster Boxring steht in Krefeld, und zwar im South Side Boxing Gym an der Tannenstraße. Dort trainiert sie, unter Coach Manfred "Manni" Faber. Seit drei Jahren besitzt die Krefelderin, Kampfname "Sugar", die Lizenz als Profiboxerin. "Ich musste damals Profi werden, weil ich als Amateur keine Gegner mehr gefunden habe", erzählt die Studentin (Studiengang Textilmanagement), die im sechsten Semester ist und bald ein fünf-monatiges Praktikum macht, um sich anschließend ihrer Bachelor-Arbeit zu widmen. Gestern hat sie an der Hochschule Niederrhein eine Klausur geschrieben. Wie's dabei lief? "Naja, geht so", sagt sie.

Sechs Kämpfe hat Derya Saki als Profi bestritten, allesamt gewonnen, drei davon vorzeitig durch Knock out. Ihr jüngstes Opfer wurde Pavla Votanova, 27 Jahre, aus Prag. Keine zwei Minuten hielt es die Tschechin im Ring der Müggelspreehalle Hangelsberg in der Nähe von Berlin aus. Dann beendete Derya Saki mit einem Hagel von Schlägen den unorthodoxen Kampfstil ihrer drei Jahre älteren Gegnerin. Ringrichter Erich Stümpl hatte ein Einsehen mit ihrer Gegnerin und brach den Kampf zu Gunsten der Krefelderin ab — aufgrund der haushohen Überlegenheit von Derya Saki. Technischer K.o. heißt dies in der Fachsprache.

Für ihren Traum schwitzt die 24-Jährige nahezu täglich im Gym an der Tannenstraße. Fünf Mal pro Woche steht Training an, immer zweieinhalb bis drei Stunden. Auch gestern. Zwei Tage lagen da zwischen ihrem letzten Kampf, der Siegesfeier mit Lammfleisch und Tomaten beim Nobeltürken in Berlin-Kreuzberg und dem ersten Training. "Wir fangen mit der Vorbereitung auf den nächsten Kampf an", erzählt sie. Grundlagentraining steht nun erst einmal an, Verbesserung von Schnelligkeit und Schnellkraft, daneben noch Krafttraining. "Boxen ist auch ein Kampf mit sich selbst", sagt Saki. "Du musst immer an deine Grenzen gehen, von jedem Tag aufs Neue." Und sie auch manchmal überwinden.

Das fängt schon beim Sparring an. Normalerweise trainiert sie mit den Jungs aus dem Gym, das sind vor allem Alex Schiller und Jonas Hackenberg. Die schlagen härter als ihre Gegnerinnen. So manches Mal ist das Auge blau oder die Nase blutig. "Boxen kannst du halt nicht spielen, sondern das ist einfach die Realität. Dein Gegenüber will dich genauso treffen wie du ihn. Und dass es ab und zu weh tut, daran habe ich mich gewöhnt", sagt sie achselzuckend. "Mit der Zeit härtest du ab. Im Grunde sieht das Auge ja aus, als wäre es geschminkt."

Aber auch weibliche Trainingspartner bekommt sie vor die Fäuste - und das sind durchaus Hochkaräter. Maike Klüners aus Düsseldorf zum Beispiel, die zweifache deutsche Meisterin bei den Amateuren. Oder Goda Dailydaite, die Gegnerin von Ina Menzer in deren letztem Profi-Kampf war - die Mönchengladbacherin holte sich nach Punkten dort ihren verlorenen WM-Gürtel zurück. Dailydaite, die gebürtige Litauerin, studiert in Duisburg, so dass der Weg nach Krefeld kurz ist.

Der überzeugende Sieg nun hat Derya Saki ihrem Traum vom glitzernden Gürtel ein kleines Stückchen näher gebracht. Wie unsere Zeitung exklusiv berichtete, hat ihr GBC-Präsident Mario Pokowietz einen Kampf um die Weltmeisterschaft im Leichtgewicht, also in der Kategorie bis 60 Kilogramm, in Aussicht gestellt. "Das wäre mein Traum. Und wenn ich diese Chance bekomme, dann will ich sie auch nutzen", sagt Derya Saki. Wann es soweit ist, wer ihre Gegnerin ist und wo der Kampf steigt, das alles steht noch in den Sternen. "Das kann schnell gehen, aber auch noch dauern", sagt ihr Trainer Manni Faber.

Gestern hat er mit Pokowietz telefoniert, der GBC-Boss erwägt sogar, den Kampf um die Box-Krone wenn möglich in Krefeld austragen zu lassen. "Am liebsten wäre mir die Halle der Rinder-Union", sagt Manni Faber. "Die wäre von der Zuschauerkapazität und ihrer Beschaffenheit genau richtig. Nur in Sachen Umkleiden und Duschen müssten wir uns noch etwas überlegen." Er rechnet damit, in gut zwei Wochen Bescheid und Besuch zu bekommen - zur Inspektion von möglichen Kampfstätten. Klappt der Deal, dann könnte sich Derya Saki zwei Träume auf einmal erfüllen: sich den WM-Gürtel nicht nur zu leihen, sondern ihn auch zu behalten - und das auch noch in ihrer Heimatstadt.

(RP)
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