Lokalsport Die Stimme der Fußball-Stars

Fußball · Stéphane Gödde ist Fußball-Dolmetscher. Er ist beim Champions-League-Spiel gegen Sevilla zum siebten Mal im Borussia-Park.

 Die Stimme aus dem Hintergrund: Stéphane Gödde (rechts) arbeitet als Dolmetscher bei Borussias Pressekonferenzen in der Champions League. So hat er auch schon mal die Aussagen Ibrahima Traorés übersetzt.

Die Stimme aus dem Hintergrund: Stéphane Gödde (rechts) arbeitet als Dolmetscher bei Borussias Pressekonferenzen in der Champions League. So hat er auch schon mal die Aussagen Ibrahima Traorés übersetzt.

Foto: Dirk Päffgen

Stéphane Gödde hat gestern wieder vielen Menschen seine Stimme geliehen. André Schubert zum Beispiel, dem Trainer von Borussia Mönchengladbach. Und Julian Korb, Gladbachs Verteidiger. Oder Unai Emery, dem Coach des FC Sevilla. Und auch einem Spieler der Andalusier, der ebenfalls zur Pressekonferenz vor dem Champions-League-Spiel zwischen Gladbach und Sevilla kommen wird. Gödde, 35, ist Diplomdolmetscher und übersetzt hin und her, was die Stars sagen.

Gödde, der einen deutschen Vater und eine französische Mutter hat und daher zweisprachig aufgewachsen ist, übersetzt neben Deutsch und Französisch auch Spanisch und Italienisch. Er arbeitet als freier Dolmetscher, sein Haupt-Auftraggeber ist aber die Agentur "Clark Football Languages" aus London, die vom DFB und den Bundesligaklubs für Übersetzer-Tätigkeiten gern gebucht wird: bei Länderspielen, internationalen Partien, aber auch zu anderen Anlässen, wenn zum Beispiel ausländische Spieler oder Trainer geholt werden. So war Gödde bei der Vorstellung von Bayerns Trainer Pep Guardiola dabei.

Am 13. November war Gödde auch in Paris. Für das Spiel Frankreich gegen Deutschland war er, der beide Staatsbürgerschaften hat, als Dolmetscher prädestiniert. "Ich habe mich sehr auf diesen Auftrag gefreut", sagt Gödde. Bis zum Anpfiff lief der Job auch ganz normal, er dolmetschte bei den Pressekonferenzen beider Teams. Dann kam der Terror, und es wurde eine Nacht der Angst, für ihn und alle anderen. Eine andere Grenzerfahrung, die sein Job mit sich brachte: Gödde betreute die Familie des Wolfsburgers Junior Malanda nach dessen tödlichem Autounfall und half, die sprachlichen Barrieren bei der Erledigung aller Formalitäten zu überwinden.

Im Borussia-Park ist Gödde nun zum siebten Mal. Einmal war er für den DFB da, das war beim Länderspiel Deutschland gegen Kamerun 2014. Sein Debüt gab er beim Europa-League-Spiel gegen Olympique Marseille 2012. Es folgten die Spiele gegen Lazio Rom, den FC Villarreal, das erste Mal Sevilla und zuletzt Juventus Turin. Nun ist es erneut Sevilla. Es ist nicht so, dass Gödde, der im Sauerland aufgewachsen ist und nun in Frankfurt wohnt, Gladbach-Fan ist. Sein Klub ist AS St. Etienne in Frankreich, dort ist die Heimat seiner Mutter. "Aber Borussia ist ein besonderer Verein, ich bin immer gern da", sagt Gödde. Darum hat er sich bei der Auslosung auch gefreut - "es fehlte ja nur ein Team aus Frankreich in der Gruppe", sagt Gödde. Bei Borussias Spiel gegen Manchester City war sein Chef Peter Clark da, der ist Brite.

Für Clark ging an diesem Tag ein Traum in Erfüllung. Da sein Vater als Soldat in Deutschland stationiert war, ist er nicht nur zweisprachig aufgewachsen, sondern, auch wenn die Familie in Heidelberg lebte, großer Gladbach-Fan. Und nun konnte er "seinen" Herzensklub beruflich betreuen. Das wesentliche Dolmetscher-Prinzip bei "Football Languages" hat Clark klar formuliert: "Die Muttersprache ist Fußball, egal in welcher Sprache." Das bedeutet: Nur wer das Spiel kennt und versteht, der kann auch wiedergeben, was Trainer und Spieler sagen. "Wenn ich nicht weiß, was eine Doppelsechs oder eine falsche Neun ist, bin ich im Fußball nicht richtig", sagt Gödde.

Weswegen er immer auch ein Ohr am Puls der Zeit der Fußballszene hat. "Er kennt auch die Nummer 25 jedes Teams", hat Borussias Medienchef Markus Aretz festgestellt. "Stéphane ist ein ausgezeichneter Dolmetscher. Nicht nur wegen der Sprachkenntnisse, sondern auch wegen seines Fußball-Knowhows", sagt Aretz. Bei Borussias Europareisen hatte er Vergleichsfälle. "Da war das Niveau ein anderes", sagt Aretz. Während die Stars sprechen, macht sich Gödde eifrig Notizen. "Ich will das, was gesagt wird, möglichst eins zu eins wiedergeben, wenn ich etwas weglasse, ist es ja meine subjektive Auswahl, das wäre nicht in Ordnung", sagt er. Bei seinem Debüt in Gladbach stand er unter besonderer Beobachtung: "Lucien Favres Muttersprache ist ja Französisch. Er hat ganz genau hingehört, was ich übersetzte", erinnert sich Gödde. Favre war angetan, von der Genauigkeit der Wiedergabe. "Er ist gut", flüsterte der Schweizer Markus Aretz zu. Der Trainerwechsel hat auch für Gödde eine Veränderung gebracht. "Bei Lucien Favre wusste man recht gut, was kommt bei bestimmten Fragen. Bei André Schubert ist das schon anders. Und man merkt bei seiner Wortwahl auch, dass er nicht nur studierter Sportlehrer, sondern auch Germanist ist", sagt Gödde. Er will nicht nur inhaltlich wiedergeben, was die Fußball-Menschen sagen, sondern auch ihre Sprach-Persönlichkeit inklusive Wortspielen, Ironie und sonstigen Besonderheiten. Er fühlt dann quasi in die Sprechrolle hinein, nicht nur sportlich. "Wenn man Jürgen Klopp gedolmetscht hat, hat man das nötige Stahlbad hinter sich", sagt Gödde.

Fußball gespielt hat er früher auch. Bei Blau-Weiß Geseke. "Aber das Talent hat nur zur Jugend-Bezirksliga gereicht. In meinem Job habe ich aber jetzt meine Leidenschaften Fußball und Sprachen verbunden", sagt Gödde. Als Stimme der Fußball-Stars spielt er in den Höhenlagen des Fußballs mit. "Ich freue mich auf das Spiel und hoffe natürlich, dass Borussia international überwintert", sagt er.

Dann wäre auch eine Konstellation möglich, die Stéphane Gödde sehr gefallen würde: "St. Etienne gegen Gladbach, das wäre natürlich was", sagt er. Möglich wäre die Konstellation tatsächlich - wenn Borussia als Tabellen-Dritte ihrer Champions-League-Gruppe in die Zwischenrunde der Europa League einzieht und die Franzosen die Gruppenphase in der Europa League überstehen. "Natürlich ist man als Dolmetscher objektiv. Trotzdem darf man zu den deutschen Teams halten", sagt Gödde.

(RP)
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