Lokalsport Gewalt gegen Schiedsrichter - eine ernüchternde Bilanz

Fußball · Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat jetzt einen Bericht veröffentlicht, nach dem es bei weniger als 0,8 Prozent aller Spiele zu Gewalt- oder Diskriminierungsvorfällen im Amateurfußball kommen würde. Tenor war, dass es alles gar nicht so schlimm wäre, obwohl jeder Einzelfall natürlich einer zu viel sei.

 Thomas Kirches plädiert für einen fairen Umgang mit Schiedsrichtern.

Thomas Kirches plädiert für einen fairen Umgang mit Schiedsrichtern.

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Trotzdem würden Einzeltaten in den Medien aufgebauscht und dadurch ein anderes Bild zeichnen als es - aus Sicht des DFB - tatsächlich wäre. Dem widerspricht Thomas Kirches, Mitglied der Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Gewalt gegen Schiedsrichter im Fußballkreis 6 Kempen/Krefeld, jetzt mit Blick auf die zurückgelegte Hinrunde massiv.

"Es gab massive Gewaltausbrüche wie etwa einen heftigen Faustschlag in den Nacken eines Schiedsrichters, nachdem dieser kurz vor Schluss ein Tor gegeben hatte. Der Täter, der erst wenige Minuten zuvor eingewechselt worden war, musste von Mitspielern dann noch von weiteren Attacken abgehalten werden. In diversen Spielen konnten ausrastende Spieler von Ordnern oder Mitspielern gerade noch zurückgehalten werden. Trotzdem wurden Schiedsrichter bei Fußballspielen in unserem Kreis seit Saisonbeginn gestoßen, gerempelt, bekamen aus 2m Entfernung den Ball heftig ins Gesicht geschossen oder auch direkt einen Kopfstoß", schildert Kirches.

Weiterhin hätten Schiedsrichter versuchtes Schlagen, Spuckattacken, wüste Drohungen bis hin zu Bestechungs- und Rassismusvorwürfen und schwerste Beleidigungen, die nicht druckfähig sind, erleiden müssen. "Welche Vorstellung von Respekt gegenüber Mitmenschen geht in Zuschauern vor, die sich sonntags ein Fußballspiel ansehen und dann einem Schiedsrichter ins Gesicht spucken?", fragt sich Kirches und schildert einen weiteren Vorfall: "Ein Spieler mit Migrationshintergrund hat einen Schiedsrichter beim Verlassen des Platzes angeschrien, nachdem dieser ihm die Gelb/Rote-Karte gezeigt und wegen massiver Drohungen das Spiel abgebrochen hatte: ,Jetzt kannst Du bei Deinen Nazifreunden am Biertisch prahlen, dass du den Türken die Schuld für den Spielabbruch in die Schuhe schieben kannst.' Was geht nur in solchen Leuten vor?"

Nun reagiert die Spruchkammer des Fußballkreises Kempen-Krefeld konsequent und spricht deutliche Strafen gegen Täter aus, um auch eine abschreckende Wirkung zu erzielen und Schiedsrichter somit künftig vor solchen Ausbrüchen möglichst zu schützen. "Dies kann aber nicht der alleinige Weg sein. Damit der Schiedsrichter als Sportler und Bestandteil eines Fußballspiels anerkannt wird, sind, neben den Schiedsrichtern selber, Vereine, Kreisvorstand, Spieler, Trainer, Eltern und Zuschauer gefordert", sagt Kirches.

Es sei falsch zu glauben, dass sich diese Geschehnisse nur auf den Seniorenbereich begrenzen ließen. Ein Teil der vorgenannten Schilderungen stamme aus Mädchen-, Frauen oder Juniorenspielen. Daher, so Kirches, handle es sich um ein generelles Problem im Amateurfußball, das sich nicht auf Spielklassen, Alter oder Geschlecht beschränken lasse und das es schleunigst zu beenden gelte. "Im Juniorenbereich beginnt dies bei den Eltern, die ihre Kinder immer öfter in Fußballvereinen regelrecht abgeben, damit dort dem Nachwuchs nicht nur das Fußballspielen beigebracht wird, sondern bestenfalls auch noch ein Teil der Erziehung übernommen wird. Hier sind die Vereine und Trainer überfordert und brauchen Unterstützung und Hilfe. Vereine brauchen zudem einen Ansprechpartner, der in der Ohnmachtssituation hilft, wenn ein eigener Spieler einen Schiedsrichter attackiert hat", fordert Kirches. "Wenn man sich vor Augen führt, dass jeder Schiedsrichter wie auch jeder Spieler in jedem Spiel Fehler macht und dass dies nicht auf Absicht, Vorurteile oder sonst etwas zurückzuführen ist, sondern einfach zum Fußball dazugehört, haben wir schon viel gewonnen. Dann bleibt das Hobby des Schiedsrichter auch künftig eine wunderschöne Freizeitbeschäftigung."

(oli)
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