Lokalsport Jürgen Hingsen: Seit 31 Jahren Rekordhalter

Leichtathletik · Heute beginnt die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Peking. Der Uerdinger hält seit 1984 den deutschen Zehnkampf-Rekord.

Es ist der 28.September 1988, Olympische Spiele in Seoul. Der Zehnkampf beginnt mit dem 100m-Lauf. Ganz Deutschland blickt gespannt auf die Goldhoffnung, Jürgen Hingsen vom SC Bayer Uerdingen. Der Startschuss fällt. Fehlstart Hingsen. Zweiter Start: wieder ein Fehlstart. Diesmal trifft es einen Konkurrenten. Auch beim dritten und vierten Start kommt er zu früh aus den Startblöcken - und wird disqualifiziert. Aus der Traum vom Gold. Jürgen Hingsen erlebt den bittersten Moment seiner sportlichen Laufbahn. Am liebsten würde er sich nach dieser Fehlstart-Orgie in der Tartanbahn vergraben. "Ich bin zum "Depp der Nation" geworden", sagte er damals. Noch heute wird er auf diesen Moment angesprochen.

Es wäre unfair, wenn man bei Jürgen Hingsen nur an diesen einen bitteren Moment denkt. Unvergessen sind seine Duelle mit seinem ewigen britischen Kontrahenten Daley Thompson. Die Zweikämpfe der Dauerrivalen hielten die Fans in Atem. Er konnte ihn nie besiegen. Nicht nur sportlich bekämpften sie sich. Thompson verunsicherte Hingsen mit Blickkontakten, abfälligen Handbewegungen oder Ignoranz. "Hollywood-Hingsen" wurde er, der deutsche "Herkules", von Thompson genannt. Heute verbindet ihn mit Thompson eine enge Freundschaft.

Der Makel des ewigen Zweiten hängt ihm an, einem der besten Zehnkämpfer der Welt. Seine am 8./9. Juni 1984 in Mannheim erreichte Punktzahl von 8832 ist immer noch Deutscher Rekord. 31 Jahre lang ist es keinem deutschen Zehnkämpfer gelungen, diese Marke zu überbieten. Er steht damit auf Platz sechs der ewigen Weltbestenliste. "Aktuell sehe ich nur Michael Schrader, der diesen Rekord knacken könnte. Leider hat er aber auch schon ein gewisses Alter erreicht und ist verletzungsanfällig", sagt Hingsen über den ehemaligen Uerdinger.

Der gebürtige Duisburger Jürgen Hingsen absolvierte nach der Schule eine kaufmännische Ausbildung. 1976 begann seine Karriere als Athlet bei der Sportabteilung von Bayer Uerdingen. Er kam von Eintracht Duisburg, in erster Linie, weil in Uerdingen die Trainingsbedingungen besser waren, der Hauptsponsor ein Metzger war und Bayer ihm einen alten Opel Kadett zur Verfügung stellte. Hier arbeitete er mit dem Leiter der Sportabteilung, Norbert Pixken, zusammen. Dieser nahm ihn als 18-Jährigen unter seine Fittiche. Am Löschenhofweg legten sie die Grundlagen für eine beispiellose Karriere. Die Experten wussten damals schon, dass aus diesem Modellathleten mal ein ganz Großer werden wird. Im Juni 1989 erklärte er seinen Rücktritt vom Leistungssport.

Heute, mit 57, setzt sich Jürgen Hingsen als Botschafter und Repräsentant für Kinder-und Jugendprojekte ein und hält Vorträge über Motivation, Leidenschaft, Fairness und Nachhaltigkeit. Er bezeichnet sich als Berater, Impulsgeber, Konzeptionär und Netzwerker und betreibt eine Firma für erneuerbare Energien. Die heute beginnende Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Peking verfolgt er am Bildschirm. Am Freitag kommen sicher wieder die Erinnerungen hoch. Dann beginnt der Zehnkampfwettbewerb. "Michael Schrader traue ich eine Medaille zu", sagt er. Seine Fans können ihn vielleicht am 7.November beim "Krefelder Ball des Sports" begrüßen, zu dem er eingeladen ist. Dass er tanzen kann, hat er ja schon in der TV-Sendung "Let´s Dance" unter Beweis gestellt.

(RP)
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