Krefeld Spur des Jahres: Nr. 87 führte zum Erfolg

Krefeld · 15 Kunststoffstücke brachten die Ermittler auf die Spur eines Unfallflüchtigen, der am 3. September mit einem Auto eine 80-Jährige angefahren hatte.

Es ist diese Szene, die sich in den Kopf von Peter Kallweit eingebrannt hat. Immer wieder hat der Krefelder Hauptkommissar den entscheidenden Moment des Unfalls vom 3. September vor Augen - den er eigentlich "nur" aus der Aktenlage kennt. Doch das Papier beschreibt schonungslos offen genau das, was an besagtem Sonntag auf der Hauptstraße geschah: Es ist 11.55 Uhr als eine 80-Jährige dort einen Fußgängerüberweg im Kreuzungsbereich Untergath betritt. Die Ampel für die Seniorin zeigt Grün. Es sind nur wenige Schritte, die sie auf der Straße macht - erinnern kann sie sich heute an nichts mehr.

Doch die Polizei kennt den Ablauf: Ein abbiegender Pkw fährt in den Kreuzungsbereich, schneidet einen anderen Wagen und erfasst die Seniorin mit dem vorderen rechten Kotflügel. Die Frau überschlägt sich mehrfach in der Luft, prallt mit dem Kopf auf den Asphalt und bleibt schwer verletzt liegen. Laut einer Zeugenaussage zucken die Bremslichter des Unfallwagens kurz auf, dann gibt der Fahrer Gas und verschwindet Richtung Autobahn. "Verwerflich und widerlich", sagt Kallweit.

Eine Minute nach dem Unfall ist der erste Einsatzwagen der Polizei vor Ort, die Beamten beginnen mit der Erstversorgung der Verletzten. Kurze Zeit später treffen Kallweit und sein Team ein. Spuren werden gesichert und das Ende des Fadens gesucht, um den Ermittlungsprozess in Gang zu setzen. Lediglich 15 durchsichtige Kunststoffstücke, die zum Unfallwagen gehörten, hat Kallweit. Zusammen ergeben sie ein 20 mal 30 Zentimeter großes Plastikteil. Orangefarben soll besagtes Auto gewesen sein, das sagen die Zeugen.

Die Fleißarbeit beginnt. Mit den Bruchstücken klappern die Ermittler sämtliche Autohändler der Stadt ab. Doch keiner kann helfen. Parallel läuft eine Anfrage beim Kraftfahrtbundesamt. Das meldet mehr als 1000 orangefarbene Kleinwagen in Krefeld und Umgebung. Ein Beamter hat den richtigen Blick und gibt den entscheidenden Hinweis. Die Schweinwerferabdeckung eines Renault Twingo sieht dem Kunststoffstück täuschend ähnlich. Kurze Zeit später wird aus der Vermutung Gewissheit. "Damit hatten wir den Fahrzeugtyp und endlich die ersehnte heiße Spur", so Kallweit. Gesucht wird ein Twingo, Baujahr 2007 bis 2012. Insgesamt 120 orangefarbene Exemplare sind zwischen Emmerich und Dormagen sowie Düsseldorf und der niederländischen Grenze gemeldet. Die Fahnder fangen an, die Halteradressen - ohne Voranmeldung - abzufahren. Eine Twingo-Besitzerin lebt in Moers. Die junge Frau weiß nicht, dass sie die "Spur 87" der Polizei ist, als die Einsatzkräfte an ihrer Tür schellen, vor der der beschädigte Twingo steht. Dann geht alles schnell. Die Frau gibt an, dass ihr Lebensgefährte das Auto zum fraglichen Zeitpunkt genutzt hat. Noch am selben Abend treffen Einsatzkräfte den 28-Jährigen in seiner Wohnung an. Er ist verblüfft, gibt die Tat zu. Die 80-jährige Frau ist zu diesem Zeitpunkt noch im Krankenhaus, aber außer Lebensgefahr.

(jon)
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