"Domian redet" in Krefeld Standing Ovations für Domian in der Kufa

Krefeld · 22 Jahre lang war Jürgen Domian der Mann, der nachts zuhörte, und so schrieb er Radio- und Fernsehgeschichte. Nach dem Ende seiner Sendung ist er nun auf Abschiedstournee. In der Kufa war er an zwei Abenden zu Gast - immer vor ausverkauftem Haus.

 Der ehemalige Radio-Talker Jürgen Domian.

Der ehemalige Radio-Talker Jürgen Domian.

Foto: dpa

Jürgen Domian hat eine riesengroße Fan-Gemeinde - auch in Krefeld: An zwei Abenden hintereinander war der große Saal der Kulturfabrik ausverkauft. Viele waren gekommen, um zu hören, was er zu sagen hatte.

Nach fast 22 Jahren schloss sich Ende vergangenen Jahres ein Kapitel Radio- und Fernsehgeschichte. Am 16. Dezember wurde die letzte Sendung "Domian" ausgestrahlt, aber so einfach verschwinden, das liegt dem Kult-Talker nicht. Zurzeit tourt er mit "Domian redet" durch Nordrhein-Westfalen und blickt zurück auf die Sendung, die sein Leben geprägt hat.

In der Kufa wurde der Abend durch den 1Live-Moderator Mike Litt moderiert. Die erste Frage war die nach dem Abschied von der Sendung. Domian berichtete: "Vom Interesse her hätte ich die Sendung noch zehn Jahre lang gemacht, aber ich war mit meinen Kräften und auch gesundheitlich am Limit. Ich vermisse die Sendung und die vielen intensiven Gespräche. Auf der anderen Seite ist es gut, dass ich nicht mehr nachts arbeite."

Pläne für neue Projekte hat er: "Ja, es tickt schon ein bisschen in mir." Zunächst stehe ein Buchprojekt auf dem Plan, ein Roman mit dem Titel "Dämonen". Bis zur Buchmesse im Herbst soll dieser abgeschlossen sein. Und: Im deutschen Fernsehen fehle eine Talk-Show, in der nicht "Promis", sondern "no-names" zu Wort kämen. "Aber konkret geplant habe ich noch nichts."

Bleibt also der Blick zurück auf 22 Jahre Nachtgespräch mit bisweilen skurrilen Anrufern. In seiner Sendung wurde Mitte der 90er Jahre zum ersten Mal öffentlich ein "One-Night-Stand" thematisiert: "Das war damals schon ungewöhnlich - aber harmlos gegen das, was dann kam". Da gab es wissendes Gekicher und Gemurmel im Publikum. Domian erinnerte an den Hackfleisch-Mann und an das Gespräch mit der 73-jährigen Lydia, die im Wald ihre erotische Erfüllung fand.

"Die schwierigsten Gespräche für mich waren die, die ich mit Sterbenden, Todkranken oder Trauernden geführt habe", erzählte Jürgen Domian. Dazu gehörte eine Mutter, deren Kind entführt, missbraucht und ermordet worden war. Sie habe mit niemandem über ihren tiefen Schmerz sprechen können: "Was sagt man so einer Frau? Das ist alles so unfassbar schrecklich und traurig."

Dadurch, dass er zugehört und einfach da gewesen sei, habe er das Gefühl gehabt, etwas stützen und helfen zu können. Und dies über die Jahre bei etwa 25.000 Anrufern. Ja, natürlich habe das auch etwas mit ihm gemacht, erklärte Domian: "Einerseits hoffe ich, dass mein Menschenbild differenzierter geworden ist, aber ich muss auch klar sagen, es ist schlechter geworden, weil ich in so viele Abgründe geschaut habe." Ganz wichtig sei für ihn gewesen, dass er selbst, aber auch etliche Anrufer durch sein Team, dem immer auch ein Psychologe angehört habe, psychologische Hilfe in Anspruch nehmen konnten.

Dass er Menschen mit extremen Ansichten oder Neigungen ein Forum geboten habe, ist ein Vorwurf, der ihn empört: "Solange man mit diesen Menschen noch reden kann, hat man eine Chance, sie im Gespräch zu erreichen; solange muss man doch reden", sagt er entschieden.

In kurzen Videoeinspielungen aus seinen Sendungen wurde noch einmal deutlich, wie respektvoll und einfühlsam Jürgen Domian mit seinen Anrufern sprach; sie und ihr Anliegen immer ernst genommen hat: "Das war mit ein Grund, warum die Menschen so ein Vertrauen zu Dir hatten. Wir, Deine Zuhörer, haben uns immer abgeholt gefühlt von Dir", stellte Mike Litt abschließend fest.

Wie in seiner letzten Fernsehsendung verabschiedete sich Domian mit einer Einspielung von Jeff Buckleys Interpretation des Cohen-Songs "Hallelujah". Das begeisterte Publikum dankte ihm mit standing ovations.

(RP)
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