Krefeld Steht die Wiege moderner chemischer Industrie in Krefeld?

Krefeld · Mit 10.000 Originalfläschchen mit Farbsubstanzen ist die Sammlung der Hochschule Niederrhein aus Krefeld weltweit die größte ihrer Art. Das Bundesforschungsministerium stellt 550.000 Euro bereit, um in einem dreijährigen wissenschaftlichen Projekt mit dem Namen "Weltbunt" die Zusammenhänge von Textilfarbstoffen und den Anfängen der modernen chemischen Industrie zu ergründen.

 Indigo war lange der wichtigste Textilfarbstoff. Über 10.000 Farbstoff-Gebinde aus der Zeit zwischen 1880 und 1950 sind im Besitz der Hochschule Niederrhein.

Indigo war lange der wichtigste Textilfarbstoff. Über 10.000 Farbstoff-Gebinde aus der Zeit zwischen 1880 und 1950 sind im Besitz der Hochschule Niederrhein.

Foto: HSN

Während Krefeld im 19. Jahrhundert zur Hochburg der nationalen Seidenindustrie aufstieg, wurde in Mönchengladbach in zahlreichen Spinnereien und Webereien hauptsächlich Baumwolle verarbeitet. Als es ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gelungen war, Farbstoffe auf Teerbasis synthetisch herzustellen, wurde dadurch für beide Rohstoffe der Grundstein für die moderne chemische Industrie gelegt.

 Prof. Jürgen Schram (sprechend), sowie Karlheinz Wiegmann und Annette Schieck mit Kulturdezernent Dr. Gert Fischer (rechts).

Prof. Jürgen Schram (sprechend), sowie Karlheinz Wiegmann und Annette Schieck mit Kulturdezernent Dr. Gert Fischer (rechts).

Foto: HSN

Zeugnis dieser wichtigen Epoche ist unter anderem die weltweit größte Sammlung von Farbsubstanzen aus den Jahren 1880 bis 1950. Mittwoch stellten die Beteiligten des Forschungsprojekts "Weltbunt" - Vertreter der TH Köln, TU Dresden, des Museums Schloss Rheydt, des Deutsches Textilmuseums in Linn und der Hochschule Niederrhein - das Ziel der wissenschaftlichen Analyse und Forschung vor. Die Aufgabe besteht darin, die chemischen Farbstoffe und ihre Anwendung auf Textilien im ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Zeit des Zweiten Weltkriegs zu untersuchen. Dabei sollen chemie-, textil-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Fragestellungen in den Fokus gestellt werden.

Wichtigster Abnehmer der neuen Farben seinerzeit war die Textilindustrie, wobei das erfolgreiche Einfärben von Seide als Premiumsegment besonders hohe Umsätze versprach. Die Zusammenarbeit der beiden Industriezweige fand ab 1883 in der Krefelder Färberei- und Appreturschule statt, die 1895 an die Adlerstraße zog, wo heute der Fachbereich Chemie der Hochschule Niederrhein untergebracht ist. Dorthin schickten regionale und überregionale Chemieunternehmen die Farbstoffe zu Testzwecken. Denn mindestens so wichtig wie die Entwicklung der Farbstoffe war es, Wege zu finden, um die neuen Farben waschfest auf den Fasern zu fixieren. Daran wurde in Krefeld geforscht, wo im Laufe der Zeit die einzigartige Farbstoffsammlung entstand.

Mit dem erfolgreichen Förderantrag besteht nun erstmals die Möglichkeit, die historische Farbstoffsammlung in Bezug zur Entwicklung der Textil- und Chemischen Industrie und zur Alltags- und Konsumkultur zu setzen. "Das Projekt verbindet moderne Analytik mit wirtschaftshistorischen, gesamtgesellschaftlichen und modegeschichtlichen Fragestellungen. Dabei werden Wechselwirkungen zwischen industrieller Produktion und privatem Konsum sowie dem Einsatz von Farben in Mode und anderen Bereichen des Alltags aufgezeigt und analysiert", sagt Prof. Dr. Jürgen Schram, Professor für instrumentelle Analytik am Fachbereich Chemie. Als Projektleiter erhält er 361.000 Euro Förderung für die Erforschung der chemischen Substanzen und textilen Erzeugnisse aus den Jahren 1860 bis 1930.

Das Deutsche Textilmuseum Krefeld erforscht anhand seiner umfangreichen Modesammlung die Wechselwirkungen zwischen Moden, Farben, Textilien und Konsum. "Die originalen Kleider und Textilien sind Belege für die Anwendung der Farbstoffe im Bereich der Mode und bezeugen, welche Farbnuancen und Farbkombinationen tatsächlich Einzug in die Kleidung gefunden haben", sagt Annette Schieck, Direktorin des Deutschen Textilmuseums Krefeld.

Das CICS als Institut der Technischen Hochschule Köln nimmt die dort aber auch in Krefeld und Mönchengladbach vorhandenen Färbe-Musterbücher der betroffenen Zeiträume in den Fokus. Diese stellen die Schnittstelle zwischen Farbstoff und Textil in der Alltagskultur dar. Neben chemischen Analysen an den Objekten zur Beschreibung und konservatorisch passenden Lagerung werden diese auch als Informationsquellen zur Beschreibung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Farbigkeit und Textilindustrie angesehen.

Die Ergebnisse des Projekts sollen in Publikationen und einer Tagung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in einer temporären Modeausstellung 2019 im Deutschen Textilmuseum Krefeld präsentiert werden. Zudem ist eine Bereitstellung der Ergebnisse sowie der themenbezogenen Objekte in Krefeld, Mönchengladbach, Köln und Dresden in einer allgemein zugänglichen Datenbank Teil des Projektes.

(sti)
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