Sturmunfall in Krefeld Zeugen überlassen Opfer sich selbst – machen aber Handyfotos

Krefeld · "Friederike" hat in Krefeld große Schäden angerichtet und fünf Menschen verletzt – eines der Opfer ist Linda Ellerbrock. Ein Baum durchschlug die Windschutzscheibe ihres Autos und verfehlte sie nur knapp. Doch auf Ersthelfer hoffte sie vergeblich.

Baum fällt auf Auto - Krefelderin im Glück
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Baum fällt auf Auto - Krefelderin im Glück

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Foto: Linda Ellerbrock

Donnerstagvormittag, 11 Uhr: Sturmtief "Friederike" tobt über Krefeld und lässt unzählige Bäume umstürzen. Linda Ellerbrock ist mit ihrem Ford auf dem Frankenring unterwegs – mit "voller Fahrt", wie sie sagt, als plötzlich vor ihr ein gewaltiger Baum auf die Fahrbahn kippt.

Die 22-Jährige hat keine Chance zu reagieren, es kommt zur Kollision, der Airbag platzt auf, ein Ast durchbricht die Frontscheibe. Wie ein Spieß bohrt er sich in die Fahrerkabine und verfehlt die junge Frau am Steuer nur um Zentimeter. Sie kommt mit kleinen Schürfwunden und Prellungen davon. "Ich hatte unglaubliches Glück", sagt Ellerbrock, die als Krankenschwester im Pflegedienst arbeitet und an diesem Morgen auf dem Weg zu einer Patientin ist.

Geschockt steigt die Krefelderin nach dem Unfall aus ihrem Auto und versucht, den Notruf zu aktivieren. "Aber mein Handy hat nicht richtig funktioniert und wollte sich immer mit meinem Auto verbinden", sagt Ellerbrock. Detailliert kann sie die Geschehnisse nicht wiedergeben, "alles ging so schnell", sagt sie.

Schutzengel fuhr auf dem Beifahrersitz mit

Was sie noch weiß: Durch Zufall kommt nur Sekunden nach dem Unfall ein Rettungswagen auf der Gegenfahrbahn vorbei. Die Sanitäter sind auf dem Rückweg von einem anderen Einsatz, sie halten an und versorgen die Verletzte, kurz darauf trifft auch die Feuerwehr ein.

Die Einsatzkräfte bestätigen den Vorfall und schreiben später in ihrer Einsatz-Meldung von einem "großen Schutzengel", der Linda Ellerbrock an diesem Vormittag auf dem Beifahrersitz begleitete. "Als die Feuerwehrmänner das Auto gesehen haben, konnten sie nicht glauben, dass ich da wirklich fast unverletzt rausgekommen bin."

Am Tag danach ist sie noch immer "fassungslos", wie sie sagt. Weniger ob ihres großen Glücks im Unglück, sondern wegen der ausgebliebenen Hilfe anderer Autofahrer. "Die haben einfach umgedreht, als sie gesehen haben, dass es nicht weitergeht." Sie könne sich noch genau erinnern, dass hinter ihr mehrere Autos fuhren.

Sturm Friederike wütet über Krefeld - teils große Schäden
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Sturm Friederike wütet über Krefeld

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Foto: Lothar Strücken

Als sie aus ihrem völlig zerstörten Wagen stieg, habe sie die Fahrzeuge noch wenden gesehen. "Niemand ist ausgestiegen, um zu schauen wie es mir geht." In ihrem Schockzustand habe sie jedoch verpasst, sich Kennzeichen zu notieren, um die Fahrer wegen unterlassener Hilfeleistung bei der Polizei anzuzeigen. "Es ging alles sehr schnell, im Nachhinein ärgere ich mich."

Wütendes Facebook-Posting wegen Unfall-Gaffern und unterlassener Hilfeleistung

Ihren Frust darüber drückte sie auch in einem Beitrag auf Facebook aus. Darin schrieb sie mit Blick auf ihre leichten Verletzungen sarkastisch: "Tut mir leid, dass ich den ganzen Fotografen heute nicht mehr bieten konnte." Denn neben den wendenden Autos ärgert sich Ellerbrock vor allem über die zahlreichen Gaffer, die den Unfallort und ihre Behandlung im Rettungswagen fotografierten.

Die 22-Jährige sagt: "Wenn man erst keine Hilfe bekommt und dann von Handykameras fotografiert wird, fühlt sich das schon ziemlich mies an." Auch deshalb sei sie mit dem Vorfall an die Öffentlichkeit gegangen, auf Facebook wurde ihr Beitrag hundertfach mit guten Wünschen kommentiert.

Sich und ihrem Schutzengel gab die junge Frau nach dem schlimmen Unfall am Freitag frei, die unschönen Erfahrungen will sie nun im Urlaub verarbeiten: "Am Samstag geht es zum Skifahren, da kommen dann noch ein paar Prellungen dazu."

Ihren Witz hat Linda Ellerbrock jedenfalls nicht verloren.

(cbo)
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