Krefeld Traarer Beamter bringt seit 50 Jahren die Post

Krefeld · Als Helmut Buttgereit seinen ersten Brief zustellt, fliegt die NASA gerade zum Mond. Im Mai wird der 64-Jährige in Pension gehen. Gegen unliebsame Hunde entwickelte er eine besondere Taktik.

 Mit 14 fing Helmut Buttgereit bei der Post an. Seitdem stellte er tausende Pakete und Briefe zu. Heute ist er einer der letzten Beamten im Dienst.

Mit 14 fing Helmut Buttgereit bei der Post an. Seitdem stellte er tausende Pakete und Briefe zu. Heute ist er einer der letzten Beamten im Dienst.

Foto: Lammertz

Helmut Buttgereit hat's nicht eilig. "Heute hab' ich nicht so viel dabei", sagt der 64-Jährige und steigt aus seinem gelben Peugeot Expert mit Bonner Kennzeichen aus. Noch ein Paket von der Rückbank, ein paar Schritte zur Tür, einmal Klingeln, langes Surren, kurzes Klacken, fünf Stufen hoch, ein bisschen Plaudern, Unterschrift, Übergabe, "Vielen Dank", jetzt die Briefe, "Tschüss" und das Schloss fällt zu. Halbzeit. Es ist kurz nach elf, noch vier Stunden, dann ist das Postauto leer.

Die Szene aus der Moerser Landstraße in Traar hat Helmut Buttgereit so oder so ähnlich schon tausende Male erlebt. Briefe und Pakete trägt der Postbote seit 50 Jahren aus. Wie oft er schon an Türen geklingelt hat, kann er nicht mehr zählen. "Jeden Tag habe ich bis zu 100 Pakete im Wagen. Da kommt über die Jahre schon einiges zusammen", sagt er. Als der gebürtige Willicher mit 14 bei der Deutschen Bundespost anfing, war Willy Brandt noch Außenminister und Brieträger trugen dunkelblaue Uniformen mit goldenen Knöpfen. "Papa hat gesagt: Junge, geh' zur Post", sagt Buttgereit und lacht. "Nein, im Ernst: Ich bin gerne an der frischen Luft und mag den persönlichen Kontakt mit den Leuten. Da war für mich klar, dass ich Postbote werden."

Heute ist Buttgereit einer der wenigen verbeamteten Zusteller, die seit der Privatisierung der Post 1995 übrig geblieben sind. "Ich bin ein Auslaufmodell", sagt er. Den Zustellbezirk in Traar rund um den Elfrather See hat er in den 70er Jahren von einem Kollegen übernommen - und bis heute behalten. "Da ist man bei vielen Leuten schon sowas wie ein Teil der Familie geworden", sagt der 64-Jährige. In mehr als 40 Jahren hat Buttgereit miterlebt, wie manch einer Krefeld verlassen hat, leere Wohnungen wieder neue Bewohner fanden, wie Babys auf die Welt kamen und die Alten starben. "Die Leute schämen sich nicht, wenn sie die Tür im Schlafanzug aufmachen. Man kennt sich und für viele ist es immer noch etwas Besonderes, wenn morgens die Post im Briefkasten landet."

In seiner Karriere hat er fast alle Klischees mitgenommen, die man einem Briefträger so zuschreiben kann: Buttgereit blickte in fröhliche Gesichter, die schon ganz ungeduldig auf ihr Pakete warteten, plauderte im Vorgarten übers Wetter und musste sich natürlich auch einigen aggressiven Vierbeinern stellen. "Einmal ging das wirklich schlecht für mich aus", sagt Buttgereit. "Die Dame an der Tür sagte mir, der sei ganz brav, aber seine Nackenhaare waren schon aufgestellt. Und dann hat er mich ins Knie gebissen." Seitdem hat der 64-Jährige immer ein paar Leckerlis dabei. "Manchmal helfen die, um sicher zum Briefkasten zu kommen", sagt er und lacht.

Jeden Morgen trifft Buttgereit um halb sieben im Krefelder Stützpunkt auf die Kollegen. Hier sortieren die Postboten die Briefe für die jeweiligen Bezirke und stellen sich den Zustellplan zusammen. "Heute geht das wegen der Maschinen relativ schnell. Früher hat das schon mal zwei Stunden gedauert." Den alten Zeiten trauert Buttgereit nicht nach - auch wenn damals vieles anders war. Man fuhr im gelben VW Fridolin, einer Art aufgemotztem Käfer, lieferte zweimal am Tag aus, verteilte Telegramme und hatte noch viele handgeschriebene Briefe im Auto, oder, wie man unter den Boten sagt: "die schöne Post". "An Weihnachten und jetzt bald an Valentinstag verschicken die Leute noch ein bisschen was davon, aber diese Art von Briefen ist eigentlich ausgestorben", sagt der 64-Jährige. "Als ich jünger war, habe ich auch noch schneller ausgetragen. Heute mach ich das etwas gemütlicher."

Im Mai wird Buttgereit 65. Der Geburtstag ist gleichzeitig sein letzter Arbeitstag bei der Post. "Dann war's das. Dann setz' ich mich zur Ruhe." Was er dann mit seiner freien Zeit macht, darüber hat sich der Postbote noch keine Gedanken gemacht. Die Familie - die Ehefrau, zwei Kinder, die Schwiegertochter und zwei Enkel - werden sich jedenfalls freuen, soviel steht fest. Doch bis dahin muss Buttgereit noch ein paar Mal rausfahren, Klingeln, Plaudern und die Leckerlis bereit halten.

(atrie)
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